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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.03.2000
Aktenzeichen: 2 Ss 1291/99
Rechtsgebiete: StGB, AWV, AWG, StPO


Vorschriften:

StGB § 184 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
StGB § 184 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a
StGB § 184
StGB § 184 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
StGB § 9
AWV § 23 Abs. 1 S. 2
AWG § 7
StPO § 473 Abs. 1
StPO § 473 Abs. 2
Der ohne Weiterverbreitungsabsicht bei einem ausländischen Versand bestellende inländische Endverbraucher pornographischer Schriften macht sich nicht als "Einführer" im Sinn des § 184 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB strafbar.
OBERLANDESGERICHT HAMM

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Ss 1291/99 OLG Hamm 10 Cs 39 Js 22/99 AK 138/99 AG Herne-Wanne 39 Js 22/99 StA Bochum

Strafsache

wegen Einfuhr pornographischer Schriften im Wege des Versandhandels.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Bochum gegen das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 30. August 1999 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung vom 22. März 2000, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Regul als Vorsitzender,

Richter am Oberlandesgericht Mosler und

Richter am Amtsgericht Giesecke von Bergh als beisitzende Richter,

Staatsanwalt Keil als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft,

Justizangestellte Könecke als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 30. August 1999 vom Vorwurf der Einfuhr pornographischer Schriften im Wege des Versandhandels (§ 184 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB) aus rechtlichen Gründen freigesprochen.

Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte - zulässige - Sprungrevision der Staatsanwaltschaft, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist, ist unbegründet.

Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen bestellte der Angeklagte am 4. Januar 1996 gegen Vorkasse bei der Firma "Wantex" in den Niederlanden zwei Videofilme "einfach"pornographischen Inhalts auf dem Versandwege. Da die Bestellung allein für den Angeklagten selbst als "Endverbraucher" bestimmt gewesen ist, hat das Amtsgericht den Tatbestand des § 184 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB nicht als erfüllt angesehen. Es stützt seine Auffassung auf den gesetzgeberischen Willen, der allein die Tätigkeiten des Versandhändlers, nicht aber diejenigen des Endverbrauchers strafrechtlich erfassen wollte.

Demgegenüber vertritt die Staatsanwaltschaft mit der Revision die Ansicht, der Angeklagte habe es durch seine Bestellung unternommen, einen konkreten ins Inland gehenden Versandhandelsvorgang ins Werk zu setzen. Denn nicht nur der ausländische Versandhändler, sondern auch der bestellende inländische Emp- fänger führten im Sinne des Versandhandels ein, seien also beide gemäß § 184 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB strafbar. Diese Auslegung der betreffenden Vorschrift sei nicht nur von ihrem Wortlaut gedeckt; ihr stehe auch der gesetzgeberische Zweck.der durch die Abschnittsüberschrift "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" bestimmt sei, nicht entgegen. Dieser Auffassung vermag sich aber der Senat nicht anzuschließen.

Der Revision ist zwar darin beizupflichten, dass die von ihr vertretene Auslegung dem Wortlaut des Gesetzes nicht widerspricht. Denn "einführen" können nach allgemeinem Sprachge- brauch sowohl der ausländische Lieferant als auch der inländi- sche Besteller. Nicht von ungefähr vertritt deshalb auch Tröndle, StGB, 44: Aufl., § 184 Rdnr. 21 die Meinung, beide seien Einführer im Sinne der genannten Vorschrift (anderer Ansicht: Laufhütte in LK, 11. Aufl., § 184 StGB Rdnr. 33; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 184 Rdnr. 16; SK-Horn, StGB, § 184 Rdnr. 31; Maurach-Schröder, StGB-BT, § 23, Seite 16). Soweit sich allerdings hierbei Tröndle auf die Entscheidung des OLG Bremen, NJW 1972, 1678 (1680) stützt, überzeugt dies nicht. Denn diese betraf noch einen Fall des § 184 Abs. 1 S. 1 Nr. l a StGB alter Fassung, wonach sich unter anderem strafbar gemacht hat, wer vorsätzlich unzüchtige Schriften in den räumlichen Geltungsbereich des Strafgesetzes zum Zwecke der Weiterverbreitung - was hier nicht der Fall ist - eingeführt hatte.

Nach der Neufassung des § 184 StGB durch das am 27. November 1973 verkündete 4. StrRG kann aber allein an einer am Wortlaut orientierten Auslegung des hier in Rede stehenden § 184 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB nicht mehr festgehalten werden. Denn die in § 23 Abs. 1 S. 2 der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) enthaltende Begriffsbestimmung des Einführers, wonach letzterer nur der inlandsansässige Vertragspartner ist, ist nur für den Außenwirtschaftsverkehr, nicht aber für den § 184 StGB maßgebend. Denn die AWV stellt für dieses Sonderrechtsgebiet allein eine Begriffsdefinition deswegen auf, um einerseits die Verantwortlichkeiten für die Einhaltung der außenwirtschaftlichen Vorschriften sachgerecht abzugrenzen (vgl. LG Bayreuth, NJW 1970, 574 ff.) und andererseits inländische Verantwortlichkeiten auch für ausländisches Handeln zu schaffen. Nur dies entspricht dem sich aus § 7 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) ergebenden Gesetzeszweck, dem Staat die Möglichkeit zu verschaffen, den Außenwirtschaftsverkehr mit Waren (u. a. Waffen und Kriegsgerät) aus übergeordneten außenpolitischen Gründen im Interesse des Gemeinwohls zu kontrollieren (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1987, Seite 565). Die damit einhergehende notwendige Beschränkung des freien Warenverkehrs mittels Anzeige- und Meldepflichten oder durch ein vorheriges Genehmigungsverfahren lässt sich bei grenzüberschreitendem Warenverkehr nämlich nur bei inländischen Verantwortlichkeiten verwirklichen. Demgegenüber dient § 184 Abs. 1 StGB nur dem Jugendschutz und dem Schutz vor ungewolltem Kontakt mit einfacher Pornographie (vgl. dazu Laufhütte, JZ 1974, Seite 64 mit zahlreichen Nachweisen aus dem Gesetzgebungsverfahren). Deshalb ist hier die Begriffsbestimmung der Außenwirtschaftsverordnung wegen des anders gelagerten Gesetzeszweckes nicht übertragbar.

Vielmehr ergibt sich nach der Auffassung des Senats aus der Entstehungsgeschichte des heute geltenden § 184 StGB, aus seinem Sinn und Zweck, aus dem gesetzgeberischen Willen und aus der Systematik, dass der ohne Weiterverbreitungsabsicht bei einem ausländischen Versand bestellende inländische Endverbraucher pornographischer Schriften nicht als "Einführer" im Sinne des § 184 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB strafbar ist (so im Ergebnis auch SK-Horn, a.a.O., § 184 Rdnr. 31; Lenckner in Schönke/ Schröder, a.a.O., § 184 Rdnr. 27; Maurach-Schröder, StGB-BT, § 23 Rdnr. 16; Laufhütte LK; a.a.O., § 184 Rdnr. 33).

Mit dem 4. StrRG ging nämlich eine Liberalisierung des zuvor geltenden umfassenden Verbreitungsverbot von pornographischen, vormals unzüchtigen Schriften einher. Der Gesetzgeber wollte bei weitgehender Freigabe sogenannter einfacher Pornographie an Erwachsene die Strafbarkeit auf den Schutz "zweier eng begrenzter Rechtsgüter, nämlich den Jugendschutz und den Schutz des ohne seinen Willen pornographischen Erzeugnissen Gegenübergestellten" beschränken (vgl. dazu Bundestagsdrucksache VI/1552, Seite 32; LK-Laufhütte, § 184 "Entstehungsgeschichte"). Nur soweit die Verletzung des hoch zu bewertenden Rechtsgutes des Jugendschutzes drohte, sollte die Freiheit des Einzelnen, sich solche Erzeugnisse zu verschaffen, zurücktreten. Anderenfalls sollte dessen Freiheit höher als die Rücksicht auf mögliche Gemeinschädlichkeit (Bundestagsdrucksache VI/1552, Seite 32 ff.) bewertet werden. Dementsprechend wurde der Besitz und das Sichverschaffen sogenannter einfacher Pornographie durch Erwachsene straffrei gestellt, während ein umfassendes Herstellungs- und Verbreitungsverbot nur noch für sogenannte harte Pornographie beibehalten wurde (§ 184 Abs. 3 StGB). Der Zugang zur Pornographie für Erwachsene sollte nicht weiter als für den Jugendschutz unerlässlich eingeschränkt werden und damit weitgehend straflos bleiben. Auch die Erlangung jugendgefährdender Schriften durch Erwachsene ist, wie ein Vergleich mit dem teilweise deckungsgleichen Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GjS) zeigt, nicht reglementiert oder strafbewehrt.

Gründe des Jugendschutzes gebieten es indessen aber nicht, den endverbrauchenden Besteller einfacher Pornographie nach § 184 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB unter Strafe zu stellen. Denn diese Vorbereitungshandlung zum späteren, vom Gesetzgeber gewollten straflosen Besitz tangiert Belange des Jugendschutzes nicht. Es macht keinen die Strafbarkeit begründenden Unterschied aus, ob der Erwachsene das Pornographiematerial in für Jugendliche unzugänglichen Verkaufsstellen erwirbt oder ob er es sich aus dem Ausland schicken lässt. Insoweit besteht für den später straflos besitzenden Besteller kein Strafbedürfnis, zumal der ausländische Versender jedenfalls regelmäßig strafbar gemäß § 184 Abs. 1 S. l Nr. 4 StGB oder auch nach § 184 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i. V. m. § 9 StGB ist und die Verbote der Einfuhr im Wege des Versandhandels erklärtermaßen vornehmlich der frühzeitigen Beschlagnahmemöglichkeiten der Erzeugnisse dienten (vgl. Bundestagsdrucksache VI/3521, Seite 61; Maurach-Schröder, a.a.O.; § 23 Rdnr. 15).

Folge davon ist, dass der Pornographie endverbrauchende Erwachsene durch seine Bestellung lediglich notwendiger und damit strafloser Teilnehmer der dadurch verursachten und gemäß § 184 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB strafbaren Handlung des Einfuhrunternehmens im Wege des Versandhandels durch den ausländischen Vertreiber ist (so auch LG Freiburg in NStZ-RR 1998, S. 11).

Für diese restriktive Auslegung sprechen im übrigen auch systematische Gründe. Ein Vergleich aller gemäß § 184 Abs. 1 StGB unter Strafe gestellten Varianten belegt nämlich, dass in den Nummern l - 3 a und 5 - 9 immer ausschließlich derjenige mit Strafe bedroht ist, der aktiv wird und einem anderen einfache Pornographie unter gewissen Voraussetzungen anbietet, zugänglich macht, überlässt etc.. Alleinige und systemwidrige Ausnahme im Rahmen des § 184 Abs. 1 StGB wäre anderenfalls der endverbrauchende Besteller pornographischer Erzeugnisse aus dem Ausland. Ein Grund hierfür ist nicht ersichtlich, zumal der Gesetzgeber in dem erst später eingefügten § 184 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 a StGB ebenfalls nur den Vermieter, nicht aber den Mieter unter Strafe gestellt hat; überdies hat er in dem durch das 27. Strafrechtsänderungsgesetz reformierten § 184 Abs. 3 StGB nur die Besitzverschaffung von Pornographie pönalisiert, sofern sie Gewalttätigkeiten, den sexuellen Missbrauch von Kindern oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand hat. (vgl. dazu Schröder, NJW 1993, 2581).

Nach alledem hat das Amtsgericht, da auch andere Strafvorschriften nicht verletzt sind, den Angeklagten zu Recht aus Rechtsgründen freigesprochen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 2 StPO.

Ende der Entscheidung

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