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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.10.2007
Aktenzeichen: 2 Ss 385/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 329
StPO § 344
Zur ausreichenden Begründung der Verfahrensrüge gegen ein nach § 329 Abs. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil.
Beschluss

Strafsache

gegen G.P.

wegen versuchter Nötigung

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 14. Juni 2007 und gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 10. Juli 2007 und auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 3. Juli 2007 gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 14. Juni 2007 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 10. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, u.a. gemäß § 349 Abs. 2 StPO, beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten und die Revision werden auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe:

I.

Das Landgericht Bochum hat mit dem angefochtenen Urteil die Berufung des Angeklagten gegen ein Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 19. März 2007 gemäß § 329 StPO verworfen. Gegen dieses Verwerfungsurteil richtet sich die Revision des Angeklagten. Mit Beschluss vom 14. Juli 2007 hat das Landgericht den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 14. Juli 2007 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Angeklagten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsmittel zu verwerfen.

II.

Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihre Anträge wie folgt begründet:

"a)

Die gemäß § 46 Abs. 3 StPO statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass sich aus dem Vortrag des Angeklagten keine genügende Entschuldigung im Sinne von § 44 StPO ergibt, da er - in der ihn als Angeklagten betreffenden Strafsache - seine eigene Ladung selber zur Kenntnis hätte nehmen und sein pünktliches Erscheinen - an dem er in keiner Weise gehindert war - sicherstellen müssen.

b)

Die Revision ist fristgerecht eingelegt und begründet worden. Mit endgültiger Erledigung des Antrages auf Wiedereinsetzung ist eine Entscheidung des Senates auch über die Revision veranlasst, § 342 Abs. 2 Satz 2 StPO. In der Sache ist der Revision jedoch ein Erfolg zu versagen.

Wird mit der Revision gegen ein gemäß § 329 Abs. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil geltend gemacht, dieses gehe zu Unrecht davon aus, dass der Angeklagte nicht genügend entschuldigt gewesen sei, setzt die Überprüfung der vom Landgericht vorgenommenen Wertung die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus (vgl. OLG Hamm, VRS 98, 203, 204 m.w.N.). In den Fällen, in denen das Urteil - wie hier - sich nicht mit möglichen Entschuldigungen auseinandersetzt, ist die Verfahrensrüge nur dann gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausreichend begründet, wenn mit ihr vorgetragen wird, der Angeklagte habe sich bereits vor Erlass des Verwerfungsurteils auf die von ihm geltend gemachten Entschuldigungsgründe berufen (vgl. Kammergericht Berlin, Beschluss vom 19.12.2001 - (3) 1 Ss 149/01 (92/01) -, NStZ-RR 2002, Seite 218 f. m.w.N., OLG Hamm, Beschluss vom 07.04.1994 - 2 Ss 361/94 - ). Hierzu teilt die Revision, da vor Erlass des Verwerfungsurteils auch tatsächlich keine Entschuldigungsgründe geltend gemacht worden sind, nichts mit.

Soweit die Revision auch die Rüge der Verletzung der Fürsorgepflicht (vgl. KG Berlin a.a.O.) erheben will, weil das Verwerfungsurteil ergangen sei, obgleich zu diesem Zeitpunkt eine angemessene Wartefrist noch nicht verstrichen gewesen sei, mithin eine Verspätung des Angeklagten bei Beginn der Berufungsverhandlung nicht vorgelegen habe, fehlt es gleichfalls an einer ausreichenden Begründung dieser Rüge. Insoweit wird mit den Revisionsbegründungsschriften vom 28.06.2007 und 12.07.2007 schon die angesetzte Terminszeit nicht angegeben (KG Berlin a.a.O., OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.01.2001 NStZ- RR 2001 S. 303 ). Ein Rückgriff auf den Wiedereinsetzungsantrag und die hiermit eingereichten eidesstattlichen Versicherungen ist im Rahmen der Begründung einer Verfahrensrüge unzulässig (Meyer/Goßner, StPO 50. Aufl. § 344 Rdnr. 21 m.w.N.).

Die Rüge wäre im Übrigen jedoch auch unbegründet.

Ob die Wartefrist angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab; in der Regel werden 15 Minuten für angemessen gehalten (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auflage, Ruß zu § 329 Rdnr. 4 m.w.N.). Da sich somit in der Rechtsprechung keine starren Grenzen für die einzuhaltende Wartezeit herausgebildet haben, war die Kammer hier im Einzelfall nicht gehindert, bereits nach zehn Minuten ein Verwerfungsurteil zu erlassen. Darüber hinaus beruht das Urteil nicht auf einem hier gegebenen Verfahrensverstoß, da es bei Einhaltung einer Wartefrist von 15 Minuten in gleicher Weise ergangen wäre, da der Angeklagte auch innerhalb dieser Frist nicht eingetroffen war."

Diesen im Wesentlichen zutreffenden Gründen tritt der Senat nach eigener Sachprüfung bei. Er weist zusätzlich auf Folgendes hin:

Das Landgericht ist in seinem Beschluss vom 14. Juni 2007 zutreffend davon ausgegangen, dass den Angeklagten an der Versäumung der Berufungshauptverhandlung ein eigenes Verschulden i.S. des § 44 StPO trifft. Er durfte sich nicht auf die Mitteilung der Terminsstunde durch seine Lebensgefährtin verlassen, sondern hätte die Richtigkeit dieser Mitteilung anhand der ihm zugestellten Ladung zur Berufungshauptverhandlung überprüfen können und auch müssen.

Vorliegend hat das Landgericht nach Aufruf der Sache die Berufung bereits nach 10 Minuten verworfen. Der Senat weist darauf hin, dass allgemein in der Rechtsprechung eine Wartezeit von mindestens 10 bis 15 Minuten als erforderlich angesehen wird (vgl. BerlVerfGH NJW 2004, 1158; KG NStZ-RR 2002, 218). Diese Frist hat das Landgericht vorliegend gerade eben eingehalten. Ob das ausreichend oder ggf. rechtsfehlerhaft war, kann vorliegend jedoch dahinstehen, da - worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hingewiesen hat - selbst bei Einhaltung einer Wartefrist von 15 Minuten der Angeklagte nicht mehr rechtzeitig erschienen wäre.

Ende der Entscheidung

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