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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.05.2006
Aktenzeichen: 18 W 31/05
Rechtsgebiete: ZPO, HGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
HGB § 89 b
HGB § 89 b Abs. 2
HGB § 89 b Abs. 3 Nr. 1
HGB § 89 b Abs. 3 Nr. 2
HGB § 89 b Abs. 4 Satz 2
HGB § 89 b Abs. 5
HGB § 89 b Abs. 5 Satz 5 Satz 2
HGB § 92 Abs. 1
HGB § 92 Abs. 2
HGB § 89 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 30.05.2005 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Vorsitzenden der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster vom 28.04.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Auslagen des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

I. Der Antragsteller war als Handelsvertreter gemäß Vertrag vom 30.12.1982 damit betraut, für den Antragsgegner Versicherungsverträge zu vermitteln. Unter dem 06.09.2004 erklärte der Antragsteller die ordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses zum 30.06.2005. Der Antragsgegner erklärte seinerseits unter dem 25.11.2004 die fristlose Kündigung. Der Antragsteller hat beim Landgericht Prozesskostenhilfe für eine Zahlungsklage beantragt, mit der er vom Antragsgegner 36.190,80 € nebst Zinsen verlangt (S. 3 des Schriftsatzes vom 21.06.2005, Bl. 40 GA). Die Verfahrensbeteiligten streiten insbesondere darüber, ob der Antragsgegner begründeten Anlass für die Kündigung durch den Kläger gegeben hat, ob ein wichtiger Grund für die vom Antragsgegner ausgesprochene fristlose Kündigung vorlag und ob der Vortrag zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs hinreichend substantiiert ist. Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 28.04.2005, auf den Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht nicht abgeholfen und das Verfahren dem Senat vorgelegt. Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegen getreten.

II. Die gemäß § 127 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO.

Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Ausgleichsanspruch ist § 89 b HGB heranzuziehen. Der Antragsteller war Versicherungsvertreter im Sinne des § 92 Abs. 1 HGB, so dass gemäß § 92 Abs. 2 HGB die Bestimmung des § 89 b HGB zur Anwendung kommt.

1. Der Ausgleichsanspruch setzt zunächst die Vertragsbeendigung voraus. Diese ist hier entweder aufgrund der ordentlichen Kündigung des Antragstellers oder der fristlosen Kündigung des Antragsgegners eingetreten.

a) Allerdings wäre der Anspruch ausgeschlossen, wenn für die Kündigung des Antragsgegners ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Antragstellers vorlag (§ 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB), wofür der Antragsgegner beweispflichtig ist. Der Antragsgegner hat die fristlose Kündigung auf die Einbehaltung von Kundengeldern gestützt. Der Antragsteller hat - wie seinem Kündigungsschreiben vom 20.10.2004 (im PKH-Heft) zu entnehmen ist - offenbar gemeint, diesen Gegenanspruch im Wege der Teilaufrechnung mit seinem angeblichen Ausgleichsanspruch zu befriedigen. Jedenfalls wenn Verrechnungen zwischen den Beteiligten üblich gewesen sind, reicht das Verhalten des Antragstellers nicht aus, um einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung im Sinne des § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB zu begründen. Da diese Frage im gegenwärtigen Verfahrensstadium unklar ist, scheitert die Bewilligung von Prozesskostenhilfe derzeit nicht bereits unter diesem Gesichtspunkt.

b) Ebenfalls ausgeschlossen wäre der Ausgleichsanspruch, wenn das Vertragsverhältnis durch die vom Kläger ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet worden wäre, es sei denn, dass ein Verhalten des Antragsgegners begründeten Anlass gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann (§ 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB). Zwar ist beim derzeitigen Verfahrensstand zweifelhaft, ob ein begründeter Anlass für die Kündigung bestand. Insoweit wäre aber in Betracht zu ziehen gewesen, diese Frage durch geeignete Auflagen weiter zu klären, so dass die Umstände des angeblich unberechtigten Vorwurfs mangelnder Leistung deutlicher hervortreten würden. Dabei wäre auch zu klären, welche Personen in welchen Funktionen aus welchem Grund die vom Kläger vorgelegten Gesprächsnotizen vom Antragsgegner erhalten haben ("Team 604"?, "VM Akte 3743"?). Zudem könnte der Antragsteller aufgefordert werden, zu erklären, ob er sich auch auf die in § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB vorgesehene Alternative der Unzumutbarkeit wegen Krankheit berufen will, wobei auch zu dieser Frage eine weitere Aufklärung in Betracht käme. Angesichts dieses Verfahrensstandes sieht sich der Senat derzeit auch gehindert, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe schon aufgrund der Eigenkündigung des Antragstellers zu versagen.

2. Weiter ist der Anspruch auch fristgerecht geltend gemacht worden. Die von Amts wegen zu berücksichtigende zwölfmonatige Ausschlussfrist nach § 89 b Abs. 4 Satz 2 HGB ist offensichtlich eingehalten worden.

3. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe scheitert jedoch beim derzeitigen Sachstand jedenfalls daran, dass der insoweit darlegungspflichtige Kläger die materiellen Anspruchsvoraussetzungen, also die Unternehmervorteile und Provisionsverluste, nicht in einer Weise vorgetragen hat, die es dem Gericht ermöglicht, in eine verlässliche Bemessung des Ausgleichsanspruchs einzutreten.

a) Der Ausgleichsanspruch setzt voraus, dass der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung nach Beendigung des Vertrages erhebliche Vorteile hat und der Handelsvertreter Ansprüche auf Provisionen verliert (§ 89 b Abs. 1 Nr. 1 und 2 HGB). Dabei enthält § 89 b Abs. 5 HGB eine Modifikation für den Versicherungsvertreter. Denn für diesen kommt es - auf der Ebene der darzulegenden Unternehmervorteile - anders als nach § 89 Abs. 1 Nr. 1 HGB nicht darauf an, dass er neue Stammkunden geworben hat, sondern nur darauf, dass er neue Versicherungsverträge, sei es auch mit Altkunden, vermittelt hat, aus denen der Unternehmer nach Ende des Handelsvertretervertrages erhebliche Vorteile hat. Dabei steht die wesentliche Erweiterung eines bestehenden Versicherungsvertrages der Vermittlung eines neuen Versicherungsvertrages gleich. Auf der Ebene der darzulegenden Provisionsverluste kommt es für den Versicherungsvertreter darauf an, ob er ohne das Vertragsende (Folge)Provisionsansprüche aus den in der Vertragszeit vermittelten neuen Verträgen zu erwarten hätte (Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 89 b Rdnr. 91). Dabei dürfen der Ausgleichsberechnung jedoch allein die Provisionen und Provisionsanteile zugrunde gelegt werden, die dem Versicherungsvertreter für seine vermittelnde, auf den Neuabschluss von Versicherungsverträgen oder deren Erweiterung gerichtete Tätigkeit gezahlt werden, während Vergütungen und Vergütungsanteile für die Verwaltung des Versicherungsbestandes bei der Berechnung der Provisionsverluste unberücksichtigt bleiben (BGH, VersR 2005, 1283 = WM 2005, 1866; BGH, NJW-RR 2004, 469). Insoweit sind insbesondere Vergütungen für die Aufgaben der Bestandspflege, der Stornoabwehr, der Bearbeitung von Schadensfällen, der Kontaktpflege und der Kundenbetreuung bei der Ausgleichsberechnung nicht zu berücksichtigen (BGH, a.a.O.).

b) Diesen Grundsätzen wird die Darlegung des Antragstellers nicht gerecht. Wie sich insbesondere dem vorprozessualen Schreiben des Antragstellers vom 20.10.2004 (im PKH-Heft) entnehmen lässt, wird eine aus den letzten fünf Jahren errechnete Jahresdurchschnittsprovision geltend gemacht. Aus dem Wortlaut des § 89 b Abs. 2 und Abs. 5 Satz 5 Satz 2 HGB, in dem von "höchstens" die Rede ist, ergibt sich jedoch, dass die Größenordnung der Jahresprovision bzw. beim Versicherungsvertreter von drei Jahresprovisionen nicht dazu dient, den Inhalt des Ausgleichsanspruchs festzulegen, sondern allein dazu, ihn zu begrenzen. Im Übrigen dürfte die Jahresprovision, in der schon nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers zu erheblichen Teilen eine Bestandspflegevergütung enthalten sein soll (vgl. Schriftsatz vom 21.06.2005, Bl. 38 bis 40 GA), zu nicht unerheblichen Teilen aus Vergütungen bestehen, die sich nicht auf die Vermittlung, sondern auf die Verwaltung des Versicherungsbestandes bezieht. Auch wenn man mit dem Bundesgerichtshof davon ausgeht, dass ein Versicherungsunternehmen, das einem Versicherungsvertreter Provisionen zahlt, deren Zweckbestimmung der vertraglichen Provisionsregelung nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist, im Ausgleichsprozess die Darlegungs- und Beweislast dafür hat, dass und zu welchem Anteil die Provisionen dazu bestimmt sind, vermittlungsfremde Tätigkeiten des Vertreters abzugelten (BGH, VersR 2005, 1283 = WM 2005, 1866), so ändert dies nichts daran, dass zunächst einmal der Antragsteller darzulegen hätte, welche konkreten vertraglichen Provisionsregelungen überhaupt getroffen worden sind. Daran fehlt es. Zwar ist vom Antragsteller eine Ablichtung des Vertrages zwischen den Beteiligten ("Urkunde über Vertrauensmannbestellung" vom 30.12.1982, im PKH-Heft) vorgelegt worden. Hinsichtlich der Provisionsregelungen enthält die Vertragsurkunde jedoch Verweise auf Anlagen (vgl. Ziffern VI.1., VII.4., VIII.4.), die nicht vorgelegt worden sind. Möglicherweise sind zwischenzeitlich auch neue vertragliche Regelungen zur Vergütung getroffen worden.

c) Dahinstehen kann beim vorliegenden Verfahrensstand auch, ob der Antragsteller - wie in Ziffer X.2. der Vereinbarung vom 30.12.1982 vorgesehen - darauf verwiesen werden könnte, seiner Berechnung die "vom Gesamtverband der Versicherungswirtschaft e.V. und den Versicherungsvermittler-Verbänden erarbeiteten Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs (§ 89 b HGB)" zugrunde zu legen (vgl. dazu Baumbach/Hopt, a.a.O., § 89 b Rdnr. 96), und ob sich danach für den vorliegenden Fall jedenfalls brauchbare Anhaltspunkte für die Berechnung eines Ausgleichsanspruchs ergeben könnten, wobei allerdings die "Grundsätze" dem Versicherungsvertreter jedenfalls die Darlegung seiner Provisionsverluste erleichtern dürften (vgl. OLG Hamm, VersR 2001, 1154).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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