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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.05.2005
Aktenzeichen: 18 W 8/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
ZPO § 313 a Abs. 1
ZPO § 515
ZPO § 572 Abs. 1 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenbeschluss der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 22.12.2004 - 3 O 292/04 - wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 2.000,00 Euro festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Der Beklagte wendet sich gegen einen Kostenbeschluss gemäß § 91 a ZPO. I. In dem Rechtsstreit vor dem Landgericht hat der Kläger den Beklagten auf Räumung eines von diesem angemieteten gewerblichen Objekts sowie Zahlung rückständiger Miete in Anspruch genommen. Nach mündlicher Verhandlung vor dem Landgericht haben sich die Parteien außergerichtlich geeinigt, u.a. darauf, dass der Rechtsstreit von ihnen in der Hauptsache für erledigt erklärt werden und das Landgericht unter Verzicht auf eine Begründung über die Kosten gemäß § 91 a ZPO entscheiden soll. Nachdem die Parteien die entsprechenden Erklärungen gegenüber dem Landgericht abgegeben haben, hat dieses durch den angefochtenen und nicht begründeten Beschluss die Kosten des Rechtsstreits zu 5 % dem Kläger und zu 95 % dem Beklagten auferlegt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerechte sofortige Beschwerde des Beklagten, mit der er eine Aufhebung der Kosten gegeneinander begehrt. Er ist der Ansicht, das Landgericht sei an die Vereinbarung eines Begründungsverzichts der Parteien nicht gebunden gewesen und habe seinen Beschluss daher gleichwohl begründen müssen. Da es dies nicht getan habe, sei die sofortige Beschwerde begründet. Im Übrigen wendet er sich in der Sache gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts. Der Kläger hingegen meint, die sofortige Beschwerde sei bereits unzulässig, da mit dem Verzicht auf eine Begründung konkludent auch ein Rechtsmittelverzicht erklärt worden sei. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt. II. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist unzulässig, da beide Parteien unter Verzicht auf eine Begründung der Kostenentscheidung das Gericht gebeten haben, über die Kosten des Rechtsstreits nach den Grundsätzen des § 91 a ZPO zu entscheiden. Der in erster Instanz vorbehaltlos erklärte Begründungsverzicht der Parteien beinhaltet nämlich zugleich den Verzicht auf eine Anfechtung des Kostenbeschlusses, den das Gericht zumindest auf Grund des entsprechenden Einwandes des Klägers zu beachten hat.

1. In der Rechtsprechung wird allerdings zum Teil die Ansicht vertreten, dass der Verzicht auf eine Begründung des Kostenbeschlusses nicht zugleich einen Rechtsmittelverzicht enthalte (OLG Hamm (9. ZS) NJW-RR 2000, 212; (19. ZS) MDR 2000, 721; (30. ZS) MDR 2003, 116). Für den Verzicht auf die Rechtsmittel der Berufung und der Revision sei anerkannt, dass dieser erst wirksam nach Verkündung der gerichtlichen Entscheidung erklärt werden könne. Entsprechendes müsse daher auch für den im Wesentlichen gleich gelagerten Fall eines Verzichts auf das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gelten (so OLG Hamm (9. ZS) NJW-RR 2000, 212). Voraussetzung für einen konkludenten Rechtsmittelverzicht sei im Übrigen, dass die Handlung unzweideutig erkennen lasse, dass die Partei auf ein Rechtsmittel verzichten wolle. Dies sei bei einem bloßen Verzicht auf eine Begründung einer gerichtlichen Entscheidung jedoch nicht der Fall. Zwar dürfe gemäß § 313 a Absatz 1 ZPO von einer Urteilsbegründung nur abgesehen werden, wenn die Entscheidung unanfechtbar sei, was auch für Beschlüsse gelte. Daraus könne jedoch nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass mit dem Begründungsverzicht gleichzeitig konkludent ein Rechtsmittelverzicht erklärt werde. Denn es bestehe auch die Möglichkeit, dass den Beteiligten nicht bewusst gewesen sei, dass ein Begründungsverzicht bei einer rechtsmittelfähigen Entscheidung unwirksam und daher unbeachtlich sei. Es bedürfe daher - abgesehen von dem Begründungsverzicht - weitergehender Umstände, denen eindeutig entnommen werden könne, dass die Partei auf ein Rechtsmittel verzichten wolle (OLG Hamm (19. ZS) MDR 2000, 721 f. m.w.N.). Schließlich gingen bei einem Verzicht auf eine Begründung die Parteien erkennbar davon aus, dass das Gericht eine für beide Seiten akzeptable Kostenentscheidung treffen werde. Diese Erklärung lasse sich jedoch nicht zwanglos dahin auslegen, dass die Parteien auch bereit seien, eine fehlerhafte Kostenentscheidung hinzunehmen. Das Argument, ein Kostenbeschluss nach § 91 a ZPO dürfe schließlich nur dann ohne Begründung bleiben, wenn er keinem Rechtsmittel unterliege, sei nur scheinbar zwingend, da es voraussetze, was zu beweisen sei (OLG Hamm (30. ZS) MDR 2003, 116).

2. Nach anderer Auffassung in der Rechtsprechung beinhaltet hingegen ein Begründungsverzicht konkludent auch einen Verzicht auf ein Rechtsmittel (OLG Hamm (20. ZS) NJW-RR 1993, 827; (12. ZS) NJW-RR 1994, 1407; OLG Köln MDR 2000, 472 und MDR 2002, 109, jeweils zit. nach juris; OLG Braunschweig MDR 2001, 1009, zit. nach juris; OLG Celle Beschluss vom 25. Juli 2002 - 20 W 11/02 -, zit. nach juris). Der Verzicht auf eine Begründung der Kostenentscheidung mache deutlich, dass die Parteien, nachdem das Verfahren in der Sache durch einen Vergleich erledigt worden sei, den Rechtsstreit in dieser Instanz auch im Kostenpunkt abschließen wollten und auf eine Überprüfung der Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz keinen Wert legten. Für eine Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht sei die Darstellung der Entscheidungsgründe unerlässlich. Indem die Parteien auf die Mitteilung der Entscheidungsgrundlagen verzichteten, brächten sie zum Ausdruck, dass für sie die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung bedeutungslos sei und die Einlegung eines Rechtsmittels ausgeschlossen sein sollte (OLG Hamm (20. ZS) NJW-RR 1993, 827; (12. ZS) NJW-RR 1994, 1407; OLG Köln MDR 2000, 472; OLG Braunschweig MDR 2001, 1009; OLG Celle, Beschluss vom 25. Juli 2002 -20 W 11/02 -). Insbesondere würden sie damit auch deutlich machen, dass sie den Streit in der Sache nicht auf der Ebene der Anfechtung der Kostenentscheidung fortsetzen wollten (OLG Braunschweig und OLG Celle a.a.O.). Jedenfalls nach dem ab dem 01.01.2002 geltenden Verfahrensrecht könnten die Parteien den Verzicht auf ein Rechtsmittel (§ 515 ZPO) auch bereits vor Erlass der gerichtlichen Entscheidung erklären (OLG Celle a.a.O.). Im Übrigen liege die Motivation für einen Begründungsverzicht in der Regel in der Ermäßigung der Gerichtskosten. Diese trete jedoch nur ein, wenn die Parteien zugleich auch auf ein Rechtsmittel verzichtet haben (OLG Köln MDR 2000, 472).

3. Der Senat schließt sich der letztgenannten Rechtsmeinung an.

Dem Begründungsverzicht auch den Erklärungswert eines Verzichtes auf ein Rechtsmittel beizumessen, steht nicht bereits entgegen, dass ein solcher erst nach Erlass der gerichtlichen Entscheidung erklärt werden könne. Denn nach § 515 ZPO in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung kann ein Rechtsmittelverzicht auch bereits vor Erlass der gerichtlichen Entscheidung erklärt werden (Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 515, Rz. 1). Andererseits folgt allerdings aus dem neuen, seit dem 01.01.2002 geltenden Verfahrensrecht nicht mehr zwingend, dass ein Begründungsverzicht zugleich auch den Verzicht auf ein Rechtsmittel beinhalten muss, weil für eine Nachprüfung durch die Rechtsmittelinstanz die Darstellung der Entscheidungsgründe des Beschlusses unerlässlich ist. Denn § 572 Absatz 1 ZPO n.F. sieht nunmehr auch für eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO vor einer Entscheidung des Beschwerdegerichts zunächst ein Abhilfeverfahren des Ausgangsgerichts vor. Diesem ist daher möglich, nach Eingang der sofortigen Beschwerde einer Partei die Darstellung seiner Entscheidungsgründe in seinem Nichtabhilfebeschluss nachzuholen, sofern es der sofortigen Beschwerde nicht abhelfen will. Gleichwohl ist einer Einigung der Parteien eines Rechtsstreits in der Sache mit der zusätzlichen Vereinbarung, das Gericht um eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO unter Verzicht auf die Begründung zu bitten, der konkludente Erklärungswert eines Rechtsmittelverzichts beizumessen. Mit einem Begründungsverzicht bringen die Parteien eines Rechtsstreits zugleich klar und deutlich zum Ausdruck, dass sie den Rechtsstreit in der Sache endgültig - auch hinsichtlich der Kostenfrage - abschließen und sich der Entscheidung des Gerichts unter Verzicht auf ein Anfechtungsrecht unterwerfen wollen. Beurteilungsmaßstab für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer (gerichtlichen) Entscheidung ist stets in erster Linie ihre Begründung. Nur ihr ist zu entnehmen, welche Umstände und Kriterien das Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, so dass sich nur anhand ihr die Entscheidung nachvollziehen lässt. Verzichten die Parteien auf eine Begründung der gerichtlichen Entscheidung, geben sie folglich damit auch zu erkennen, auf eine Nachvollziehbarkeit derselben keinen Wert (mehr) zu legen. Damit erklären sie dann aber auch konkludent einen Rechtsmittelverzicht. Denn Grundlage für die Entscheidung, ob ein Rechtsmittel eingelegt wird, sowie auch für die Rechtsmittelbegründung ist zunächst die Begründung der gerichtlichen Entscheidung. Der Verzicht auf die maßgebliche Grundlage eines Rechtsmittels kann daher nicht anders als den darin zugleich enthaltenen Verzicht auf das Rechtsmittel verstanden werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Ausgangsgericht nach dem neuen Verfahrensrecht in seiner (Nicht-)Abhilfeentscheidung seine Begründung nachholen kann. Denn diese kann erst ergehen, nachdem der Rechtsbehelfsführer seine Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsbehelfs getroffen und begründet hat, wobei er sich mit der gerichtlichen Entscheidung mangels Begründung aber gerade nicht auseinandersetzen könnte. Weiter steht dem auch nicht - wie teilweise vertreten wird - entgegen, dass nicht anzunehmen sei, dass sich die Parteien jeder gerichtlichen Entscheidung und somit evtl. auch einer für sie nicht akzeptablen ohne weiteres unterwerfen wollten. Nach der Auffassung des Senats beinhaltet der Verzicht auf die Grundlage zur Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung gerade vielmehr gegenteilig den Erklärungswert, sich ihr unabhängig vom Ergebnis in jedem Fall ausnahmslos unterwerfen zu wollen, da der Begründungsverzicht in bewusster Kenntnis der Ungewißheit dieser gerichtlichen Entscheidung erklärt wird. Überdies ist Grund für eine Einigung auf einen Begründungsverzicht regelmäßig, dass sich die Parteien selbst über die Kostenregelung nicht zu einigen vermögen, andererseits jedoch durch den Verzicht auf die Begründung des Gerichts die Kosten des Rechtsstreits möglichst gering halten wollen. Die Kostenreduzierung können sie jedoch nur durch einen mit dem Begründungsverzicht zugleich verbundenen Verzicht auf ein Rechtsmittel erreichen. Denn nur letzterer führt gemäß KV 1211 Nr. 2, der auf Beschlüsse nach § 91 a ZPO analog anwendbar ist (Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 91 a, Rz. 59), zu einer Ermäßigung der Gerichtsgebühren. Jedenfalls bei anwaltlich vertretenen Parteien ist davon auszugehen, dass ihnen dies auch bekannt ist. Ist aber Sinn und Zweck des Begründungsverzichts die Ermäßigung der Gerichtsgebühren und kann diese nur durch einen Rechtsmittelverzicht herbeigeführt werden, so beinhaltet die Erklärung eines Begründungsverzichts notwendigerweise auch den Verzicht auf ein Rechtsmittel. An diesen sind die Parteien abgesehen davon, dass er grundsätzlich nicht einseitig widerrufen werden kann (vgl. Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 515, Rz. 11 m.w.N.), folglich auch schon deshalb gebunden, weil er Gegenstand ihrer außergerichtlichen Einigung und insbesondere auch Grundlage der Zustimmung der Gegenpartei zu dieser ist. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist auch unbeachtlich, ob das Gericht an den Begründungsverzicht gebunden oder - wie er meint - nicht gebunden ist. Denn es hat jedenfalls den mit ihm verbundenen Rechtsmittelverzicht zu beachten. Der Verzicht auf ein Rechtsmittel kann nicht nur gegenüber dem Gericht, sondern auch gegenüber dem Prozessgegner erklärt werden, wobei es sich dabei wie bei einem gegenüber dem Gericht erklärten Rechtsmittelverzicht um eine Prozesshandlung handelt. Auf Einrede des Gegners hat der ihm gegenüber erklärte Rechtsmittelverzicht zur Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig zu führen (BGH NJW 1985, 2335; NJW-RR 1997, 1288; NJW 2002, 2108, 2109, jeweils zum Berufungsverzicht). III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. IV. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert. Es ist zu erwarten, dass die Rechtsfrage, ob eine sofortige Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 91 a ZPO trotz eines Begründungsverzichts zulässig ist, in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftritt. Die Erforderlichkeit der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ergibt sich bereits aus den angeführten unterschiedlichen Entscheidungen zu dieser Rechtsfrage.

Ende der Entscheidung

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