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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 02.03.2006
Aktenzeichen: 18 U 50/05
Rechtsgebiete: VVG, HGB


Vorschriften:

VVG § 67
HGB § 439 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. Dezember 2004 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können durch unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Gründe:

I.

Die Klägerin verfolgt Schadensersatzansprüche aus einem Transportschadensfall aus dem Jahre 2000 mit der Behauptung, diese Ansprüche seien gem. § 67 VVG oder aufgrund der Abtretungen der Fa. H AG mit Sitz in B (im folgenden Fa. C E) vom 11.12.2001 und der Fa. C B, T GmbH mit Sitz in X (im folgenden Fa. C P) vom 14.07.2001 (in Ablichtung Anlage K 12, Bl. 142 GA und Anlage K 12 a, Bl. 143 GA) in Verbindung mit einer Bestandsübertragung auf sie übergegangen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift verwiesen.

Dem Rechtsstreit liegt folgendes Transportgeschehen zugrunde, wobei der Tatbestand des angefochtenen Urteils wegen der Einordnung des Sachvortrages als unstreitig so übernommen wird:

Der H W W2, dessen Bestand nach Darstellung der Klägerin auf diese übertragen worden ist, war Transportversicherer der T-Gruppe, der Unternehmen u.a. in C, F und H2 angehören. Im August 2000 beauftragte die T-Gruppe die Fa. DKS M, deren Rechtsnachfolgerin die Fa. C E ist, mit der Beförderung von Textilwaren per Lkw von Deutschland zu verschiedenen Empfängern in P. Die Textilien wurden im Wege der Sammelladung in C, H2 und F übernommen. Die Fa. DKS M setzte ihrerseits die Fa. C P als Unterfrachtführerin ein. Diese übernahm die Textilien am Lager der Fa. C E in E2 und führte sie ihrem Lager in X zu. Dort wurden die Waren mit anderen Transportgütern neu zusammengestellt und auf eine Wechselbrücke zum Zwecke des Weitertransportes nach T2 verladen. Mit der Durchführung des Transportes wurde durch die Fa. C P die Beklagte beauftragt. Der Fahrer der Beklagten übernahm die X2 am 21. August 2000 in X. Ein durchgehender Frachtbrief für den Transport von C, F und H2 nach T2 war nicht ausgestellt. Auf der Fahrt von X nach T2 verunfallte der Fahrer mit der übernommenen X2, wobei auch die geladenen Textilien der T-Gruppe beschädigt wurden. Die Höhe des Schadens bezifferte die Klägerin mit 31.656,48 €. Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf den Inhalt der Klageschrift verwiesen. In der Folgezeit bezahlte die Fa. DKS den Schaden im Umfange der nach der CMR bestehenden Grundhaftung. Mit der Klage verfolgt die Klägerin Ansprüche wegen des über die Grundhaftung hinaus geltend gemachten Schadens mit der Begründung, die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden gem. Art. 29 CMR auf vollen Schadensersatz.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 24.295,96 € nebst 5 % Zinsen seit dem 07.09.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die örtliche und internationale Zuständigkeit des Landgerichts Essen gerügt und im Übrigen geltend gemacht, die Voraussetzungen für eine Haftung nach Art. 29 CMR lägen nicht vor.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Landgericht Essen international nicht zuständig und damit auch seine aus der internationalen Zuständigkeit abzuleitende örtliche Zuständigkeit nicht gegeben sei. Wegen der Einzelheiten der landgerichtlichen Begründung wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 339 ff GA, Bl. 345 ff GA) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die fristgerecht eingereichte und begründete Berufung der Klägerin. Sie meint, dass das Landgericht die internationale Zuständigkeit rechtsfehlerhaft verneint habe, und bleibt bei ihrer Auffassung, dass die internationale Zuständigkeit gem. Art. 31 CMR und damit auch die örtliche gemäß dem Vertragsgesetz vom 05.07.1989 (BGBl 1989 II 586) gegeben sei. Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Klägerin wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 04.05.2005 (Bl. 392 ff GA) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 24.295,96 € nebst 5 % Zinsen seit dem 07.09.2001 zu zahlen und weiter,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem angefochtenen Urteil unter näherer Darlegung bei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 28.09.2005 (Bl. 421 ff GA) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die Berufung ist nicht begründet.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die Klage unzulässig ist, weil die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Essen und damit auch dessen örtliche Zuständigkeit nicht gegeben seien.

1.

Soweit die Klage auf einen eigenen vertraglichen Anspruch gem. Art. 17, 29 CMR der der T-Gruppe angehörenden Unternehmen, der gem. § 67 VVG auf die Klägerin übergegangen sein kann, gestützt wird, ist die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Essen gem. Art. 31 Abs. 1 Buchst. b CMR nicht begründet, auch wenn der Ort der ersten Übernahme der im weiteren Transportverlauf beschädigten Textilien nach dem diesen Sachverhalt als unstreitig darstellenden Tatbestand des angefochtenen Urteils in C, H2 und F liegt.

Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin einen solchen Anspruch im Rechtsstreit überhaupt verfolgen will, weil in der Klageschrift unklar davon die Rede ist, dass "der Ersatzanspruch der Versicherungsnehmerin der Klägerin ... nach § 67 VVG auf die Klägerin übergegangen ist.". Jedenfalls stellt die Klägerin schon nicht schlüssig die Rechtsbehauptung auf, dass ein solcher Anspruch überhaupt bestehen kann. Die CMR kennt nämlich abweichend vom nationalen deutschen Recht vertragliche Ansprüche des Auftraggebers des Transportes gegen den ausführenden Frachtführer, der seinerseits von einem Hauptfrachtführer eingeschaltet worden ist, nicht. Ein Fall des Art. 34 CMR liegt nicht vor, weil unstreitig ein durchgehender Frachtbrief nicht ausgestellt war.

2.

Soweit ein deliktischer Anspruch der der T-Gruppe angehörenden Unternehmen, der nach § 67 VVG auf die Klägerin übergegangen sein könnte, in Betracht zu ziehen ist, fehlt es ebenfalls an der internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Essen.

a)

Der in der Senatsverhandlung nachdrücklich vertretenen Auffassung der Beklagten, dass deliktische Ansprüche im Rechtsstreit überhaupt nicht geltend gemacht seien, vermag der Senat nicht beizutreten. Nach den Darlegungen auf Seite 3 der Klageschrift, verfolgt die Klägerin eigene, angeblich auf sie übergegangene Ansprüche der der T-Gruppe angehörenden Unternehmen. Da wie ausgeführt , eigene vertragliche Ansprüche des Absenders nicht bestehen können, können mit der Geltendmachung eigener Ansprüche nur deliktische gemeint sein.

b)

Für die Entscheidung über die deliktischen Ansprüche der der T-Gruppe angehörenden Unternehmen ist das Landgericht Essen indes ebenfalls nicht international zuständig.

aa)

Die Beschlussentscheidung des I. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes vom 31.05.2001 - I ZR 85/00 - (abgedruckt u.a. in Transportrecht 2001, S. 452 f.) kann dahin verstanden werden, dass der deliktische Schädiger gem. Art. 31 CMR in Deutschland verklagt werden kann, wenn der Gesamttransport der CMR unterliegt (wie im Streitfall) und z.B. das Transportgut bei Beginn des Transportes in Deutschland übernommen worden ist (wie im Streitfall), auch wenn der deliktische Schädiger das Transportgut erst im Ausland als ausführender Frachtführer übernommen hat und nur mit dem Transport auf der ausländischen Teilstrecke, also selbst nicht mit dem grenzüberschreitenden Transport beauftragt war (wie im Streitfall). Dieser Auffassung ist Koller in Transportrecht 2002, S. 133 ff nachdrücklich entgegengetreten.

bb)

Jedenfalls für die Konstellation des Streitfalles tritt der Senat der Auffassung Kollers a.a.O. bei.

Der Streitfall zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass die beschädigten Textilien im Wege des Sammeltransportes in C, H2 und F übernommen, sodann dem Zentrallager der Fa. C E in B zugeführt, dort umgeladen, sodann grenzüberschreitend von der Fa. Birkart P zu deren Zentrallager in X transportiert, dort abgeladen und mit anderen Transportgütern neu zusammengestellt, auf eine Wechselbrücke geladen und dann von der Beklagten übernommen wurden, während in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der Transport einer "Komplettladung" in Rede stand. Diesen Unterschied hat bereits das Landgericht zutreffend herausgestellt.

Auf den hier zu entscheidenden Fall lassen sich die vom Bundesgerichtshof für den Fall der Beförderung einer "Komplettladung" verwendeten Argumente nicht übertragen.

Der Gesichtspunkt des Vorzuges einer gleichlautenden Entscheidung in Bezug auf die Haftung des vertraglich und des deliktisch haftenden Beförderers passt für den Streitfall nicht. Vielmehr kann sich der deliktische Frachtführer wegen desselben Schadensereignisses einer Vielzahl von Klagen aus den unterschiedlichsten Ländern ausgesetzt sehen (vgl. Koller a.a.O.).

Auch die Bewertung, dass sich der ausführende Frachtführer vor Übernahme des Transportgutes in P durch Einsichtnahme in die Frachtpapiere einen Überblick verschaffen kann, wo die weiter zu transportierenden Waren erstmalig im Gesamttransport übernommen worden sind, hilft im Streitfall wenig. Bei übernommenen Sammeltransporten ist nämlich der Aufwand nicht unerheblich; im Übrigen erscheint es selbst bei Kenntnis des ausführenden Frachtführers um die Herkunftsländer der neu zusammengestellten aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern kommenden Waren oder bei Möglichkeit der Kenntnisnahme hiervon nicht zumutbar, dass der ausführende Frachtführer sich bei einer Verunfallung seines Fahrzeugs auf Klagen in allen möglichen Herkunftsländern einlassen soll.

cc)

Schließlich ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch nicht über § 439 a des österreichischen HGB begründbar. Denn § 439 a österreichisches HGB verweist, was auch gar nicht anders sein kann, nicht auf die deutsche Gerichtsbarkeit, sondern nimmt die Anwendung von Art. 1 und 31 der CMR gerade von der Geltung aus.

3.

Soweit die Klage auf abgetretene vertragliche und deliktische Ansprüche der Fa. C E gestützt sein soll, gelten die Ausführungen zu den vorstehenden Ziff. 1. und 2. entsprechend mit der Ergänzung, dass vertragliche Ansprüche der Fa. C E gegen den ausführenden Frachtführer bei Zwischenschaltung der Fa. C P nach der CMR nicht bestehen können und auch deliktische Ansprüche nicht schlüssig dargelegt sind. Denn die Fa. C E ist durch den Unfall nicht geschädigt worden; ein Bedürfnis für eine Drittliquidation des Schadens unter deliktischen Gesichtspunkten besteht nicht, weil der geschädigte Absender, hier die der T-Gruppe angehörenden Unternehmen eigene deliktische Schadensersatzansprüche haben, insofern also Anspruch und Schaden nicht auseinanderfallen.

4.

Auch für die Entscheidung über abgetretene Ansprüche der Fa. C P ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht begründet. Insofern kann ebenfalls auf die Ausführungen zu den vorstehenden Ziff. 1. und 2. zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden; das gleiche gilt für die Erwägung, über § 439 a österreichisches HGB zu einer Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte zu gelangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich gem. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Frage, inwieweit der Bundesgerichtshof an seiner dem Beschluss vom 31.05.2001 zugrundegelegten Rechtsauffassung angesichts der in der Literatur erhobenen Kritik überhaupt, nur für den Fall der streitgenössischen Inanspruchnahme des vertraglich und des deliktisch haftenden Frachtführers und insbesondere für den Fall der Übernahme der Transportgüter im Wege der Sammelladung, Umladung und Neuzusammenstellung der Transportgüter festhält, von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Ende der Entscheidung

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