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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.08.2006
Aktenzeichen: 19 U 2/06
Rechtsgebiete: BGB, AVBEltV


Vorschriften:

BGB § 315
AVBEltV § 30
1. § 30 AVB (EltV u. GasV) steht dem Einwand des Kunden, das Versorgungsunternehmen habe die Energiepreise im Abrechnungszeitraum einseitig überhöht angesetzt (§ 315 Abs. 3 BGB), nicht entgegen.

2. Eine gerichtliche Billigkeitskontrolle greift aber nicht ein, wenn eine Einigung der Parteien auf die Preise anzunehmen ist. Eine solche kann auch konkludent erfolgen, indem etwa der Kunde auf der Basis der ihm vom Energieversorger mitgeteilten (erhöhten) Preise Zahlungen leistet.


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.11.2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden keine anderen Feststellungen ergeben.

Die Berufung der Klägerin bringt vor:

Die Beklagte habe als Energie-Monopolistin im Sauerland eine gesteigerte Darlegungslast auch hinsichtlich der abzurechnenden Zahlungen der Klägerin. Dem sei die Beklagte nicht nachgekommen. Die noch streitgegenständliche Rechnung der Beklagten vom 14.7.2004 (Bl. 123 ff. d.A.) sei formal nicht in Ordnung. Da die Beklagte die Kundennummern sowie wiederholt die Abrechnungsstelle und die Bankverbindung gewechselt habe, müsse ihre Abrechnung im einzelnen aufzeigen, welche Zahlungseingänge auf welchen Konten berücksichtigt wurden, was nicht der Fall sei. Die Klägerin habe vereinbarungsgemäß monatlich gezahlt, und zwar immer die von der Beklagten vorgegebenen Beträge; auch auf die erteilten Abrechnungen habe sie gezahlt. Um eine Aufstellung ihrer Bank darüber habe sich die Klägerin erfolglos bemüht. Die Zahlungen durch Einzel-Überweisungsaufträge ergäben sich aber aus dem der Berufungsbegründung anliegenden Ordner (Hülle hinten in der Akte) sowie dem Mietbuch des Zeugen L (Kopien Bl. 225 ff. d.A.). Danach ergebe sich nur eine Unterzahlung der Klägerin von noch 1.424,19 €; mehr habe sie nicht nachzuzahlen, so dass abändernd die weitergehende Widerklage abzuweisen sei. Die Beklagte habe außerdem ihre Preise unzulässig und unbillig erhöht, wie sich aus der Höhe der Abschläge und den zugrunde gelegten Preisen ergebe. In neueren Gerichtsentscheidungen sei die Wirksamkeit von Preiserhöhungen der Energieversorger verneint worden.

Die Klägerin beantragt,

abändernd die Widerklage abzuweisen, soweit die Klägerin zur Zahlung von 5.005,95 € nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil im Umfang der Anfechtung als richtig und wiederholt und vertieft dazu ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Verurteilung der Klägerin durch das Landgericht zur Zahlung noch offenen Kaufpreises für Lieferungen der Beklagten von Strom und Gas in der Gesamthöhe von 6.430,14 Euro ist nicht zu beanstanden. Richtig zu stellen ist lediglich, dass Anspruchsgrundlage § 433 Abs. 2 BGB ist und nicht, wie das Landgericht meint, die §§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB.

Die Kostenforderung hinsichtlich der Kundenendnummer -### (früher Endnummer -###) von 19.297,67 € gemäß Rechnung der Beklagten vom 14.7.2004 für den Abrechnungszeitraum 8.8.2000 bis 7.7.2004 ist rechnerisch ebenso unstreitig wie die gemäß Landgericht hinzukommenden sieben Abschläge für September 2004 bis März 2005 und die auf jene geleisteten Zahlungen der Klägerin.

Die Klägerin wendet sich in verschiedener Hinsicht gegen die Ordnungsgemäßheit der genannten Rechnung (1. - 3.) und behauptet, weitere Zahlungen geleistet zu haben (4.). Die Angriffe greifen nicht durch.

1. Die Rechnung ist fällig.

Die Klägerin rügt zur äußeren Form, daß eine nicht individuell gefertigte Abrechnung vorliege, sondern lediglich ein weder 'autorisierter' noch mit einem Prüfvermerk versehener Computerausdruck. Das ist unschädlich. Allerdings schließt der Einwendungsausschluß nach dem hier unstreitig zugrunde liegenden § 30 AVB EltV bzw. AVB GasV nicht die Berufung darauf aus, dass die Rechnung nicht den formalen Abrechnungsgrundsätzen entspreche, daher nicht fällig und als derzeit unbegründet abzuweisen sei (vgl. Hempel-Franke, § 30 AVB Rz. 5 m.w.N.).

Die Rechnung braucht indessen formal nur den vereinbarten oder gesetzlichen Regelungen, sowie inhaltlich den allgemeinen Anforderungen nach § 259 BGB zu entsprechen (Hempel, a.a.O., § 27 AVB Rz. 14).

§ 27 AVB ergibt nur, dass die Rechnung in schriftlicher Form i.S.d. § 126 b BGB verkörpert sein muß (Hempel, a.a.O., Rz. 13), was der Fall ist. Sie lässt die Beklagte als Erklärende erkennen und ebenso den Textabschluß durch das 'Freundliche Grüße, S Kundeservice'. Einer Unterschrift bedarf es zur Autorisierung nicht (Palandt-Heinrichs, 65. A., § 126 b BGB Rz. 5), geschweige denn eines Prüfvermerks. Das würde einen im vorliegenden Massenverkehr unzumutbaren Aufwand bedingen.

Auch ihrem Inhalt nach ist die Rechnung nicht zu beanstanden. Die Rechnung soll den Kunden darüber informieren, ob und was am Ende der Abrechnungsperiode noch von ihm verlangt wird. Der Kunde muß daher aus der Rechnung den Rechnungsbetrag und die ihm berechneten Kosten ohne weiteres ersehen können. Das ist hier der Fall. Hinsichtlich der in diesem Zusammenhang allein streitigen Zahlungen der Klägerin reicht der in der Rechnung ausgewiesene Gesamtzahlbetrag der Abschlagszahlungen der Klägerin nach § 25 AVB aus. Entgegen dem überzogenen Standpunkt der Klägerin bedarf es insoweit keiner Aufschlüsselung der einzelnen Zahlungen des Kunden. Denn diese kann er ohne weiteres selbst kontrollieren, da ihm der Abrechnungszeitraum und die dafür regelmäßig angeforderten monatlichen Abschläge bekannt sind (Hempel, a.a.O., Rz. 15, 17; vgl. auch Münchener Kommentar - Krüger, § 259 BGB Rz, 28, 35). Es geht zudem um den Bereich der Erfüllung nach § 362 BGB, für den der Kunde beweisbelastet ist. Aus einer von der Klägerin behaupteten Monopolstellung der Beklagten folgt nichts anderes. Selbst wenn sie eine solche hätte, wäre ihr unzumutbar, aus Anlaß jeder Abrechnung sämtliche an sie gerichteten Kundenzahlungen, mögen sie aufgrund Fehlüberweisungen auch auf falschen Konten und/oder unter falscher Kundennummer erfolgt sein, zusammensuchen, richtig ordnen und ausweisen zu müssen. Es liegt auf der Hand, dass der dafür zu treibende personelle und sächliche Aufwand bei der Masse der Geschäfte eine Überforderung wäre. Vielmehr sind die Pflichten des Energieversorgers zur Spezifizierung der Rechnung nicht zu überspannen, sondern muß auch bedacht werden, dass der öffentliche Energieversorger gehalten ist, den Aufwand und damit die Preise für seine Leistungen möglichst niedrig zu halten (Hempel, a.a.O., Rz. 15).

2. Im übrigen geben die formellen Rügen gegen die Rechnung der Klägerin kein Recht zur Zahlungsverweigerung, da keine den Umständen nach offensichtliche Fehlerhaftigkeit im Sinne des § 30 der AVB vorliegt.

§ 30 Nr. 1 AVB bestimmt in seiner Auslegung durch die ständige Rechtsprechung, dass eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit nur gegeben ist, wenn die Rechnung auf den ersten Blick Fehler erkennen lässt, d.h. objektiv kein vernünftiger Zweifel über die Fehlerhaftigkeit möglich ist (BGH NJW-RR 1990, 689 (690); OLG Hamm WuM 1991, 431 (432). Davon kann hier keine Rede sein. Aus der in der Vergangenheit wiederholten Neuerteilung von Rechnungen ergibt sich nichts zugunsten der Klägerin, weil es allein um die letzte Rechnung der Beklagten vom 14.7.2004 geht, deren Kostenbetrag unstreitig ist und in der Zahlungen der Klägerin darauf mit einer Summe von 11.770,93 Euro berücksichtigt und abgesetzt sind. Auch in diesem Zusammenhang ändert der Verweis der Klägerin auf die angebliche Monopolstellung der Beklagten nichts. Grund des weitgehenden Einwendungsausschlusses nach § 30 AVB ist ein Ausgleichsgedanke: den Kunden ist der unbeschränkte Zugriff auf die Leistungen des Energieversorgers erlaubt, dafür hat der Kunde auf die Rechnung mit nur erheblich eingeschränkten Einwendungsmöglichkeiten zu zahlen, um dem Energieversorger auch die Mittel für die Nachbeschaffung zu gewährleisten. Lange Abrechnungsstreitigkeiten im Aktivprozeß des Energieversorgers laufen dem zuwider.

Hier liegt zugleich der entscheidende Unterschied zu den von der Klägerin immer wieder angeführten jüngsten Fällen gerichtlicher Inhaltskontrolle von Energie-Lieferverträgen, die nicht vergleichbar sind. Wie im Fall des LG Bremen (Teil-Urteil v. 24.5.2006, 8 O 1065/05) sowie dem dort (S. 7) in Bezug genommenen Berufungsurteil des LG Heilbronn v. 19.1.2006 handelt es sich um grundlegend andere Ausgangslagen. Dort waren die Kunden selbst aktiv geworden, indem sie schon anlässlich der jeweiligen Preiserhöhungen des Energieversorgers diesen umgehend widersprochen und sodann Feststellungsklage gerichtet auf die Unwirksamkeit erhoben hatten, so daß sich das Unternehmen entsprechend einstellen konnte. Hier ist die Klägerin in dieser Hinsicht passiv geblieben und hat die Einwendungen erst gegen die Abrechnung vorgebracht.

3. Daran anknüpfend kann sich die Klägerin nun auch nicht darauf berufen, die Preise seien im Abrechnungszeitraum einseitig von der Beklagten unzulässig und unbillig überhöht angesetzt worden, § 315 Abs. 3 BGB.

Diesem Einwand steht zwar nicht § 30 der AVB entgegen (BGH NJW 2006, 1667 (1670 f.); 2003, 3131 (3132).

Eine gerichtliche Billigkeitskontrolle greift aber nicht ein, soweit eine Einigung der Parteien auf die Preise vorliegt. Eine solche kann auch konkludent erfolgen, indem etwa der Kunde die ihm vom Energieversorger mitgeteilten (erhöhten) Preise zugrundelegt und auf dieser Basis Zahlungen leistet, womit er aus maßgeblicher Empfängersicht sein Einverständnis kundgibt (BGH NJW 2006, 1670). So liegt es hier.

Nach eigenem Vortrag gemäß Klage- wie auch Berufungsbegründung sei die Klägerin den Forderungen der Beklagten gemäß deren periodischen Abrechnungen stets nachgekommen und habe die damit verbundenen, vereinbarungsgemäß monatlichen Abschläge in den von der Beklagten vorgegebenen Höhen überwiesen. Dies ergibt, unabhängig vom vollen Nachweis aller Zahlungen (s. 4.), die Einigkeit über die Preise der Beklagten für Strom und Gas, die jeweils aus den Abrechnungen hervorgingen und Grundlage der damit verlangten weiteren Abschläge waren. Davon kann die Klägerin im Nachhinein nicht einseitig abrücken. Betroffen ist hiervon der gesamte noch streitgegenständliche Zeitraum vom 8.8.2000 bis einschließlich März 2005 einschließlich der Abschläge ab September 2004 gemäß Rechnung vom 14.7.2004. Erst aus dem Schriftsatz der Klägerin im vorliegenden Prozeß vom 8.4.2005 (Bl. 103 f. d.A.) geht hervor, dass sie sich auch gegen die Verbindlichkeit der Preise der Beklagten wenden will. Die Klägerin hatte nach den Erörterungen im Senatstermin Gelegenheit zur Stellungnahme dazu.

4. Weitergehende Zahlungen der Klägerin, als von der Beklagten und dem Landgericht zugrunde gelegt, sind nicht anzunehmen.

Gemäß dem vom Senat bereits terminsleitend erteilten Hinweis ergeben die in der Berufung von der Klägerin vorgelegten Überweisungsträger schon vom Grundsatz her keinen Beweis für die erfolgte Zahlung, erst recht nicht, wenn sie, wie hier mehrfach, nicht einmal von der Bank abgestempelt sind, so dass ihre Abgabe offen bleibt, oder falsche Kundennummern enthalten. Erforderlicher Vortrag der für die Erfüllung beweisbelasteten Klägerin zur endgültigen Gutschrift der geschuldeten Beträge auf dem Empfangskonto der Beklagten (vgl. Hempel, a.a.O., § 27 AVB Rz. 87 m.w.N.) fehlt.

Im übrigen ergeben die dem Abrechnungszeitraum zuzuordnenden Überweisungsträger, soweit sie auf die zutreffende Kundenendnummer -### lauten und abgestempelt sind, eine Summe von 11.316,35 €, also noch etwas weniger als die von der Beklagten in der Rechnung abgesetzten Zahlungen von 11.770,93 €.

Mangels schlüssigen Vortrags zu weiteren Zahlungen auf die streitgegenständlichen Forderungen war der Zeuge L hierzu nicht zu hören. Der Verweis der Klägerin auf das sogenannte Mietbuch ändert nichts. Dort sind die Abschläge unter der alten Kundennummer -### festgehalten, die aber gemäß Erörterung mit den Parteien im Termin der erstinstanzlich erledigten Kundennummer -### entspricht, was die unterschiedlichen Beträge laut Buch sowie laut Überweisungsträgern erklären mag, auf die schon die Beklagte hingewiesen hat.

Der weitere Klägervortrag zu dem Punkt mit insoweit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26.6.2006 war nicht zu berücksichtigen, ein Anlaß zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung nach § 156 ZPO nicht gegeben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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