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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.05.2005
Aktenzeichen: 19 U 123/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 476
Die Beweislastumkehr für einen Sachmangel nach § 476 BGB gilt auch beim Tierkauf. Allerdings kann die Vermutung je nach Art einer den Mangel verursachenden Krankheit ausgeschlossen sein.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 25. August 2004 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe: I. Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Der Beklagte meint in der Berufung, das Landgericht gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass es der Klägerin gelungen sei, das Vorliegen des Mangels zum Zeitpunkt der Übergabe zu beweisen. Es habe zwei verschiedene Lahmheitsursachen gegeben. Nach Übergabe des Pferdes habe eine Lahmheit des Fesselbeins vorgelegen. Ursache des Mangels sei aber eine traumatisch bedingte Luxation des Kreuz-Darmbein-Gelenkes, verbunden mit einer Asymmetrie der Kreuzhöcker. Diese habe bei Übergabe noch nicht vorgelegen, sondern sei in den 22 Tagen nach der Übergabe bis zur erstmaligen Feststellung durch Dr. Göbel entstanden. Unverständlich sei, dass das Landgericht selbst aus der Beweisaufnahme den Schluss gezogen habe, dass greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen des Mangels zum Zeitpunkt der Übergabe nicht vorlägen, es aber dennoch letztlich davon ausgehe, dass die Klägerin das Vorliegen des Mangels bei Übergabe bewiesen habe. Keiner der Zeugen habe die Asymmetrie der Kreuzhöcker bei Übergabe oder auch nur bei Ankunft am Stall der Klägerin bestätigt. Die vom Zeugen V bestätigten Beschwerden des Pferdes beruhten auf einer gänzlich anderen Ursache als der Luxation des Kreuz-Darmbein-Gelenks, nämlich den inzwischen ausgeheilten Beschwerden am Fesselbein. Auch der das Pferd 4 Tage nach der Übergabe untersuchende Arzt Dr. M habe den Beckenschiefstand nicht festgestellt. Der Klägerin komme auch nicht die Vermutung des § 476 BGB zugute. Sowohl auf den Kauf von Tieren als lebendigen Sachen, als auch auf die Art des Mangels als Folge eines Spontanereignisses sei die Vermutung nicht anwendbar. Hilfsweise sei darauf abzustellen, dass dem Beklagten die Widerlegung der Vermutung gelungen sei. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie trägt vor, gemäß § 476 BGB treffe den Beklagten als unternehmerischen Pferdehändler die volle Exkulpationspflicht. Der Sachverständige habe ausgeführt, ob die Hinterbeinlahmheit am 20.03.2002 vorhanden gewesen sei, könne er nur "mit Unentschiedenheit" beantworten. Das beschreibe die Beweissituation des § 476 BGB. Der Sachverständige habe noch nicht die Videoaufzeichnungen vom 27.02.2002 von der Vorführung des Pferdes gekannt. Mehrere Fachleute hätten bei Ansicht der Aufnahmen erkannt, dass das Pferd in der Hinterhand, im Ablauf der Beckenextremitäten "nicht in Ordnung" sei. Daraus ergebe sich, dass die Erkrankung des Iliosakralgelenks vor der Übergabe des Pferdes vorhanden gewesen sei. Der Sachverständige halte es für möglich, dass nach der Ankaufsuntersuchung vom 13.03.2002 Medikamente verabreicht worden sein könnten, die auch ein schweres traumatisches Ereignis kaschiert hätten. Die Zeugen V und M hätten festgestellt, dass das Pferd Probleme an der Hinterhand gehabt habe, die vom Rückenbereich herrühren mussten. Außerdem habe die Fesselbeinproblematik am linken Hinterbein vorgelegen, während die Klägerin von Anfang an dokumentiert habe, dass das Pferd Probleme hinten rechts aufgewiesen habe. Auch der Sachverständige habe Anzeichen gefunden, dass das traumatische Ereignis vor dem 18.03.2002 stattgefunden haben müsse. Dass eine andere Ursache für die Lahmheit direkt nach der Übergabe vorgelegen habe, die inzwischen geheilt sei, sei reine Erfindung. Dem Zeugen V sei bereits beim ersten Reiten der Beckenschiefstand aufgefallen. Gleiches gelte für den Zeugen M. Der Senat hat Beweis erhoben durch ergänzende Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zur Senatssitzung vom 3. Mai 2005 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen und die Protokolle der Sitzungen verwiesen. II. Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages aus den §§ 434, 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB und auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen aus den §§ 434, 437 Nr. 3, 284 BGB. 1. Der im schriftlichen Kaufvertrag enthaltene Gewährleistungsausschluss ist gemäß §§ 474, 475 Abs. 1 BGB unwirksam. Der Beklagte ist als gewerbsmäßiger Züchter und Verkäufer von Pferden Unternehmer iSv. § 14 Abs. 1 BGB. 2. Das Pferd leidet an einer Lahmheit der hinteren rechten Gliedmaße. Dass damit ein Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 S.2 Nr. 1 BGB gegeben ist, ist nicht streitig. 3. Dieser lag auch bereits bei Gefahrübergang, also gemäß § 446 S.1 BGB bei der Übergabe des Pferdes vom Beklagten an die Klägerin am 18.03.2002, vor. 3.1. Soweit die Ursache der Lahmheit in einer schleichend fortschreitenden Krankheit des Pferdes liegen sollte, greift die Vermutung des § 476 BGB ein, von der sich der Beklagte nicht hat entlasten können. Die Anwendung des § 476 BGB ist beim Tierkauf nicht grundsätzlich ausgeschlossen (s.d. Palandt/Putzo § 476 Rn 3). Das gibt schon der Gesetzeswortlaut nicht her. Auch wenn die Motive des Gesetzgebers auf etwas anderes deuten können, so wurde mit der Einfügung dieser Norm lediglich eine EU-Norm in nationales Recht umgesetzt. Die EU-Norm unterscheidet aber nicht nach der Art des Kaufgegenstandes. Allerdings kommt beim Tierkauf besonders die Anwendung der Unvereinbarkeitsregel in § 476 BGB in Betracht, insofern, als je nach Art der den Mangel verursachenden Krankheit die Vermutung ausgeschlossen sein kann (Palandt/Putzo § 476 Rn 11). Bei einer schleichend sich fortentwickelnden Krankheit, deren Inkubationszeit regelmäßig auch noch vor der Übergabe begonnen hat, greift die Vermutung ein. Anders ist das aber bei kürzerer Inkubationszeit oder einer Krankheit aufgrund eines Spontanereignisses. Die Lahmheit des streitgegenständlichen Pferdes hinten rechts wurde unstreitig spätestens 22 Tage nach der Übergabe tierärztlich festgestellt und dokumentiert. Soweit der Sachverständige aber nicht mit letzter Sicherheit ausschließen konnte, dass die Ursache für die Lahmheit auch ein schleichender Prozess sein könnte, greift für eine solche Ursache die Vermutung des § 476 BGB ein. Der für die Tatsachen, die einen Ausschluss der Vermutung begründen könnten, beweispflichtige Beklagte hat anderes nicht substantiiert vorgetragen. 3.2. Allerdings ist eher davon auszugehen, dass die Lahmheit des streitgegenständlichen Pferdes auf einer Luxation des Kreuz-Darmbein-Gelenkes beruht. Für diesen Fall hat das Landgericht festgestellt, dass das heftige Spontanereignis, dass zu der Verrenkung geführt hat, vor der Übergabe stattgefunden hat. Der Senat hat aufgrund seiner ergänzenden Beweisaufnahme durch mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen, nachdem diesem und dem Senat auch das vom Proberitt aufgenommene Video vorgeführt wurde, keinen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Landgerichts. Dem Beklagten ist allerdings zuzugeben, dass die in dem landgerichtlichen Urteil niedergelegte Beweiswürdigung auf den ersten Blick missverständlich ist, wenn einerseits ausgeführt wird, dass es keine greifbaren Anhaltspunkte dafür gebe, dass das Pferd bereits zum Zeitpunkt der Übergabe mit dem später festgestellten Mangel behaftet gewesen sei aber andererseits feststehe, dass es nach Übergabe kein Ereignis gegeben habe, bei dem sich das Pferd die Verletzung im Kreuz-Darmbein-Gelenk zugezogen haben könne und deshalb die Luxation bereits vor Übergabe vorgelegen haben müsse. Das soll aber wohl nur ausdrücken, dass die Beweisaufnahme allein in Bezug auf die Zeit vor Übergabe nicht zu einer positiven Feststellung des Mangels geführt hat. Allerdings führt die Feststellung, dass ein Ereignis, welches eine Luxation bei dem Pferd hervorrufen kann, nicht nach der Übergabe stattgefunden hat, - trotz des o.g. Zwischenergebnisses - zu der Überzeugung des Landgerichts, dass der Mangel doch bereits vorgelegen hat. Der Senat hat sich durch die ergänzende Anhörung des Sachverständigen eigene Sicherheit im Verständnis des Gutachtens verschafft und damit sämtliche Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Landgerichts ausgeräumt. So hat der Sachverständige erläutert, dass er zwar nicht mit wissenschaftlich absoluter Sicherheit eine Luxation des Kreuz-Darmbein-Gelenkes als Ursache der Lahmheit feststellen könne, aber alle sinnvoller Weise am lebenden Pferd möglichen Untersuchungen und das klinische Bild des Pferdes diese Ursache als die weitaus wahrscheinlichste annehmen lassen. Weiter hat er ausgeführt, dass eine solche Luxation nur durch ein besonders heftiges Spontanereignis verursacht wird, das vom Menschen letztlich nicht unbemerkt bleibt. Das gilt insbesondere für den Pferdetransport direkt nach der Übergabe. Weitest gehende Sicherheit in seiner Diagnose hatte der Sachverständige nach Ansicht des vom Proberitt des Pferdes aufgenommenen Videos. Dieses Video im Prozess zur Verfügung zu stellen und dem Sachverständigen zuzuleiten, hatte die Klägerin bereits in erster Instanz angeboten,. Der Sachverständige erläuterte, dass das Pferd fast unscheinbar unregelmäßige Schritte mit der Hinterhand ausführe, wobei es "auf die linke Hand fiel". Er erklärte weiter, dass er auf dem Video ungewöhnlich sichtbare Kreuzhöcker feststelle. Insgesamt kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Luxation als Ursache der Lahmheit vor der Übergabe des Pferdes vorgelegen haben müsse. Die Ausführungen des Sachverständigen überzeugen auch den Senat. Auch dem Senat - der aufgrund des Rechtsstreits besonders darauf achten konnte - war bereits vor der Erklärung des Sachverständigen aufgefallen, dass die Schrittlänge mit den Hinterbeinen ungleich lang ist. Das Pferd verkürzt den Schritt mit links, greift also nicht so viel Raum, um schneller auf das linke Bein zu kommen und damit das rechte Hinterbein zu entlasten. 4. Die Berufung erhebt keine Rügen gegen die vom Landgericht ausgeurteilten Rechtsfolgen, insbesondere die Höhe der zu erstattenden Aufwendungen. III. Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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