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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.08.2002
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. 6 - 173/2002
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 99
Zum Einschätzung des Verfahrens als "besonders schwierig" im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO und zur Pflicht des Verteidigers, seinen Pauschvergütungsantrag zu begründen
Beschluss Strafsache gegen U.Q., wegen Diebstahls u.a. (hier: Pauschvergütung für den als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt).

Auf den Antrag des Rechtsanwalts S. aus U. vom 14. Mai 2002 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 30. 08. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Dem früheren Angeklagten wurde im führenden Verfahren gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung vorgeworfen. Im hinzu verbundenen Verfahren 112 Js 208/01 StA Dortmund wurde ihm Diebstahl, Körperverletzung und Nötigung und im ebenfalls hinzu verbundenen Verfahren 112 Js 582/01 StA Dortmund versuchter Diebstahl, Sachbeschädigung und Diebstahl zur Last gelegt. Durch Urteil des Schöffengerichts Unna vom 6. März 2002 ist der ehemaligen Angeklagte wegen vorsätzlichen Vollrausches in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Das Urteil wurde sofort rechtskräftig. Der Antragsteller beantragt nunmehr eine Pauschvergütung für die von ihm als Pflichtverteidiger für seinen ehemaligen Mandanten erbrachten Tätigkeiten.

Der Antragsteller hat für den ehemaligen Angeklagten im Wesentlichen folgenden Tätigkeiten erbracht: Er hat seinen seit dem 23. Oktober 2001 inhaftierten Mandanten insgesamt vier Mal besucht, nähere Angaben über den dadurch entstandenen Zeitaufwand hat der Antragsteller nicht gemacht. Er hat zudem an den drei Hauptverhandlungsterminen teilgenommen. Dies haben durchschnittlich zwei Stunden gedauert, und zwar der Termin am 28. März 2001 44 Minuten, der am 27. Februar 2002 3 Stunden 55 Minuten und der Termin am 6. März 2002 1 Stunde 35 Minuten. Es sind 13 Zeugen vernommen und ein Sachverständiger, der ein psychiatrisches Gutachten erstattet hatte, gehört worden.

II.

Die gesetzlichen Gebühren des Antragstellers betragen 1.925, und zwar 1.225 DM im führenden Verfahren und gemäss §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 84 Abs. 1 Alt. 3 BRAGO 700 DM Vorverfahrensgebühren für die hinzu verbundenen Verfahren, in denen der Antragsteller vor seiner Bestellung bereits tätig geworden ist. Mit seinem Pauschvergütungsantrag hat der Antragsteller eine Pauschvergütung in Höhe der Mittelgebühren beantragt. Der Vertreter der Staatskasse hat der Bewilligung einer Pauschvergütung widersprochen.

III.

Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung nach § 99 Abs. 1 BRAGO war abzulehnen.

1. Das Verfahren war nicht "besonders schwierig" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO. "Besonders schwierig" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO ist ein Verfahren, das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. dazu u.a. Burhoff StraFo 1999, 261, 264). Das ist vorliegend nach Auffassung des Senats, der sich insoweit dem Vertreter der Staatskasse anschließt, nicht der Fall. Dabei übersieht der Senat nicht, dass der Vorsitzende des Schöffengerichts in seiner Stellungnahme das Verfahren als "besonders schwierig" angesehen hat. Der Senat hat auch in der Vergangenheit bereits wiederholt entschieden, dass die Einschätzung des Vorsitzenden des mit der Sache befassten Gerichts grundsätzlich maßgeblich für die Beurteilung des Schwierigkeitsgrades des Verfahrens ist (vgl. Senat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104 und Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56). Der Senat hat allerdings auch bereits darauf hingewiesen, dass es nur in der Regel geboten sein wird, sich der Einschätzung des Vorsitzenden bei der Beurteilung der Frage, ob es sich bei einem Verfahren um ein "besonders schwieriges" im Sinn von § 99 BRAGO gehandelt hat, anzuschließen. Ist die Einschätzung des Vorsitzenden nach Aktenlage nicht nachvollziehbar, kommt ein Anschluss nicht in Betracht (Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56). Das ist vorliegend der Fall. Der Senat bearbeitet seit vielen Jahren Pauschvergütungen für den gesamten Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm. Er ist daher aufgrund der erforderlichen Gesamtschau aller konkreten Verfahrensumstände im Vergleich mit den übrigen in der Vergangenheit von ihm beurteilten Verfahren in der Lage, den Grad der Schwierigkeit des vorliegenden Verfahrens als nicht besonders schwierig im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO zu beurteilen. Die vom Vorsitzenden des Schöffengerichts zur Stützung seiner Auffassung angeführten Umstände führen zu keiner anderen Beurteilung. Zwar handelte es sich um insgesamt fünf Verfahren, die Verfahrensgegenstände waren jedoch jeweils überschaubar. Bei insgesamt 13 Zeugen kann auch für ein amtsgerichtliches Verfahren noch nicht von "zahlreichen" Zeugen die Rede sein. Schließlich qualifiziert weder allein das eingeholte psychiatrische Gutachten noch die Ermittlung eines Zeugen durch den Antragsteller das Verfahren als "besonders schwierig" im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO.

2. Das Verfahren war für den Antragsteller auch nicht "besonders umfangreich" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO. Insoweit schließt sich der Senat ebenfalls der Einschätzung des Vertreters der Staatskasse an. Die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine liegt mit 2 Stunden noch im für ein amtsgerichtliches Verfahren üblichen Bereich. Zwar hat der Termin am 27. Februar 2002 fast 4 Stunden gedauert. Diese überdurchschnittliche Länge wird jedoch durch die kurze Dauer des Termins am 28. März 2001, der nur 44 Minuten gedauert hat, kompensiert (zur Hauptverhandlungsdauer und zur Kompensation siehe Burhoff StraFo 1999, 261, 271 mit weiteren Nachweisen). Unberücksichtigt bleiben kann auch nicht, dass der Antragsteller Anspruch auf insgesamt vier Vorverfahrensgebühren hat.

Soweit der Antragsteller in seiner Antragsbegründung auf die vier von ihm erbrachte Besuche des ehemaligen Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt hingewiesen hat, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Abgesehen davon, dass angesichts der insgesamt dem Antragsteller zustehenden vier erhöhten Gebühren schon fraglich ist, inwieweit diese Besuche überhaupt noch pauschvergütungserhöhend zu berücksichtigen sind (zur Pauschvergütung beim inhaftierten Mandanten siehe ebenfalls Burhoff StraFo 2001, 230 = AGS 2001, 219; ders. auch in ZAP F. 24 S. 625 ff.), hat der Antragsteller den erbrachten zeitlichen Aufwand nicht dargelegt. Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, dass es grundsätzlich dem Pflichtverteidiger obliegt, seinen Pauschvergütungsantrag zu begründen. Das gilt besonders dann, wenn er für die Bewilligung einer Pauschvergütung für seinen Mandanten erbrachte Tätigkeiten geltend macht, die sich nicht aus der Verfahrensakte ergeben, wie z.B. Besuche in der Justizvollzugsanstalt (Senat in ZAP EN-Nr. 160/2001 = NStZ-RR 2001, 158 = AGS 2001, 154). Zwar dürfen, worauf der Senat allerdings auch schon hingewiesen hat, die Anforderungen an den Vortrag des Pflichtverteidigers zur Begründung seines Pauschvergütungsantrags nicht überspannt werden, so dass der Antrag jedenfalls dann ausreichend begründet ist, wenn sich aufgrund der von dem Pflichtverteidiger gemachten Angaben der für den ehemaligen Angeklagten erbrachte Zeitaufwand, z.B. für Besuche in der Justizvollzugsanstalt, ermitteln bzw. ableiten lässt (ZAP EN-Nr. 520/01 = AGS 2001, 202 = StraFo 2001, 362 = NStZ-RR 2001, 352 = JurBüro 2001, 589). Der Pflichtverteidiger erfüllt die an eine ordnungsgemäße Begründung seines Pauschvergütungsantrags zu stellenden Anforderungen jedoch nicht, wenn er keinerlei Angaben macht, aus denen sich der Zeitaufwand ermitteln lässt (so schon Senat in JurBüro 2002, 195 für Erörterungen mit dem Mandanten und der Polizei). Das ist vorliegend der Fall. Außer der Tatsache, dass diese Besuche in der Justizvollzugsanstalt durchgeführt worden sind, werden keine - weiteren, insbesondere zeitliche, - Angaben gemacht. Damit müssen diese Besuche - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass an die Begründung des Pauschvergütungsantrags keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen, - vorliegend außer Betracht bleiben.

Ende der Entscheidung

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