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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.10.2001
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. 6-112/01
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 99
Zur Gewährung einer über der Wahlverteidigerhöchstgebühr liegenden Pauschvergütung in einem Wirtschaftsstrafverfahren
2 (s) Sbd. 6-139/00 2 (s) Sbd. 6-112/01 2 (s) Sbd. 6-113/01 2 (s) Sbd. 6-138/01 2 (s) Sbd. 6-139/01 2 (s) Sbd. 6-140/01 2 (s) Sbd. 6-141/01 2 (s) Sbd. 6-186/01 2 (s) Sbd. 6-210/01 2 (s) Sbd. 6-222/01

Beschluss

Strafsache

gegen S. u.a.,

wegen Betruges u.a. (hier: Anträge auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die bestellten Verteidiger/innen).

Auf die Anträge

1. des Rechtsanwalts K. aus E. vom 15. Dezember 1998 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten J. S.,

2. des Rechtsanwalts F. aus E. vom 7. Januar 1999/1. September 2000 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten L.,

3. der Rechtsanwältin V. aus E. vom 27. Dezember 1999 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten L.,

4. des Rechtsanwalts S. aus E. vom 16. Januar 1998/21. September 2000 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung der ehemaligen Angeklagten K.S.,

5. des Rechtsanwalts B. aus Essen vom 12. Januar 1998/16. Oktober 2000 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung der ehemaligen Angeklagten K.S.,

6. der Rechtsanwältin K. aus Duisburg vom 27. Januar 1999 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten K.,

7. des Rechtsanwalts T. aus Bottrop vom 25. Oktober 200 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten K.,

8. des Rechtsanwalts H. aus Essen vom 28. Januar 1999 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten T.,

9. der Rechtsanwältin H. (ehemals A.) aus Essen vom 21. Mai 2001 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten T.,

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 10. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Tenor:

Rechtsanwalt K. wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren von 42.620,-- DM eine Pauschvergütung von 88.500 DM (in Worten: achtundachtzigtausendfünfhundert Deutsche Mark) bewilligt.

Rechtsanwalt F. wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren von 39.880,-- DM eine Pauschvergütung von 83.000 DM (in Worten: dreiundachtzigtausend Deutsche Mark) bewilligt.

Rechtsanwältin V. wird anstelle ihrer gesetzlichen Gebühren von 42.240,-- DM eine Pauschvergütung von 87.500 DM (in Worten: siebenundachtzigtausendfünfhundert Deutsche Mark) bewilligt.

Rechtsanwalt S. wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren von 14.780,-- DM eine Pauschvergütung von 31.000 DM (in Worten: einunddreißigtausend Deutsche Mark) bewilligt.

Rechtsanwalt B. wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren von 14.160,-- DM eine Pauschvergütung von 29.500 DM (in Worten: neunundzwanzigtausendfünfhundert Deutsche Mark) bewilligt.

Rechtsanwältin K. wird anstelle ihrer gesetzlichen Gebühren von 41.860,-- DM eine Pauschvergütung von 87.000 DM (in Worten: siebenundachtzigtausend Deutsche Mark) bewilligt.

Rechtsanwalt T. wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren von 43.240,-- DM eine Pauschvergütung von 89.500 DM (in Worten: neunundachtzigtausendfünfhundert Deutsche Mark) bewilligt.

Rechtsanwalt H. wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren von 44.180,-- DM eine Pauschvergütung von 91.000 DM (in Worten: einundneunzigtausend Deutsche Mark) bewilligt.

Rechtsanwältin H. wird anstelle ihrer gesetzlichen Gebühren von 41.480,-- DM eine Pauschvergütung von 84.500 DM (in Worten: vierundachtzigtausendfünfhundert Deutsche Mark) bewilligt.

Die teilweise weitergehenden Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich um ein umfangreiches Wirtschaftsstrafverfahren, das seit 1996 beim Landgericht Essen anhängig gewesen ist. Das Verfahren richtete sich zunächst gegen 5 Angeklagte. Das Verfahren gegen die ehemalige Angeklagte K.S. ist nach vorläufiger Einstellung gem. § 153 a StPO am 14. November 1998 am 30. November 1998 endgültig eingestellt worden. Das Verfahren gegen die übrigen Angeklagten ist fortgeführt und durch Urteil des Landgerichts Essen in I. Instanz abgeschlossen worden. Die gegen dieses Urteil eingelegten Revisionen hat der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 6. Juli 2000 als unbegründet verworfen.

In I. Instanz haben 116 Hauptverhandlungstermine stattgefunden, an denen die Antragsteller zum Teil aber nur teilweise teilgenommen haben. Die durchschnittliche Hauptverhandlungsdauer ist daher bei den Antragstellern unterschiedlich. Sie hat jeweils zwischen 3 und 4 Stunden gelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten der von den Antragstellern für ihre Mandanten erbrachten Tätigkeiten wird auf die den Antragstellern bekannt gemachte Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts vom 14. August 2001 Bezug genommen; auf diese haben die Antragsteller teilweise erwidert. Im Übrigen nimmt der Senat zum Umfang des Verfahrens auf seinen Beschluss vom 10. Juni 1998 (2 (s) 5-Sbd. 64-70/98 = AGS 1998, 142 = Rpfleger 1998, 487 = StV 1998, 616 = AnwBl. 1998, 613) Bezug.

Der Senat hat in der Vergangenheit den Antragstellern teilweise bereits Vorschüsse auf eine demnächst zu gewährende Pauschvergütung bewilligt. Insoweit wird auf die entsprechenden Beschlüsse des Senats Bezug genommen (vgl. zunächst den bereits erwähnten Beschluss vom 10. Juni 1999 sowie auch noch Beschlüsse vom 2. Februar 1999 in 2 (s) Sbd. 5-165/98, vom 12. Mai 1999 in 2 (s) Sbd. 5-71/99, vom 4. April 2000 in 2 (s) Sbd. 6-46/00 und vom 13. Juli 2000 in 2 (s) Sbd. 6-115/00). Die Antragsteller haben nunmehr - teilweise sind die Anträge schon Ende 1998 eingegangen - für die Verteidigung der ehemaligen Angeklagten die endgültigen Pauschvergütungsanträge gestellt. Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung hat in seiner o.a. Stellungnahme die Gewährung einer angemessen Pauschvergütung befürwortet.

II.

Allen Antragstellern war nach § 99 Abs. 1 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen, da sie in einem sowohl "besonders schwierigen" als auch in einem "besonders umfangreichen" Strafverfahren tätig geworden sind.

1.

Die "besondere Schwierigkeit" und der "besondere Umfang" hat der Senat in seinen o.a. Beschlüssen bereits bejaht. Auf diese kann Bezug genommen werden, da sich weder Änderungen hinsichtlich der Einschätzung der besonderen Schwierigkeit noch hinsichtlich des besonderen Umfangs ergeben haben. Auch der Gerichtsvorsitzende hat das Verfahren in seiner Stellungnahme als besonders schwierig eingeordnet. Alle Antragsteller haben sich mit einem außergewöhnlich komplexen Verfahrensstoff auseinander setzen müssen. Die Vor- und Nachbereitung der jeweiligen Hauptverhandlungstermine war, worauf der Senat in seinem o.a. Beschluss vom 10. Juni 1998 bereits hingewiesen hat, aufwändig.

2.

Bei der somit nach allem zu bewilligenden Pauschvergütung hat der Senat bei der Bemessung der zu gewährenden Pauschvergütung alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Dabei war einerseits zu berücksichtigen, dass die Hauptverhandlungstermine für alle Antragsteller für ein Verfahren vor der Strafkammer nur unterdurchschnittlich lang gedauert haben und die Termine auch verhältnismäßig locker terminiert waren. Andererseits hat der Senat nicht verkannt, dass in der Regel jeder dieser Termine für die Antragsteller erhebliche Vor- und Nachbereitungszeiten erfordert hat, die der Senat mit etwa 1 Tag/Hauptverhandlungstermin angesetzt hat (vgl. den o.a. Beschluss vom 10. Juni 1998). Der Senat hat außerdem berücksichtigt, dass das Verfahren "besonders schwierig" gewesen ist.

Insgesamt erschien dem Senat zum angemessenen Ausgleich der von den Antragstellern erbrachten Tätigkeiten eine leicht über der jeweiligen Wahlverteidigerhöchstgebühr liegende Pauschvergütung erforderlich. Deshalb sind die Pauschvergütungen in der festgesetzten Höhe bewilligt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, an der er festhält, kommt eine Pauschvergütung in Höhe, etwa in Höhe oder sogar über die Wahlverteidigerhöchstgebühr hinaus grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn das Verfahren den Pflichtverteidiger über einen längeren Zeitraum ganz oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat (vgl. insbesondere Beschluss des Senats vom in 2 (s) Sbd. 6-48/2000 = ZAP EN-Nr. 461/2000 = StV 2000, 443 (Ls.) = StraFo 2000, 285 = NStZ 2000, 555 = wistra 2000, 398 = AGS 2001, 13 sowie Senat in StraFo 1998, 215 = AGS 1998, 87 = JurBüro 1998, 413; Senat in 1998, 431 = JurBüro 1999, 134 = AGS 1999, 104; Senat in StraFo 1999, 431; ). Das ist hier weitgehend der Fall.

Hinzukommt, dass der Senat in der jüngeren Vergangenheit wiederholt, insbesondere im sog. Balsam-Komplex Pauschvergütungen bewilligt hat, die über der Wahlverteidigerhöchstgebühr gelegen haben (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 14. Mai 2001 - in 2 (s) Sbd. 6-51, 69 u. 70/01 = http:// www.burhoff.de; sowie auch Senat in ZAP EN-Nr. 142/2000 = AGS 2000, 7; aus der Rechtsprechung des Senats siehe auch noch die o.a. Rechtsprechung und die Nachweise bei Burhoff StraFo 1999, 261 ff; StraFo 2001, 119 ff; ZAP F. 24 S. 625 ff.). Damit gebot schon der Gleichbehandlungsgedanke auch in dem vorliegenden Verfahren, in dem es sich ebenfalls um ein sich über mehrere Jahre hinziehendes Wirtschaftsstrafverfahren gehandelt hat, Pauschvergütungen in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühren.

Auch sprach - erneut - das Gesamtgefüge der gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers dafür, in diesem Verfahren Pauschvergütungen in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr zu bewilligen. Der Senat hat bereits in der Vergangenheit (vgl. dazu den o.a. Beschluss in 2 (s) Sbd. 6-48/2000) darauf hingewiesen, dass gerade in Wirtschaftsstrafverfahren, die in der Regel eine schwierige Materie zum Gegenstand haben, die Tätigkeit des Pflichtverteidigers häufig nicht angemessen entlohnt wird, wobei dahinstehen könne, ob und wenn ja in welchem Umfang dem Pflichtverteidiger von Verfassungs wegen ein Sonderopfer auferlegt worden ist (vgl. dazu Senat im Beschluss vom 4. April 2000 - 2 (s) Sbd. 6-46/2000 = wistra 2000, 319 = BRAGO-professionell. 2000, 129 = ZAP EN-Nr. 686/2000 = JurBüro 2000, 586). Nach Auffassung des Senats darf der Pflichtverteidiger in einem Wirtschaftsstrafverfahren nicht gegenüber dem in Schwurgerichtsverfahren unzumutbar benachteiligt werden, was aber bei einem Vergleich mit den dort anfallenden gesetzlichen Gebühren in der Regel der Fall ist. Diese Ungleichbehandlung, für die nicht immer ein rechtfertigender Grund besteht, lässt sich - so schon die bisherige Rechtsprechung des Senats - in umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren nur durch ein großzügigeres Annähern an die "Grenze" der Wahlverteidigerhöchstgebühr korrigierend ausgleichen, jedenfalls ist dieser Umstand bei der Frage, ob die festzusetzende Pauschvergütung "angemessen" ist, mit zu berücksichtigen. Diese Auffassung des Senats wird bestätigt durch den von der Experten-Kommission des Bundesministeriums der Justiz am 29. August 2001 vorgelegten Kommissionsentwurf zur BRAGO-Strukturreform (siehe den Entwurf unter http://www.bmj.bund.de - Rubrik "Gesetzesvorhaben" oder unter http://www.burhoff.de unter Rubrik "BRAGO-Strukturreform"). Dieser schlägt vor, die Wirtschaftsstrafverfahren gebührenmäßig ebenso wie die Schwurgerichtsverfahren zu behandeln.

Endlich war bei der Bemessung der Pauschvergütung zu berücksichtigen, dass das Pauschvergütungsverfahren teilweise schon fast zwei Jahre gedauert hat (vgl. dazu Senat in ZAP EN-Nr. 222/2001 = AGS 2001, 154).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände erschienen die bewilligten, leicht über den Wahlverteidigerhöchstgebühren liegenden Pauschvergütungen angemessen. Die weitergehenden Anträge waren demgemäss zurückzuweisen. Die unterschiedliche Höhe der Pauschvergütungen beruht auf der unterschiedlichen Anzahl von Hauptverhandlungsterminen, die die Antragsteller wahrgenommen haben.

Soweit den Antragstellern - teilweise bereits mehrfach - Vorschüsse auf eine künftige Pauschvergütung und Vorschüsse auf die gesetzlichen Gebühren gezahlt worden sind, sind diese auf die nunmehr gewährten endgültigen Pauschvergütungen anzurechnen.

Ende der Entscheidung

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