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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.01.2001
Aktenzeichen: 2 Ss 1060/2000
Rechtsgebiete: StPO, LMBG, HackfleischVO


Vorschriften:

StPO § 267
StPO § 344
StPO § 238
StPO § 265
StPO § 28
LMBG § 51 Abs. 1 Nr. 2
LMBG § 51 Abs. 2
LMBG § 51 Abs. 4
HackfleischVO § 5
HackfleischVO § 16 Abs. 1 Nr. 3
Leitsatz:

Zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei der Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die HackfleischVO.


2 Ss 1060/2000 OLG Hamm Senat 2

Beschluss

Strafsache gegen V.P.,

wegen Verstoßes gegen das LMBG.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 14. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 2. August 2000 und auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 31. Juli 2000 hat der 2 Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09.01.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig gem. § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 31. Juli 2000 wird auf Kosten des Angeklagten als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Herne vom 30. März 2000 nach den §§ 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2-4 LMBG in Verbindung mit §§ 5, 16 Abs. 1 Nr. 3 Hackfleischverordnung "wegen eines Vergehens gegen die Hackfleischverordnung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 100,-- DM verurteilt" worden. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen.

Die äußerst umfangreichen tatsächlichen Feststellungen der Strafkammer lassen sich in etwa wie folgt zusammenfassen:

Der Angeklagte betreibt in Herne eine Fleischerei und einen Partyservice. Am 17. Dezember 1998 wurde der Betrieb des Angeklagten behördlich kontrolliert. Dabei fanden die Kontrolleure in einer in der sogenannten Partyküche stehenden Kühltruhe - in der Partyküche wickelt der Angeklagte seinen Partyservice ab - zwei Hackfleischmengen, und zwar eine angegraute Menge von 2 kg in angewürztem Zustand zur Herstellung von Frikadellen und Hackbraten - vom Landgericht als Hack bezeichnet - sowie eine weitere Menge von 2 kg Mett - vom Landgericht auch als Mett bezeichnet. Der Angeklagte hat sich - so die Feststellungen des Landgerichts - gegenüber den Kontrolleuren sofort darauf berufen, dass die Lagerung "privat sei", wobei das Landgericht nicht hat klären können, ob sich die Äußerung auf die Tiefkühltruhe insgesamt oder auf das Hack und das Mett bezogen hat. Es hat auch nicht klären können, ob die Tiefkühltruhe, in der das Hack und das Mett gelagert wurden, ausschließlich für gewerbliche Zwecke genutzt wurde.

Das Landgericht hat nach einer umfangreichen Beweisaufnahme die Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen und nach einer äußerst umfangreichen Beweiswürdigung einen vorsätzlichen Verstoß gegen die Hackfleischverordnung, nämlich die "§§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2, 5 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 3 S. 1, 16 Abs. 1 Nr. 5 Hackfleischverordnung, § 51 Abs. 1 Nr. 2 Lebensmittel- und bedarfsgegenständegesetz" angenommen. Zur Begründung der vorsätzlichen Begehungsweise ist in dem umfangreichen Urteil allerdings im wesentlichen nur ausgeführt: "Tatsächlich waren das Hack und das Mett in der Tiefkühltruhe gelagert worden, um sie später im gewerblichen Bereich weiter zu verarbeiten, wobei dem Angeklagten bewusst war, dass das nach der Hackfleischverordnung unzulässig war."

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sowohl formellen als auch materiellen Rechts rügt. Der Angeklagte wendet sich mit einer sofortigen Beschwerde außerdem gegen einen Beschluss der Strafkammer vom 31. Juli 2000, durch den ein, die Vorsitzende Richterin betreffendes Ablehnungsgesuch zurückgewiesen worden ist. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dem Senat die Akten ohne Antragstellung vorgelegt.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten ist begründet. Sie führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten war hingegen auf seine Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unzulässig zu verwerfen.

1.

Mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts hat die Revision des Angeklagten allerdings keinen Erfolg. Die vom Angeklagten erhobenen formellen Rügen sind nämlich sämtlich nicht ausreichend im Sinn von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO begründet worden.

So fehlt bei der Rüge der Mitwirkung eines abgelehnten Richters die für eine ausreichende Begründung dieser Rüge grundsätzlich erforderliche Darlegung des Inhalts des Ablehnungsgesuchs, des Inhalts der dienstlichen Stellungnahme der Vorsitzenden und des ablehnenden Gerichtsbeschlusses. Diese werden weder wörtlich noch ihrem Inhalt nach mitgeteilt.

Auch die übrigen formellen Rügen lassen nicht erkennen, welcher Verfahrensgang den vom Angeklagten erhobenen verfahrensrechtlichen Beanstandungen zugrunde gelegen hat. Ihnen lässt sich noch nicht einmal entnehmen, ob der Angeklagte in der Hauptverhandlung von seinem Recht aus § 238 Abs. 2 StPO, gegen Entscheidungen des Vorsitzenden das Gericht anzurufen, Gebrauch gemacht hat.

2.

Das angefochtene Urteil war jedoch auf die Sachrüge hin aufzuheben, da die insoweit vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen Urteils Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils tragen nämlich die Verurteilung des Angeklagten wegen eines (vorsätzlichen) Verstoßes gegen die Hackfleischordnung nicht. Die tatrichterlichen Feststellungen sind - trotz ihres Umfangs, auch zu Nebenpunkten, - lückenhaft (§ 267 StPO).

Der Tatrichter hat in seinem Urteil als Ergebnis der Beweiswürdigung den äußeren und inneren Tatbestand der verletzten Strafvorschrift darzulegen. Dazu sind die für erwiesen erachteten äußeren und inneren Tatsachen in einer geschlossenen Darstellung darzulegen. Dies hat nicht weitschweifig, aber dennoch so vollständig zu erfolgen, dass der abstrakte Straftatbestand erkennbar ist (so Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., 1999, § 267 Rn. 4 ff. mit weiteren Nachweisen). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil trotz seines Umfangs nicht gerecht.

Ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Hackfleischverordnung liegt dann vor, wenn der Täter entgegen § 5 Abs. 3 Satz 1 oder 3 HackfleischVO Erzeugnisse im Sinne des § 1 der HackfleischVO, deren Frist für das Inverkehrbringen abgelaufen ist und die nicht in der gemäß § 3 HackfleischVO vorgesehenen Weise tiefgefroren wurden, nicht durcherhitzt, nicht mit Nitratpökelsalz versieht (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 HackfleischVO) oder unbrauchbar macht, wobei sich der Vorsatz nicht nur auf die Beschaffenheit des Hackfleisches beziehen muss, sondern auch auf die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 HackfleischVO, wonach die HackfleischVO nur Anwendung findet bei einem gewerbsmäßigen Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Erzeugnissen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1-6 HackfleischVO.

Auf dieser Grundlage bestehen Bedenken hinsichtlich der Menge Hack bereits insoweit, als dass das Landgericht insoweit eine Tathandlung nicht festgestellt hat. Den Ausführungen des Tatrichters lässt sich nämlich nicht entnehmen, ob das Hack von dem Angeklagten eingefroren worden war oder vielmehr - entsprechend der Einlassung des Angeklagten - von seiner Ehefrau, was möglicherweise sogar nahe liegt, da sie, wovon auch das Landgericht ausgegangen ist, den zugehörigen Partyservice bedient. Es fehlen zudem auch Ausführungen, ob dieses Hack tatsächlich aus dem gewerblichen Bereich stammte bzw. in diesem weiterverarbeitet werden sollte.

Hinsichtlich des Metts tragen die bislang getroffenen Feststellungen nicht die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die HackfleischVO. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte gegenüber den Kontrolleuren geäußert, das Mett sei am Samstag zuvor übrig geblieben, er habe es deshalb in die Tiefkühltruhe gelegt und wolle es zu einem späteren Zeitpunkt weiterverarbeiten oder weiterer Verwendung zuführen, ohne anzugeben, in welcher Weise und zu welchem Zweck. Nach Belehrung durch einen der Kontrolleure hat der Angeklagte sich dann darauf berufen, das sei "privat". Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist der Schluss des Landgerichts, Hack und Mett seien in der Tiefkühltruhe gelagert worden, "um sie später im gewerblichen Bereich weiter zu verarbeiten", nicht nachvollziehbar. Dies lässt sich nicht allein, wie es das Landgericht tut mit den "Gesamtumständen" und insbesondere mit der Menge von jeweils 2 kg begründen. Gänzlich unberücksichtigt bleibt dabei nämlich, dass das Landgericht die Verwendung der Tiefkühltruhe für ausschließlich gewerbliche Zwecke nicht feststellen konnte, weil in der Tiefkühltruhe von den Kontrolleuren Packungen von Tiefkühlgemüse vorgefunden worden sind, die auch in Privathaushalten Verwendung finden. Nach allem ist die o.a. Annahme des Landgerichts nach den derzeitigen Feststellungen nicht mehr als eine bislang durch tatsächliche Feststellungen nicht gedeckte Behauptung und kann damit nicht Grundlage für eine Verurteilung des Angeklagten sein.

Deshalb war das angefochtene Urteil aus den dargelegten Gründen aufzuheben und die Sache gemäß §§ 349 Abs. 4, 353, 354 Abs. 2 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat, zurückzuverweisen. Der Senat hat davon abgesehen, das Verfahren - wie vom Verteidiger beantragt - an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen. Ein Grund dafür ist auch trotz der offenbar emotional aufgeheizten bisherigen Hauptverhandlung derzeit nicht ersichtlich.

3.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Der Strafbefehl des Amtsgerichts und die amtsgerichtliche Verurteilung vom 30. März 2000 sind von einem fahrlässigen Verstoß gegen die HackfleischVO ausgegangen. Dies ergibt sich ohne weiteres aus der Angabe der Vorschrift des § 51 Abs. 4 LMBG in der Liste der angewandten Vorschriften in Zusammenhang mit den Urteilsgründen, die mit der Urteilsformel eine einheitliche Entscheidung bilden und die zur Feststellung von Art und Umfang der im Urteil getroffenen Sachentscheidung herangezogen werden können (vgl. u.a. Beschluss des hiesigen 4. Strafsenats vom 3. November 1989 - 4 Ss 1390/80). Demgegenüber ist das Landgericht von einem vorsätzlichen Verstoß ausgegangen, was aus den oben angeführten Ausführungen der Strafkammer zu entnehmen ist. In der Liste der angewendeten Vorschriften fehlt zudem § 51 Abs. 4 LMBG. Danach dürfte es sich empfehlen und erforderlich sein, falls der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wiederum von einem vorsätzlichen Verstoß ausgehen sollte, dem Angeklagten gemäß § 265 StPO einen rechtlichen Hinweis zu erteilen. Das ist nach dem vorliegenden Protokoll der Hauptverhandlung bisher nicht geschehen.

III.

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Strafkammer vom 31. Juli 2000 war hingegen als unzulässig zu verwerfen. Durch diesen Beschluss ist das die Vorsitzende der Strafkammer betreffende Ablehnungsgesuch des Angeklagten zurückgewiesen worden. Damit betraf die landgerichtliche Entscheidung einen erkennenden Richter und kann gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO nur mit dem Urteil angefochten werden. Das Rechtsmittel wird jedoch in keiner Weise den an seine Begründung zu stellenden besonderen Anforderungen gerecht (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 28 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen), so dass es als unzulässig zu verwerfen war.

Ende der Entscheidung

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