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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.07.2007
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. IX - 98/07
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 99
Stehen die gesetzlichen Gebühren in keinem adäquaten Verhältnis mehr zum tatsächlich erbrachten Arbeitsaufwand, kann die Wahlverteidigerhöchtsgebühr bei der Bewilligung einer Pauschvergütung überschritten werden. Dies ist insbesondere dann zu bejahen, wenn es nicht zu einer Hauptverhandlung gekommen ist und deshalb nur relativ geringe Gebühren für die Tätigkeit im Vorverfahren und im außergerichtlichen Verfahren angefallen sind, aber gleichwohl der Tätigkeitsumfang demjenigen bei der Teilnahme an einer mehrtägigen Hauptverhandlung entsprochen hat (noch zu § 99 BRAGO).
Beschluss

Strafsache

gegen R.B.

wegen sexueller Nötigung, (hier: Pauschvergütung für die den Nebenklägerinnen als Beistand beigeordnete Rechtsanwältin gemäß §§ 99, 102 BRAGO).

Auf den Antrag der Rechtsanwältin S. in Düsseldorf vom 1. März 2007 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Tätigkeit als beigeordneter Beistand der Nebenklägerinnen hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09. 07. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Tenor:

Der Antragstellerin wird anstelle ihrer gesetzlichen Gebühren in Höhe von 384,- € eine Pauschvergütung von 2.500,- € (i.W.: zweitausendfünfhundert Euro) bewilligt.

Gründe:

Die Antragstellerin begehrt mit näherer Begründung, auf die Bezug genommen wird, eine Pauschvergütung für ihre Tätigkeit als den Nebenklägerinnen beigeordneter Beistand. Den Antrag hat sie der Höhe nach nicht beziffert.

Zu diesem Antrag hat der Vertreter der Staatskasse unter dem 14. Juni 2007 ausführlich und dem Grunde nach befürwortend Stellung genommen.

Auf diese die Senatsrechtsprechung berücksichtigende Stellungnahme, die der Antragstellerin bekannt ist, wird Bezug genommen.

Mit dem Vertreter der Staatskasse und dem Vorsitzenden der Strafkammer erachtet auch der Senat das Verfahren für die Antragstellerin sowohl für besonders umfangreich als auch für besonders schwierig im Sinne des hier noch anwendbaren § 99 Abs. 1 BRAGO.

Dem früheren Angeschuldigten war zur Last gelegt worden, als Betreuer einer Freizeit mit geistig behinderten Menschen eine Reihe der Teilnehmer sexuell missbraucht zu haben. Die Antragstellerin, die seit Oktober 2002 für ihre Mandantinnen tätig war, war im Januar 2003 zum Beistand von drei geistig behinderten Mädchen bzw. jungen Frauen bestellt worden und hat in dieser Eigenschaft bereits im Ermittlungsverfahren an mehreren Vernehmungen teilgenommen, zahlreiche Gespräche mit den Geschädigten und deren Eltern geführt, nach Anklageerhebung an einem längeren Sondierungsgespräch mit der Strafkammer, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung teilgenommen und sich schließlich mit den umfangreichen Akten, die zuletzt 2000 Seiten umfasst haben, beschäftigen müssen. Es sind bereits vor der im Mai 2003 erfolgten Anklageerhebung und sodann insbesondere im Zwischenverfahren durch die Strafkammer umfangreiche weitere Ermittlungen durchgeführt und außergewöhnlich umfangreiche Sachverständigengutachten über die Geschädigten eingeholt worden. Nach einer Verfahrensdauer und Tätigkeit der Antragstellerin von fast vier Jahren ist das Verfahren schließlich durch Beschluss der Strafkammer vom 18. September 2006 im Hinblick auf eine der Geschädigten gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden; im Übrigen ist die Eröffnung des Hauptverfahrens bezüglich der übrigen sieben Geschädigten abgelehnt worden. Diese Entscheidung, die von der Staatsanwaltschaft nicht angegriffen und offenbar mitgetragen worden ist, umfasst insgesamt 19 Seiten.

Insbesondere diese Umstände hat der Senat bei der Bemessung der Höhe der zu bewilligenden Pauschvergütung in Erwägung gezogen und eine solche in Höhe von 2.500,- € für angemessen erachtet.

Aufgrund des besonderen Gepräges der Tätigkeit der Antragstellerin, wie es oben dargestellt worden ist und auch in der Anklage und dem Einstellungsbeschluss der Strafkammer zum Ausdruck kommt, erschienen selbst die Höchstgebühren eines den Nebenklägerinnen beigeordneten Beistands (hier 1.248,- €) bei weitem nicht ausreichend. Auch wenn die Höchstgebühren eines Wahlverteidigers bzw. Beistands eines Nebenklägers in der Regel nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Obergrenze einer Pauschvergütung darstellen, kann in besonders gelagerten Fällen wie dem vorliegenden, in denen diese Gebühren in keinem adäquaten Verhältnis mehr zum tatsächlich erbrachten Arbeitsaufwand stehen, diese Grenze überschritten werden. Dies hat der Senat insbesondere in Fällen bejaht, in denen es nicht zu einer Hauptverhandlung gekommen ist und deshalb nur relativ geringe Gebühren für die Tätigkeit im Vorverfahren und im außergerichtlichen Verfahren angefallen sind, aber gleichwohl der Tätigkeitsumfang demjenigen bei der Teilnahme an einer mehrtägigen Hauptverhandlung entsprochen hat.

Die Höhe der bewilligten Pauschvergütung erscheint auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Antragstellerin aufgrund der Vertretung von drei Nebenklägerinnen zweimal der Zuschlag nach § 6 Abs. 1 BRAGO zusteht, angemessen.

Der Arbeitsumfang war auch deshalb besonders hoch, weil neben der sich aus der Behinderung der Nebenklägerinnen ergebenden außergewöhnlichen Schwierigkeiten die Vernehmungstermine und die Gespräche mit den Mandantinnen und deren Eltern jeweils gesondert durchgeführt werden mussten.

Ende der Entscheidung

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