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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.06.2005
Aktenzeichen: 19 U 100/04
Rechtsgebiete: GKG, BGB


Vorschriften:

GKG § 19 Abs. 3 a.F.
BGB § 387
Macht der Auftraggeber eines Werkvertrages gegenüber dem Vergütungsanspruch des Auftragnehmers hilfsweise einen Schadensanspruch wegen Verzuges mit der Bauausführung geltend, erhöhrt sich der Gebührenstreitwert, weil es sich nicht um eine bloße Verrechnung/jAbrechnung unselbständiger Rechnungsposten, sondern um eine Aufrechnung handelt.
Tenor:

I. Der erstinstanzliche Streitwert ab dem 06.04.2000 wird in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts vom 18.06.2004 auf 677.147,41 € (395.289,21 € + 276.858,20 €+ 5.000,00 €) festgesetzt.

II. Der Berufungsstreitwert und der Vergleichswert werden auf 394.419,21 € festgesetzt.

III. Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen zu 7% die Klägerin und zu 93% der Beklagte.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen zu 12% die Klägerin und zu 88% der Beklagte. Die Vergleichskosten werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe: I. Der erstinstanzliche Streitwert war gemäß § 25 Abs.2 S.2 GKG a.F. in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Detmold vom 18.06.2004 ab dem 06.04.2000 auf 677.147,41 € (395.289,21 € + 276.858,20 €+ 5.000,00 €) festzusetzen. Grundlage der Berechnung des Gebührenstreitwertes ist der mit 395.289,21 € bezifferte Wert der Klageforderung. Dieser entspricht dem seitens der Klägerin berechneten Restwerklohnanspruch für das von ihr erbrachte Gewerk. 1. a) Der Gebührenstreitwert erhöht sich nicht dadurch, dass der beklagte Auftraggeber dieser Werklohnforderung - neben der Kürzung wegen eines seiner Behauptung nach vereinbarten "Nachlasses/Rabatts" sowie angeblich seitens der Klägerin nicht erbrachter Leistungen - (hilfsweise) eigene Ansprüche auf Schadensersatz nach § 13 Nr.7 VOB/B bzw. § 635 BGB a.F. wegen einzelner Mängel des Gewerkes entgegensetzt hat. In dieser Vorgehensweise liegt - entgegen der vom Beklagten hierfür gewählten Formulierung - keine gemäß § 19 Abs.3 GKG a.F. zur Streitwertkumulation führende (Hilfs-) Aufrechnung i.S.d. § 387 BGB. Es handelt sich vielmehr um die einheitliche Abrechnung/Verrechnung unselbständiger Rechnungsposten, und zwar entsprechend der zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages nach §§ 325, 326 BGB a.F. entwickelten Differenztheorie. Die Anwendung der Differenzmethode ist auch in der gegebenen Interessenkonstellation sachgerecht. Dem beklagten Auftragnehmer geht es erklärtermaßen darum, wegen der behaupteten Mängel keine (weitere) Vergütung mehr zahlen zu müssen. Die von ihm angestrebte Rechtsfolge ergibt sich für den Fall, dass er das Gewerk insgesamt wegen völliger Wertlosigkeit zurückweist und Schadensersatz wegen Nichterfüllung des gesamten Vertrages verlangt, in Anwendung der Differenzmethode als Ausfluss des Schadensersatzanspruches gemäß § 635 BGB a.F. bzw. § 13 Nr.5 VOB/B. Der maßgebliche Schaden des Bauherrn liegt hierbei darin, für ein unbrauchbares bzw. mangelhaftes Gewerk des Unternehmers zahlen zu müssen. Diesen Schaden hat ihm der Werkunternehmer zu ersetzen, indem er für sein unbrauchbares Werk keine Vergütung fordert (u.a. BGH BauR 1972, 185, 187f.; 1978, 224, 226). Die Interessenlage ist keine andere, wenn der Auftraggeber - wie hier der Beklagte - die Bauleistung behält und Schadensersatz wegen einzelner Mängel, mithin wegen teilweiser Nichterfüllung des Vertrages beansprucht. Der zu erstattende Schaden des Bauherrn ist kein anderer. Er unterscheidet sich von dem der völligen Wertlosigkeit des Gewerkes lediglich quantitativ und nicht qualitativ. Dementsprechend kann der Auftragnehmer nur eine reduzierte Vergütung für seine Leistung verlangen (so Nichtannahmebeschluss des BGH zu OLG Naumburg BauR 2001, 1615 für den Schadensersatzanspruch des Bauherrn wegen Planungsfehlern des Architekten unter Bezugnahme auf BGH BauR 1978, 224; a.A. noch BGH BauR 1982, 290, 292 für unvollständig erbrachte Teilleistungen eines Architekten). b) Der Gebührenstreitwert erhöht sich jedoch um den Wert der vom Beklagten des weiteren zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzforderung aus § 286 Abs.1 BGB a.F. wegen Verzuges der Klägerin mit der Fertigstellung des Gewerkes, und zwar i.H.v. 276.858,20 €. Der vom Beklagten behauptete Verzugsschaden beläuft sich - laut erstinstanzlichem Schriftsatz vom 20.04.2001 (Bl. 179ff. GA) - auf insgesamt 541.487,59 DM (168.000,00 DM Mietausfall + 300.000,00 DM entgangener Verkaufspreis + 73.487,59 DM Zinsschaden). Nachdem das Landgericht hinsichtlich dieser (Gegen-)Forderung des Beklagten eine der Rechtskraft fähige Entscheidung getroffen hat, liegen die Voraussetzungen für eine Wertaddition nach § 19 Abs.3 GKG a.F. vor. Soweit der Auftragnehmer - wie hier der Beklagte - dem Vergütungsanspruch des Auftraggebers einen Schadensersatzanspruch wegen Verzuges mit der Bauausführung nach § 286 Abs.1 BGB a.F. entgegensetzt, handelt es sich nicht um die (bloße) Abrechnung/Verrechnung unselbständiger Rechnungsposten, sondern um eine (Hilfs-) Aufrechnung nach § 387 BGB. Ein solcher Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens stellt zumindest in Fällen, in denen die Neuregelungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes noch nicht einschlägig sind, einen gegenüber der Werklohnforderung des Auftraggebers selbstständigen Gegenanspruch dar. Mangels Zusammenhangs des Anspruchs mit der geschuldeten Gegenleistung läßt sich die entsprechende Anwendung der Differenztheorie nicht rechtfertigen. Es fehlt am gemeinsamen Nenner der gegenseitigen Ansprüche auf der Rechtsfolgenseite. Im Gegensatz zu den Schadensersatzansprüchen wegen Mangelhaftigkeit des Gewerks knüpft der für den Umfang der Haftung des Werkunternehmers maßgebliche Verzögerungsschaden des Auftraggebers nämlich regelmäßig nicht an die Vergütung für das Gewerk an. 2. a) Der erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 05.04.2000 erhobene Widerklageantrag zu 1. hat auf den Gebührenstreitwert keinen Einfluss. Soweit die Widerklageforderung sich aus Schadensansprüchen des beklagten Auftraggebers nach § 13 Nr.7 VOB/B bzw. § 635 BGB a.F. wegen Mängeln des Gewerkes zusammensetzt, führt sie zu keiner Streitwertkumulation gemäß § 19 Abs.1 S.1 GKG a.F.. Klage und Widerklage betreffen denselben Streitgegenstand (§ 19 Abs. 1 S. 3 GKG a.F.). Es macht insoweit keinen Unterschied, ob die Gegenforderungen einredeweise oder im Wege der Widerklage geltend gemacht werden. Denn Klage- und Widerklageforderung sind auch hierbei materiell-rechtlich auf der Grundlage der Differenztheorie nur Abrechnungsposten desselben Anspruches. Dies wird um so deutlicher, als die Widerklage lediglich hilfsweise, und zwar für den Fall und im Umfang der Klagestattgabe, gestellt worden ist. Das Verteidigungsvorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 05.04.2000, insbesondere dort auf S.8, zielte primär auf die Abweisung der Klage. Lediglich hilfsweise für den Fall, dass der Klageanspruch doch besteht, wurde Widerklage erhoben. Der Widerklageantrag zu 1.) i.H.v. 950.00,00 DM (= 485.727,29 €) setzte sich dementsprechend konkret aus den Posten unter II. und III. - Gegenanspruch i.H.v. 1.142.000,00 DM abzgl. Nachlass über 192.000,00 DM - des Schriftsatzes zusammen, mit denen primär die Minderung bzw. "Aufrechnung" erklärt werden sollte. Nur für den Fall, dass mit diesen Ansprüchen nicht mehr aufgerechnet werden konnte, sollten diese - und so erläutert es der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Beklagten in seiner Stellungnahme vom 04.04.2005 zur beabsichtigten Streitwertfestsetzung selbst - widerklagend geltend gemacht werden. Die Widerklage beinhaltet entgegen dem Vorbringen des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerade nicht die nach einer Verrechnung dem Beklagten in jedem Fall verbleibenden (überschießenden) Gegenforderungen. Soweit die Widerklageforderung auch Ansprüche des beklagten Auftraggebers wegen Verzuges aus § 286 Abs.1 BGB a.F. beinhaltet, sind diese bereits gemäß § 19 Abs.3 GKG a.F. streitwerterhöhend berücksichtigt worden. b) Der Gebührenstreitwert wird jedoch in Höhe des vom Landgericht mit 5.000,00 € bemessenen Widerklageantrages zu 2. auf Feststellung des Verzuges der Klägerin mit der Nachbesserung des Gewerkes erhöht (§ 19 Abs.1 S.1 GKG a.F.). II. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren und für den Vergleichsabschluss bemisst sich nach der Beschwer der Berufungsführer. III. Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1, 92 Abs.1 S.1, 97 Abs.1, 98 ZPO.

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