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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.06.2001
Aktenzeichen: 18 U 172/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 91
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 708 Ziff. 10
Weiß der Kunde eines Immobilienmaklers, daß der für ihn gegen Provision tätige Makler auch von der anderen Seite beauftragt ist, so verwirkt der Makler seinen Provisionsanspruch nicht, wenn er den Kunden nicht ungefragt darauf hinweist, daß er bei Zustandekommen des Hauptvertrages auch von dem anderen Teil eine Provision zu erhalten hat (Bestätigung des Urteils vom 27.11.2000, OLG-Report 2001, 237)
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

18 U 172/00 OLG Hamm

Verkündet am 11. Juni 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiekötter sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Gossmann und Brumberg

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 08.05.2000 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; es beschwert die Kläger in Höhe von 13.572,-- DM.

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Maklerprovision von 13.572,-- DM. Denn die Beklagte hat die Provision nicht ohne Rechtsgrund erlangt, sondern sie hatte darauf aufgrund des von den Parteien geschlossenen Maklervertrages einen Anspruch. Die Voraussetzungen eines Rückzahlungsanspruchs aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 S. 1 erste Alternative BGB) liegen daher nicht vor.

1.

Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Maklervertrag zustande gekommen. Die Kläger haben selbst vorgetragen, sie hatten die Beklagte als Maklerin beauftragt (Seite 3 der Klageschrift, Bl. 3 d. A.), und auch in der Berufungserwiderung vom 31.01.2001 ist auf Seite 1 (Bl. 93 d. A.) klargestellt, daß die Beklagte für die Kläger als Maklerin tätig war. Ebenso ist unstreitig, daß die Provision, die der Beklagten zustehen sollte, vereinbarungsgemäß mit 13.572,-- DM festgelegt war (Seite 3 der Klageschrift, Bl. 3 d. A.).

2.

Die Beklagte hat die ihr obliegende Maklerleistung erbracht. Es ist unstreitig, daß die Beklagte den Klägern die Gelegenheit zum Erwerb der Immobilie in Greven nachgewiesen hat.

3.

Die Kläger haben - auch dies ist unstreitig - den Grundbesitz in Greven zu einem Kaufpreis von 390.000,-- DM erworben, d. h. aufgrund der Tätigkeit der Beklagten ist es zum Abschluß des Kaufvertrages (Hauptvertrages) gekommen. Der Kaufpreis von 390.000,-- DM entsprach exakt dem von der Beklagten genannten, so daß an der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit des tatsächlich geschlossenen und des in Aussicht genommenen Kaufvertrages keine Zweifel bestehen.

4.

Die Auffassung der Kläger, die Beklagte haben ihren Anspruch auf Zahlung der Maklerprovision verwirkt (§ 654 BGB), weil sie nicht darauf hingewiesen habe, daß sie auch für den Verkäufer der Immobilie provisionspflichtig tätig war, geht fehl.

a.

Die (provisionspflichtige) Doppeltätigkeit ist dem Immobilienmakler nach ganz herrschender Meinung grundsätzlich gestattet, soweit nicht im Einzelfall eine abweichende Vereinbarung vorliegt oder eine Interessenkollision gegeben ist (vgl. z. B. BGH NJW RR 2000, 430; NJW 2000, 3067; Senat NJW RR 1994, 125; VersR 1991, 545, jeweils m. w. N.; Schwerdtner, Maklerrecht, 4. Aufl., Rz. 858 m. w. N.; MünchKomm./Roth, BGB, § 654 Rz. 8, 9). Die provisionspflichtige Doppeltätigkeit ist zudem im hiesigen Raum, wie der Senat aus langjähriger Erfahrung weiß, üblich und weit verbreitet (vgl. Senatsurteil vom 27.11.2000 - 18 U 56/00 - und vom 10.05.2001 - 18 U 196/00 -; vgl. auch Schwerdtner, a.a.O.; MünchKomm./Roth a.a.O. Rz. 7). Eine Vereinbarung, die der Beklagten eine provisionspflichtige Tätigkeit für den Verkäufer der Immobilie untersagte, ist zwischen den Parteien nicht getroffen worden. Für eine Interessenkollision ist von den Klägern nichts dargelegt worden. Die Beklagte war für die Kläger als reine Nachweismaklerin tätig und hatte nicht die Aufgabe, sie zu beraten oder mit dem Verkäufer Verhandlungen zu führen, insbesondere nicht über die Hohe des Kaufpreises. Es ist auch nichts dafür dargelegt, daß die Beklagte sich über die vereinbarte Nachweistätigkeit hinaus tatsächlich in die Verhandlungen, insbesondere in die Preisverhandlungen eingeschaltet und zum Nachteil der Kläger gegen das Gebot der Unparteilichkeit verstoßen hätte.

b.

Die Beklagte hat auch nicht deswegen den Provisionsanspruch verwirkt, weil sie die Kläger nicht von sich aus darauf hingewiesen hat, daß sie von dem Verkäufer der Immobilie vereinbarungsgemäß ebenfalls eine Provision zu beanspruchen hatte, wenn ein von ihr nachgewiesener Käufer das Grundstück erwarb.

aa.

Den Klägern war, wie auch ihre Anhörung im Senatstermin ergeben hat, bekannt, daß die Beklagte vom damaligen Eigentümer beauftragt war, für die Immobilie einen Käufer zu suchen. Dies war im übrigen auch aus der sogenannten Reservierungsvereinbarung vom 07.05.1998 (Bl. 6 d. A.) erkennbar. Was die Kläger nicht gewußt haben wollen und woran sie auch nicht gedacht haben wollen, ist der Umstand, daß die Beklagte auch mit dem Eigentümer eine Provisionsvereinbarung getroffen hatte. Ob aber der für den Käufer tätige Makler auch dann, wenn der Käufer weiß, daß der Makler (auch) vom Verkäufer beauftragt worden ist, von sich aus und ungefragt darauf hinzuweisen verpflichtet ist, daß er auch von letzterem bei Zustandekommen eines Kaufvertrages eine Provision zu beanspruchen hat, ist in hohem Maße zweifelhaft. Aus dem Gesetz unmittelbar ergibt sich für eine solche Offenbarungspflicht nichts. In der Literatur wird, ohne auf Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen, eine Offenbarungspflicht teilweise bejaht (z. B. Schwerdtner, a.a.O., Rz. 866, 874; Staudinger/Reuter, BGB, § 654 Rz. 5; MünchKomm./Roth a.a.O., § 654 Rz. 9). Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte läßt eine einheitliche Linie demgegenüber nicht erkennen. Das OLG Frankfurt (NJW RR 1988, 1199) hat eine Hinweispflicht bejaht, wenn der Makler mit dem Auftraggeber die übliche Gesamtprovision vereinbart. Ein solcher Fall ist hier indes nicht gegeben, denn die mit den Klägern vereinbarte Provision ist nicht die übliche Gesamtprovision, die deutlich höher als 3 % liegt. Das OLG Oldenburg (OLGR Celle/ Braunschweig/Oldenburg 1994, 164) hat eine Offenbarungspflicht generell angenommen, wobei jedoch anzumerken ist, daß im dortigen Bereich die provisionspflichtige Doppeltätigkeit weniger verbreitet ist als im hiesigen Bezirk. Bejaht wird eine Hinweispflicht ferner vom OLG Naumburg (NJW RR 1996, 1082) und vom OLG Karlsruhe (NJW RR 1995, 500) für den Fall der Kreditvermittlung. Verneint wird eine Offenbarungspflicht vom OLG Köln (NJW 71, 1943), das dem Makler sogar bei einer Täuschung über die Provisionsverpflichtung der anderen Seite die übliche Provision zubilligt.

Der Senat hat diese Frage bisher nicht abschließend entschieden, hat jedoch angesichts der Üblichkeit der provisionspflichtigen Doppeltätigkeit der Immobilienmakler im hiesigen Bezirk erhebliche Bedenken gegen eine Offenbarungspflicht des Maklers für den (hier vorliegenden) Fall geäußert, daß der Auftraggeber von der Doppeltätigkeit an sich weiß, ihm nur nicht bekannt ist, ob der Makler mit der anderen Seite eine Provision vereinbart hat (vgl. insbesondere Urteil vom 27.11.2000, 18 U 56/00). Der Senat hat sich dabei von der Überlegung leiten lassen, daß die Provisionspflichtige Doppeltätigkeit des Immobilienmaklers - wie bereits erwähnt - im hiesigen Bereich der Regelfall ist und der Kunde, der von der Doppeltätigkeit weiß, jederzeit die Möglichkeit hat, den Makler nach einer von der anderen Seite zu zahlenden Provision zu fragen, wobei der Makler dann zu einer wahrheitsgemäßen Antwort verpflichtet ist. Daß der Makler insoweit von sich aus initiativ werden muß, ist schwer begründbar.

Der Senat sieht sich in seinen Bedenken gegen eine Offenbarungspflicht durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bestätigt. Soweit der BGH in bisher entschiedenen Fällen mit der Frage befaßt war, ob der Makler denjenigen Kunden, der von der Doppeltätigkeit an sich weiß, darüber unterrichten muß, ob er auch mit der anderen Seite eine Provisionsvereinbarung getroffen und welchen Inhalt sie hatte, hat er eine Hinweispflicht regelmäßig nicht angenommen. So hat der BGH in einem Fall, in dem der Makler im Auftrage des Eigentümers durch eine Zeitungsanzeige den Verkauf einer Immobilie angeboten hatte, entschieden, daß daraus für den Käufer ersichtlich gewesen sei, daß der Makler auch (und in erster Linie) für den Verkäufer tätig gewesen sei. Daher sei der Makler nicht verpflichtet gewesen, die Käufer zu unterrichten, welche Vereinbarungen (im konkreten Fall war es eine sogenannte Übererlösprovision) er mit dem Verkäufer über die Vergütung seiner Vermittlungstätigkeit getroffen hatte (NJW 1970, 1075). Auch in neuesten Entscheidungen zieht der BGH in einem Fall, in dem die Doppeltätigkeit an sich offengelegt ist, eine gesonderte Verpflichtung, zusätzlich auf die Provisionspflichtigkeit der anderen Seite hinzuweisen, gar nicht erst in Erwägung (z. B. BGH NJW 2000, 3067 = VersR 2000, 1105). Lediglich in Ausnahmefällen, in denen der Makler mit seinem Kunden einen langfristigen Alleinauftrag (15 Monate) geschlossen und sich ausbedungen hatte, daß der Kunde keine eigene Initiative entfalten dürfe und die Verhandlungen ausschließlich ihm - dem Makler - überlassen müsse, verlangt der BGH wohl, der Makler müsse unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß er auch für den anderen Teil provisionspflichtig tätig sei (sowohl NJW 1964, 1467; vgl. auch BGH MDR 2000, 201 = VersR 2182). Begründet hat der BGH dies mit der besonderen Stellung des Maklers als sogenannter Vertrauensmakler. Ein derartiger Fall liegt hier indessen nicht vor. Die Beklagte war für die Kläger als einfache Nachweismaklerin tätig. Für einen solchen Fall hat der BGH eine entsprechende Hinweispflicht - soweit ersichtlich - noch niemals bejaht, sondern im Ergebnis abgelehnt.

c.

Letztlich kann aber offen bleiben, ob und wann der Doppelmakler gegenüber seinem Kunden nicht nur zu erkennen geben muß, daß er auch für den anderen Teil tätig ist, sondern ihm ungefragt sagen muß, daß er von dem anderen Teil auch eine Provision erhält. Solange die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - wie dargelegt - in die gegenteilige Richtung tendiert und eine entsprechende Aufklärungspflicht nicht in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung klar bejaht wird, läßt sich nicht sagen, der Makler verstoße in grober, dem Vorsatz nahekommender Weise gegen wesentliche Vertragspflichten und erweise sich seines Lohnes als unwürdig, wenn er nicht vom Bestehen einer solchen Pflicht ausgeht. Der Senat hält insoweit an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (vgl. Urteile vom 27.10.2000 - 18 U 56/00 - und vom 10.05.2001 - 18 U 196/00 -). Denn ein schwerwiegender Verstoß gegen eine wesentliche Vertragspflicht, die den Makler seines Lohnes unwürdig erscheinen läßt, setzt wegen des Strafcharakters der Verwirkung ein subjektiv schwerwiegendes Verschulden voraus (vgl. MünchKomm./Roth, § 654 Rz. 20). Ein subjektiv schwerwiegendes Verschulden erfordert, daß der Makler klar erkennen kann und muß, daß ihm ein bestimmtes Verhalten von der Rechtsordnung abverlangt wird. Solange der Makler vertretbar davon ausgehen darf, er verhalte sich rechtlich korrekt, fehlt selbst bei einem objektiven Pflichtenverstoß ein subjektiv schwerwiegendes Verschulden. Es kann von einem durchschnittlichen Makler nicht erwartet werden, sich mit juristischer Spezialliteratur auseinanderzusetzen. Er braucht auch nicht vereinzelt gebliebene obergerichtliche Rechtsprechung, die ihm zumeist kaum zugänglich sein wird, zu kennen, und erst recht kann von ihm nicht erwartet werden, bei einer nicht einheitlichen Rechtsprechung, insbesondere bei Fehlen einer eindeutigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu erkennen, welcher Auffassung zu folgen ist. Das wäre eine Überspannung der Anforderungen, die an den Makler gestellt werden können und dürfen.

5.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 546 Abs. 2 und 708 Ziff. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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