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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.09.2003
Aktenzeichen: 19 U 56/02
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B, ZPO


Vorschriften:

BGB § 123
BGB § 631
BGB § 779 Abs. 1
BGB § 780
BGB § 781
BGB § 782
VOB/B § 16
VOB/B § 17 Nr. 8
VOB/B § 2
ZPO § 139
ZPO §§ 233 ff.
ZPO § 301
ZPO § 263
ZPO § 524
ZPO § 524 Abs. 2 S. 2
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 533
ZPO § 533 Nr. 2
ZPO § 538 Abs. 2 S. 2 Nr. 7
ZPO § 538 Abs. 2 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. Februar 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer IV. des Landgerichts Detmold abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

A.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

In zweiter Instanz ist unstreitig geworden, dass die Beklagte die Bürgschaft der E eG vom 30.07.1996, zu deren Herausgabe an die Klägerin sie antragsgemäß verurteilt worden ist, bereits mit Schreiben vom 10.09.1996 an die Klägerin zurückgesandt hat und dass die Klägerin am 02.10.1996 der Beklagten die "Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft" auf erstes Anfordern der E eG vom 12.09.1996 auf einem Vordruck der Beklagten übergeben hat.

Das Landgericht hat die Beklagte entsprechend den Anträgen der Klägerin zur Zahlung von 4.224,97 Euro nebst Zinsen sowie zur Herausgabe der Gewährleistungsbürgschaft der E eG vom 30.07.1996 Zug-um-Zug gegen Aushändigung einer Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 5.112,92 Euro verurteilt. Es hat ferner festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den durch die verspätete Rückgabe der Bürgschaft seit dem 16.11.2000 bis zum Tag der Rückgabe entstehenden Zinsschaden zu ersetzen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, der Zahlungsanspruch folge aus § 631 BGB. Die Beklagte habe nicht substantiiert bestritten, dass ein zweiter Pflegeschnitt durchgeführt worden sei. Wegen des Gesprächsergebnisses vom 18.02.1999 habe die Beklagte dies näher darlegen müssen. Die Voraussetzungen für eine Anfechtung der in diesem Gespräch getroffenen Vereinbarung wegen arglistigen Verhaltens seien nicht hinreichend vorgetragen. Der Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaft folge aus § 17 Nr. 8 VOB/B. Es gelte eine 1-jährige Verjährungsfrist. Die Abnahme der Werkleistungen sei spätestens am 23.12.1999 erfolgt, so dass die Verjährungsfrist Ende 2000 abgelaufen sei. Deshalb sei auch der Feststellungsanspruch wegen des Zinsschadens begründet.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung macht die Beklagte geltend, das Urteil leide an Verfahrensmängeln. Das Landgericht habe gegen § 139 ZPO verstoßen, weil es den Beweisantritten zur Nichtvornahme eines zweiten Pflegeschnittes nicht nachgegangen sei. Über die Hilfsaufrechnung sei keine Entscheidung getroffen, so dass es sich um ein unzulässiges Teilurteil handele. Außerdem habe das Landgericht eine Überraschungsentscheidung getroffen, denn weder die Prozeßparteien noch das Gericht hätten zu irgendeinem Zeitpunkt eine 1-jährige Gewährleistungsfrist in Rede gestellt.

Ein Zahlungsanspruch wegen des 2. Pflegeschnittes sei nicht begründet. Die Klägerin habe weder substantiiert vorgetragen, einen zweiten Schnitt durchgeführt zu haben, noch den ihr obliegenden Nachweis geführt. Soweit die Vereinbarung vom 18.02.1999 herangezogen werde, sei diese aufgrund der Anfechtung nichtig. Im übrigen sei ein Anspruch nicht fällig, weil die in dem Vermerk vom 18.02.1999 angeführten übrigen Arbeiten nicht ordnungsgemäß erledigt seien und eine Abnahme nicht erfolgt sei.

In jedem Fall sei ein Zahlungsanspruch aufgrund ihrer Hilfsaufrechnung mit Ansprüchen in Höhe von insgesamt 32.267,06 DM wegen mangelhafter Ausführung der Pflasterarbeiten erloschen. Hierzu wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Ein Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaft sei nicht begründet. Soweit die Klägerin mit ihrem Hauptantrag nunmehr die Herausgabe der Bürgschaft vom 12.09.1996 verlange, handele es sich um eine Klageänderung, welche ein zulässiges Rechtsmittel voraussetze. Die Klägerin habe jedoch die Anschlußberufungsfrist versäumt. Im übrigen wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen, dass einem Herausgabeanspruch Gewährleistungsansprüche entgegenständen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt wird, die Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft Nr. #1 in Höhe von 68.780,64 DM (35.166,98 Euro) vom 12.09.1996 der E eG - Zug-um-Zug gegen Aushändigung einer Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 5.112,92 Euro - an die Klägerin herauszugeben,

hilfsweise,

die Berufung zurückzuweisen und es bei der erstinstanzlichen Verurteilung zur Herausgabe der Bürgschaft vom 30.07.1996 zu belassen.

Die Klägerin hat nach Zustellung der Berufungsbegründung der Beklagten am 20.06.2002 mit der am 15.08.2002 beim Oberlandesgericht eingegangenen Berufungserwiderung vom gleichen Tag das Vorbringen der Beklagten, sie habe die Bürgschaft vom 30.07.1996 bereits mit Schreiben vom 10.09.1996 an die Klägerin zurückgesandt, bestritten und geltend gemacht, es handele sich um neues Vorbringen im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO, welches in der Berufungsinstanz nicht zuzulassen sei. Hilfsweise für den Fall, dass der Senat das gegnerische Vorbringen für zulässig hält und die Beklagte ihre Behauptung beweisen sollte, hat die Klägerin den Antrag angekündigt, die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaft vom 12.09.1996 zu verurteilen.

Mit Schriftsatz vom 04.11.2002 hat die Klägerin mitgeteilt, ihre Nachforschungen hätten ergeben, dass die Bürgschaft im Jahre 1996 tatsächlich ausgetauscht worden sei. Sie macht geltend, bei dem zuletzt gestellten Hauptantrag auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde vom 12.09.1996 handele es sich nicht um eine Klageänderung. Vielmehr sei der Grundsatz der "falsa demonstratio non nocet" anzuwenden. Sie habe erkennbar das Ziel verfolgt, die sich noch im Besitz der Beklagten befindliche Bürgschaftsurkunde zurückzuerlangen. Es sei ihr dagegen nicht darauf angekommen, ob es sich dabei um die Bürgschaft vom 30.07.1996 oder vom 12.09.1996 handelt. Der Klageantrag sei deshalb ohne weiteres dahin auszulegen, dass Streitgegenstand die im Besitz der Beklagten befindliche Bürgschaft ist. Die Beklagte habe vorgerichtlich wie auch in erster Instanz das Begehren der Klägerin ebenso und damit richtig verstanden.

Wenn hier nicht die Grundsätze der "falso demonstratio" angewendet würden, wäre die prozessual richtige Entscheidung die Zurückweisung der Berufung und damit die Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Tenors. Der Umstand, dass die Behauptung der Beklagten zum Austausch der Bürgschaft im Berufungsverfahren unstreitig sei, ändere nichts an der prozessualen Unzulässigkeit dieses neuen Vorbringens.

Sofern man den Antrag auf Herausgabe der Bürgschaft vom 12.09.1996 als Klageänderung ansehen wollte, so sei diese zulässig. § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO sei nämlich dergestalt verfassungskonform teleologisch zu reduzieren, dass die Befristung nicht für Anschlußberufungen gelte, die durch Prozeßhandlungen des Berufungsklägers ausgelöst werden. Die Vorschrift verstoße nämlich gegen das Gebot der Waffengleichheit, da der Berufungskläger neuen Sachvortrag unter den Voraussetzungen der §§ 533 Nr. 2, 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO in den Prozeß einführen könne und für ihn die Klageerweiterung und -änderung zeitlich unbefristet möglich sei. Eine Anwendung der Ein-Monats-Frist auf streitgegenstandsverändernde Anschlußberufungen konterkariere das Gebot der Waffengleichheit und laufe dem Gebot der Prozeßökonomie wegen der Notwendigkeit eines Folgeprozesses krass zuwider.

Im übrigen verteidigt die Klägerin das erstinstanzliche Urteil und macht geltend, der Zahlungsanspruch wegen des 2. Pflegeschnittes sei begründet. Bei der Vereinbarung vom 18.02.1999 handele es sich um ein abstraktes Schuldanerkenntnis. Zumindest habe sie eine Umkehr der Beweislast zur Folge. Der erste Schnitt sei im April/Mai 1998 erfolgt.

Die Hilfsaufrechnung greife nicht durch. Sie habe ihre Arbeiten mangelfrei durchgeführt. Es fehle an einer Aufforderung und Fristsetzung zur Beseitigung von Mängeln. Die von der Beklagten behaupteten Kosten für die Mangelbeseitigung seien überhöht angesetzt. Etwaige Ansprüche seien verjährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

I.

Das Verfahren ist nicht gem. § 538 Abs. 2 S. 2 Nr. 7, S. 3 ZPO unter Aufhebung des Urteils an das Landgericht zurückzuverweisen. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich nicht um ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassenes Teilurteil. Das Landgericht wollte ersichtlich über den gesamten Verfahrensstoff entscheiden. Zwar enthält das Urteil keine Ausführungen zur Hilfsaufrechnung der Beklagten gegenüber dem Zahlungsanspruch der Klägerin. Die der Hilfsaufrechnung zugrundeliegenden Gewährleistungsansprüche hat die Kammer jedoch als verjährt angesehen, wie den Urteilsausführungen zu dem Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaft zu entnehmen ist.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Landgericht - wie die Beklagte meint - gegen die gerichtliche Hinweis- und Aufklärungspflicht verstoßen oder eine Überraschungsentscheidung erlassen hat. Etwaige Verfahrensfehler geben keinen Anlaß, die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

II.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus Werkvertrag gem. §§ 631 BGB, 2, 16 VOB/B oder aus Schuldanerkenntnis gem. § 781 BGB in Höhe von 8.263,33 DM = 4.224,97 Euro wegen eines zweiten Pflegeschnittes der Wiesenflächen.

Nach Form und Inhalt des als "Ergebnisvermerk" bezeichneten Schriftstücks vom 18.02.1999 handelt es sich nicht um ein konstitutives Schuldanerkenntnis oder Schuldversprechen im Sinne von §§ 780, 781, 782 BGB. Hiergegen spricht bereits die genaue Beschreibung des Schuldgrundes. In dem Gespräch, dessen Ergebnis festgehalten wird, ging es offensichtlich um verschiedene Probleme im Zusammenhang mit dem Auftrag der Beklagten vom 24.06.1996 zur Ausführung von Garten- und Landschaftsbauarbeiten, die einvernehmlich gelöst werden sollten. Ausweislich des Vermerks waren auch zum Zeitpunkt des Gesprächs verschiedene Punkte noch nicht abschließend geklärt. Ein Anlaß, bezüglich des hier in Rede stehenden Teilproblems im Rahmen eines Auftragsvolumens von damals ca. 1,2 Millionen DM eine neue selbständige Schuldverpflichtung zu schaffen, ist weder von der Klägerin vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Dies würde massiv dem Interesse der Beklagten an einer Gesamtabwicklung des erteilten Auftrages ensprechend den ursprünglich getroffenen Vereinbarungen widersprechen. Es ist auch zweifelhaft, ob es sich um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis handelt, oder ob lediglich eine Erklärung ohne rechtsgeschäftlichen Charakter anzunehmen ist, welche lediglich der Beweiserleichterung dienen sollte. Dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben.

Falls man ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis annehmen wollte, ist die Beklagte nicht daran gehindert, die Durchführung eines zweiten Mähgangs zu bestreiten. Dem Text des Ergebnisvermerks ist zu entnehmen, dass die Beklagte sich auf die entsprechende Behauptung des Verhandlungsführers V4 der Klägerin verlassen und bei ihrer Zahlungszusage als feststehend vorausgesetzt hat, dass im Jahre 1998 zwei Pflegeschnitte durchgeführt worden sind. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis würde nur solche Einwendungen ausschließen, welche die Vertreter der Beklagten bei Abgabe ihrer Erklärung kannten oder mit denen sie zumindest rechneten (BGH WM 1974, 410; Palandt-Sprau, BGB, 62. Aufl., § 781 Rdn. 4). Der Verhandlungsführer der Klägerin durfte die Erklärung der Beklagten keinesfalls so verstehen, dass sie auf unbekannte Einwendungen verzichten wollte. Er mußte vielmehr damit rechnen, dass die Beklagte unter Wahrung ihrer Interessen und öffentlich rechtlichen Aufgaben die Bezahlung eines weiteren Pflegeschnitts verweigern würde, wenn sie nachträglich in Erfahrung brachte, dass dieser entgegen seinen Angaben tatsächlich nicht ausgeführt worden war. Es ist ferner davon auszugehen, dass die Beklagte nicht damit gerechnet hat, dass die Angaben des Verhandlungsführers der Klägerin nicht der Wahrheit entsprachen. Ein Grund, die Zahlung für einen Pflegeschnitt zuzusagen, dessen Vornahme aus Sicht der Beklagten zweifelhaft war, ist nämlich nicht ersichtlich.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen X, N, V und X4 ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin nur einen Pflegeschnitt ausgeführt hat. Der von der Klägerin benannte Zeuge X2 hat nach seiner Aussage den Schnitt nach der Einsaat durchgeführt und bekundet, dass der erste Mähvorgang von einer anderen Firma vorgenommen worden sei. Auch der Zeuge V konnte nur bestätigen, dass einmal gemäht worden ist. Dies spricht dafür, dass das von den Zeugen N und X4 bestätigte Vorbringen der Beklagten, die Klägerin habe nur einen Mähgang ausgeführt, und zwar am 25.07.1998, zutrifft. Dieser Schnitt ist dem von der Klägerin ausgefüllten und einem Beauftragten der Beklagten gegengezeichneten Stundenlohnzettel (Bl. 165 d. A.). - unstreitig irrtümlich auf den 25.07.1997 datiert - und der Auflistung des Bauleiters der Beklagten (Bl. 165, 166 d. A.) sowie der Abschlagsrechnung der Klägerin vom 13.08.1998 (Bl. 12 d. A.) zu entnehmen. Für einen weiteren Schnitt hat die Klägerin weder ein genaues Datum angegeben noch irgendwelche Belege vorgelegt.

Da die Klägerin - wie oben ausgeführt - auch bei Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses nicht daran gehindert ist, den zweiten Pflegeschnitt zu bestreiten, kann dahingestellt bleiben, ob die Vereinbarung vom 18.02.1999 wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB anfechtbar und nichtig ist. Sofern der Verhandlungsführer der Klägerin zum Zeitpunkt der Besprechung ebenfalls irrtümlich von der Ausführung eines zweiten Mähgangs ausgegangen ist, sind die getroffenen Vereinbarungen nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam. Bei den Erklärungen der Parteien handelt es sich um einen Vergleich im Sinne dieser Vorschrift. Die im Rahmen des Vertragsverhältnisses entstandenen Streitigkeiten oder Ungewißheiten sind - zumindest in Einzelpunkten - im Wege gegenseitigen Nachgebens geregelt worden. Es liegt klar auf der Hand, dass ein Streit über die Verpflichtung, einen zusätzlichen Mähgang zu bezahlen, nicht entstanden wäre, wenn die Parteien - einen beiderseitigen Irrtum vorausgesetzt - gewußt hätten, dass dieser tatsächlich nicht ausgeführt worden war.

III.

Der Hauptantrag der Klägerin auf Herausgabe der "Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft" der E eG vom 12.09.1996 ist unzulässig, weil es sich um eine Klageänderung im Sinne von §§ 263, 533 ZPO handelt. Eine Klageänderung kann die Klägerin als Berufungsbeklagte nur im Wege der Anschlußberufung in den Prozeß einführen. Sie hat jedoch die Frist für die Anschlußberufung gem. § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO versäumt.

1.

Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei dem neuen Hauptantrag um eine Klageänderung und nicht lediglich um die Richtigstellung einer irrtümlichen Falschbezeichnung, auf die der Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" anwendbar ist.

Während der Vertragsbeziehungen der Parteien gab es zwei Bürgschaften mit unterschiedlichen Daten und unterschiedlichem Inhalt. Das Landgericht hat die Beklagte entsprechend dem Klageantrag zur Herausgabe der selbstschuldnerischen "Bankbürgschaft für Lieferungen und Leistungen" vom 30.07.1996 verurteilt. Klageantrag und auch Titel können nicht dahin ausgelegt werden, dass tatsächlich die später im Austausch übergebene Bürgschaft vom 12.09.1996 gemeint war. Zwar sind Prozeßhandlungen und Titel auslegungsfähig und ggfls. auslegungsbedürftig. Nicht zulässig ist es jedoch, einer eindeutigen Prozeßerklärung nachträglich den Sinn zu geben, der dem Interesse des Erklärenden am besten entspricht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., vor § 128 Rd. 25).

Hier handelt es sich um eine eindeutige, nicht auslegungsfähige Erklärung. Die Klägerin hat in erster Instanz die Bürgschaft vom 30.07.1996 in Ablichtung vorgelegt und in ihrem Klageantrag konkret und unmißverständlich bezeichnet. Anhaltspunkte für einen Austausch der Bürgschaft sind dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen. Noch in der Berufungserwiderung hat die Klägerin einen solchen Austausch ausdrücklich bestritten, obwohl die Beklagte auf diese Tatsache in der Berufungsbegründung hingewiesen hat. Aus der für die Auslegung maßgeblichen Sicht der Beklagten und des Gerichts war hiernach vor Änderung des Hauptantrags eindeutig die Bürgschaft vom 30.07.1996 gemeint.

Auch kann das angefochtene Urteil nicht dahin ausgelegt werden, dass tatsächlich die später übergebene Bürgschaft herausgegeben werden soll. Der Tenor des Urteils ist insoweit eindeutig und stimmt mit den Angaben im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen überein. Auf tatsächliche Umstände außerhalb der Urteilsgründe darf für die Auslegung nicht zurückgegriffen werden (Zöller-Stöber, a.a.O., § 705 Rdn. 5). Das in der ersten Instanz offenbar auch der Beklagten der Austausch nicht mehr gegenwärtig war, ist deshalb für die Auslegung nicht relevant.

Hiernach handelt es sich bei dem Antrag auf Herausgabe der Bürgschaft vom 12.09.1996 um eine Änderung des Streitgegenstands im Sinne von § 263 ZPO. Die Bürgschaft trägt ein anderes Datum, ist zu einer anderen Zeit übergeben worden und unterscheidet sich auch in ihrem Inhalt - u. a. Bürgschaft auf erstes Anfordern - von der ursprünglich herausverlangten Bürgschaft. Die Lebenssachverhalte, aus denen die Herausgabe beider Bürgschaften hergeleitet werden kann, sind deshalb unterschiedlich.

2.

Eine Klageänderung im Berufungsrechtszug im Sinne von § 533 ZPO setzt ein zulässiges Rechtsmittel voraus. Die Klägerin als Berufungsbeklagte kann nur durch eine Anschlußberufung gem. § 524 ZPO erreichen, dass nicht nur die erstinstanzlichen Anträge und der Berufungsantrag der Beklagten den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens bestimmen (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 524 Rdn. 2, 8; Zöller-Gummer, a.a.O., § 524 Rdn. 1, 2).

Die Anschlußberufung ist jedoch unzulässig, weil die Klägerin die Frist des § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO von einem Monat ab Zustellung der Berufungsbegründungsschrift versäumt hat. Die Berufungsbegründung ist der Klägerin zu Händen ihrer Prozeßbevollmächtigten am 20.06.2002 zugestellt worden. Der Schriftsatz der Klägerin vom 15.08.2002, mit dem der Herausgabeantrag zunächst hilfsweise geändert worden ist, ist nach Ablauf der Monatsfrist beim Oberlandesgericht eingegangen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Anschlußberufungsfrist gem. § 233 ff. ZPO kommt bereits deswegen nicht in Betracht, weil es sich nicht um eine Notfrist im Sinne dieser Vorschriften handelt.

Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass die Befristung der Anschlußberufung gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der Waffengleichheit verstößt, weil der Berufungskläger neuen Sachvortrag unter den Voraussetzungen der §§ 533 Nr. 2, 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO in den Prozeß einführen kann und ihm bei Vorliegen der Voraussetzungen auch die Klageerweiterung und Klageänderung unbefristet während des Berufungsrechtszuges möglich ist (vgl. OLG Celle, NJW 2002, 2651; Gerken, NJW 2002, 1095 ff., Piekenbrock, MDR 2002, 675 ff). Jedenfalls in dieser Allgemeinheit vermag der Senat dem nicht zuzustimmen. Grundsätzlich ist die Befristung von Rechtsmitteln aus Gründen der Rechtssicherheit und Prozeßökonomie unerläßlich und zulässig. Es mag dahingestellt bleiben, ob im Wege der verfassungskonformen Auslegung und teleologischen Reduktion eine streitgegenstandsverändernde Anschlußberufung in bestimmten Fällen aus Gründen der Waffengleichheit unbefristet als zulässig erachtet werden kann (verneinend: OLG Celle, a.a.O.; bejahend: Piekenbrock a.a.O.). Ein aus verfassungsrechtlicher Sicht möglicherweise bedenkliches Ungleichgewicht besteht allenfalls insoweit, als nur der Berufungskläger noch im laufenden Prozeß auf Änderungen des Sachverhalts, die nach Ablauf der Anschlußberufungsfrist eintreten, reagieren kann, nicht jedoch der Berufungsbeklagte. Dies kann z. B. in Unterhalts- und Schmerzensgeldprozessen relevant werden (vgl. die von Gerken, a.a.O. angeführten Beispiele). Das Gebot der Waffengleichheit erfordert es jedoch nicht, dem Berufungsbeklagten eine Möglichkeit zur Klageänderung zu eröffnen, der - was hier anzunehmen ist - aus Nachlässigkeit in erster Instanz als Kläger einen unbegründeten Anspruch geltend macht und nach Aufklärung seines Irrtums in der Berufungsbegründung des Beklagten nicht innerhalb der Anschlußberufungsfrist die Konsequenzen zieht und die Klage entsprechend ändert. Die Beklagte hat den Austausch der Bürgschaft unter detaillierter Angabe der zugrundeliegenden Tatsachen in der Berufungsbegründung vorgetragen. Die Klägerin konnte hieraus ersehen, inwieweit eine Klageänderung erforderlich war und hätte die Möglichkeit, Anschlußberufung einzulegen, innerhalb der Monatsfrist prüfen können und müssen.

Ob eine Zulassung der Anschlußberufung prozeßökonomischer wäre als deren Zurückweisung als unzulässig mit der Folge, dass die Klägerin zur Verfolgung ihres Anspruchs auf Herausgabe der Bürgschaft einen neuen Prozeß führen muß, ist nicht relevant. Es ist nämlich nicht zulässig, aus Gründen der Prozeßökonomie in einem Einzelfall den eindeutigen Willen des Gesetzgebers zur Befristung der Anschlußberufung zu ignorieren. Auch eine wegen Fristversäumnis unzulässige Berufung des Berufungsklägers kann nicht aus Gründen der Prozeßökonomie als zulässig behandelt werden.

IV.

Der mit dem Hilfsantrag verfolgte Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaft vom 30.07.1996 ist unbegründet. Ein solcher Anspruch ist nämlich bereits durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).

Allerdings handelt es sich bei dem Einwand der Beklagten, sie habe die Bürgschaft bereits herausgegeben, um neues Vorbringen in der Berufungsinstanz im Sinne von § 531 Abs 2 ZPO. Der Senat teilt jedoch die Auffassung des hiesigen 18. Zivilsenats, dass ungeachtet der Voraussetzungen dieser Vorschrift neues Vorbringen in der Berufungsinstanz zuzulassen ist, wenn es unstreitig bleibt und die Zurückweisung zu einer offensichtlich unrichtigen Entscheidung führt (vgl. OLG Hamm, NJW 2003, 2325 m. näherer Begründung und weiteren Nachweisen). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat mit Geständniswirkung unstreitig gestellt, dass die Bürgschaft bereits im Jahre 1996 herausgegeben worden war. Bei Nichtberücksichtigung dieser Tatsache würde das erstinstanzliche Urteil, obwohl es offensichtlich unrichtig ist und aus ihm nicht vollstreckt werden könnte, Bestand haben.

Der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen verspäteter Rückgabe dieser Bürgschaft ist hiernach ebenfalls unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Es erscheint nicht angemessen, die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gem. § 97 Abs. 2 ZPO teilweise der obsiegenden Beklagten aufzuerlegen, weil sie wegen des Anspruchs auf Herausgabe der Bürgschaft aufgrund eines neuen Vorbringens obsiegt. Es oblag nämlich in erster Linie der Klägerin, vor Klageerhebung die Tatsachengrundlagen zu ermitteln und die Bürgschaftsurkunde zutreffend zu benennen, die tatsächlich noch im Besitz der Beklagten ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Tatsache des Austauschs der Bürgschaft bewußt in erster Instanz nicht vorgetragen hat, sind nicht ersichtlich. Vielmehr spricht alles dafür, dass sie sich auf die Angaben der Klägerin verlassen hat und ihr erst in zweiter Instanz aufgefallen ist, dass die streitgegenständliche Bürgschaft bereits herausgegeben worden war. Anschließend hat sie dies in der Berufungsbegründung detailliert und zutreffend vorgetragen und der Klägerin damit Gelegenheit gegeben, innerhalb der Anschlußberufungsfrist mit einer unzweifelhaft sachdienlichen Klageänderung zu reagieren. Die Klägerin hat diese Gelegenheit nicht genutzt und deshalb auch die kostenrechtlichen Konsequenzen ihres Unterliegens zu tragen.

Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Bei der Zurückweisung der Anschlußberufung als unzulässig handelt es sich um die Anwendung - aus Sicht des Senats - eindeutiger prozessualer Vorschriften entsprechend dem Willen des Gesetzgebers.

Ende der Entscheidung

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