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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.03.2002
Aktenzeichen: 2 Ss 149/02
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 55
StPO § 460
Liegen die Voraussetzungen für die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe vor, ist auch im Berufungsverfahren zwingend eine Gesamtstrafenbildung vorzunehmen und darf dies grundsätzlich nicht dem Verfahren nach § 460 ff. StPO überlassen werden.
Beschluss Strafsache gegen U.S. wegen Untreue

Auf die Revision des Angeklagten vom 12. November 2001 gegen das Urteil der 14. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 06. November 2001 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 03. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2, 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision verworfen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Schwerte vom 04. April 2001 wegen Untreue in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, die sie auf das Strafmaß beschränkt hat. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil die Strafaussetzung zur Bewährung entfallen lassen. Hiergegen richtet sich nunmehr die Revision des Angeklagten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.

II.

Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs - zumindest teilweise - Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zur Revision des Angeklagten wie folgt Stellung genommen:

"Das Landgericht hat die gemäß § 55 StGB erforderliche Prüfung einer Gesamtstrafenbildung mit der Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 25,00 DM aus dem Urteil des Amtsgerichts Witten vom 07.11.2000 - 9 Ds 8 Js 200/00 - unterlassen. Da die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Straftaten in der Zeit von August bis November 1999 begangen wurden, lagen die Voraussetzungen für die Bildung einer Gesamtstrafe nach § 55 Abs. 1 StGB vor, falls die Geldstrafe zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Urteils noch nicht beglichen war. Ob dies der Fall war, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Die Bestimmung des § 55 StGB ist jedoch auch im Berufungsverfahren zu beachten, wobei genügt, wenn - wie hier - eine Entscheidung über die Aussetzung zur Bewährung getroffen wird (zu vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 55 Rdnr. 7 m. w. N.). Unter diesen Voraussetzungen ist die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe zwingend geboten und darf grundsätzlich nicht dem Verfahren nach § 460 ff. StPO überlassen werden.

Das Unterlassen einer Gesamtstrafenbildung stellt daher einen den Angeklagten beschwerenden sachlich-rechtlichen Mangel des angefochtenen Urteils dar, der nicht nur dann zur Aufhebung zwingt, wenn nach dem Inhalt der Urteilsgründe feststeht, dass der Tatrichter den § 55 StGB zu Unrecht nicht angewendet hat, sondern auch, wenn lediglich die Möglichkeit einer Verletzung dieser Vorschrift besteht (zu vgl. BGH StV 1983, 60). Der Ausnahmefall, dass das Gericht auf Grund der ihm vorliegenden Unterlagen keine sichere Entscheidung über die Gesamtstrafenbildung fällen kann, ohne hierzu noch weitere mit erheblichem Zeitaufwand verbundene Ermittlungen vorzunehmen, und das Fehlen ausreichender Unterlagen nicht auf ungenügender Vorbereitung der Hauptverhandlung beruht, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Obschon die Mitteilung etwaiger Hinderungsgründe erforderlich gewesen wäre (zu vgl. BGHSt 12, 1 ff.; OLG Köln, MDR 1983, 423), beschränkt sich das angefochtene Urteil darauf, die Verurteilung durch das Amtsgericht Witten im Rahmen der Vorbelastungen des Angeklagten aufzuführen.

Da sich dem angefochtenen Urteil mithin auch der Vollstreckungsstand im Zusammenhang mit der Verurteilung durch das Amtsgericht Witten nicht entnehmen lässt, kann darüber hinaus nicht festgestellt werden, ob eine Gesamtstrafenbildung dem Grunde nach überhaupt noch in Betracht kommt. Falls eine Gesamtstrafenbildung mit der verhängten Geldstrafe nicht mehr möglich sein sollte, weil die einzubeziehende Strafe bereits vollstreckt ist, müsste die Kammer - um dem Rechtsgedanken des § 55 Abs. 1 StGB Rechnung zu tragen - einen Härteausgleich vornehmen (zu vgl. Tröndle/Fischer, a. a. O., Rdnr. 21 ff. m. w. N.).

Das Unterlassen eines gebotenen Härteausgleichs führt jedoch zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs und nicht etwa nur der Gesamtstrafe (zu vgl. Beschluss des OLG Naumburg vom 15.03.2001 - 2 Ss 25/01).

Zwar kann der Tatrichter den Härteausgleich nicht nur bei der Zumessung der Einzelstrafen vornehmen, sondern gegebenenfalls auch im Rahmen einer ohnehin erforderlichen Gesamtstrafenbildung berücksichtigen. Welchen Weg des Härteausgleichs er wählt, liegt indes allein in seinem Ermessen. Dieses tatrichterliche Ermessen würde eingeschränkt, wenn das Landgericht durch die Aufhebung nur des Gesamtstrafenausspruchs darauf festgelegt würde, einen etwa erforderlichen Härteausgleich bei der Gesamtstrafenbildung vorzunehmen.

Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Da die Staatsanwaltschaft Bochum ihre Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 04.04.2001 in der Berufungshauptverhandlung rechtswirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat (Bl. 163 R d. A.), sind jedenfalls die Feststellungen des Amtsgerichts bindend geworden. Dabei genügt das angefochtene Urteil der Strafkammer auch den Anforderungen des § 267 Abs. 1 StPO, obschon eine - ausdrückliche - Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils nicht vorgenommen worden ist. Wegen der wirksamen Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist eine solche Bezugnahme vielmehr entbehrlich, da es allein auf die ausreichende Feststellung der den rechtskräftigen Schuldspruch tragenden Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil ankommt (zu vgl. BGH NStZ-RR 2001, 202 f.; OLG Celle, OLGSt, StPO, § 267 Nr. 8; einschränkend dagegen Senatsbeschluss vom 16.07.1997 - 2 Ss 706/97 -).

Das gemäß § 349 Abs. 3 StPO Erforderliche habe ich veranlasst."

Dem tritt der Senat nach eigener Prüfung bei. Der Senat merkt an, dass er sich inzwischen der Rechtsprechung des BGH in NStZ-RR 2001, 202 angeschlossen hat (vgl. Beschluss des Senats in 2 Ss 1077/01).

Ende der Entscheidung

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