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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.12.2004
Aktenzeichen: 2 Ss 471/04
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 335
StGB § 25
StGB § 252
Der Beschwerdeführer, der in der Einlegungsfrist Berufung eingelegt hat, kann, wenn ein Urteil statt mit dem Rechtsmittel der Berufung auch mit dem der Revision angefochten werden kann, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO noch erklären, dass er von der ursprünglich gewählten Berufung zur Revision übergeht.

2. Bei einer Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls müssen Feststellungen dazu getroffen werden, dass die Gewaltanwendung in der Absicht verübt worden ist, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten.

3. Mittäterschaft ist bereits dann gegeben, wenn jeder Beteiligte im Sinne eines konkludent gefassten gemeinschaftlichen Willensentschlusses seine eigene Tätigkeit durch die Handlung des anderen ergänzen und auch diese sich zurechnen lassen will.


Beschluss

Strafsache

gegen M.J.

wegen Diebstahls u.a.

Auf die (Sprung-)Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Jugendschöffengerichts des Amtsgerichts Recklinghausen vom 12. August 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 12. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2, 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagte J. wegen räuberischen Diebstahls, Hehlerei, Körperverletzung und Beleidigung (diese in mehr als einem Fall) verurteilt worden ist.

Aufgehoben wird ferner im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen der verhängte Dauerarrest.

Im Übrigen wird die Revision verworfen; die Angeklagte J. bleibt wegen Diebstahls, Beleidigung (diese in einem Fall) und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Recklinghausen zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Recklinghausen hat mit dem angefochtenen Urteil die Angeklagte J. des räuberischen Diebstahls, der Hehlerei, des gemeinschaftlichen Diebstahls, der Beleidigung in zwei Fällen, der Körperverletzung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gesprochen und sie unter Einbeziehung der Verurteilung durch das Amtsgericht Recklinghausen in dem Verfahren 34 Ds AK 489/03 vom 13. Januar 2004 mit einem Dauerarrest in Höhe von vier Wochen belegt.

Gegen die Mitangeklagte G. ist wegen gemeinschaftlichen Diebstahls geringwertiger Sachen ein Dauerarrest in Höhe von einer Woche verhängt worden.

Der Tatrichter hat folgende Feststellungen zum Tatgeschehen getroffen:

"II.

Die Angeklagten begingen folgende Straftaten:

Anklageschrift 250 Js 120/04

1.

Am 15.12.03 gegen 18.30 Uhr entwendeten die Angeklagten J. und G. im DM-Markt, XXXXXXXXXXXXXX 2 Lippenstifte á 1,45 Euro und 1 Packung künstlicher Fingernägel à 9,95 Euro, indem sie die Waren einsteckten und durch den Eingangsbereich den Laden verließen, ohne die Ware bezahlt zu haben.

Die Zeugin (Detektivin) T. hatte jedoch zuvor bemerkt, dass die Angeklagte J. Sicherung und Etiketten an den Waren entfernte und mit Ausnahme eines Lippenstiftes der G. übergeben hatte, die diese Gegenstände auch einsteckte. Als die Zeugin T. die Angeklagten ansprach und aufforderte, ihr ins Büro zu folgen, wurde die Angeklagte J. ausfallend, drängte die Zeugin T. zur Seite und versuchte offensichtlich zu entkommen. Als die Zeugin dann die Angeklagte J. am Arm ergriff und versuchte, diese in den Laden zurückzuführen, griff die Angeklagte J. die Zeugin T. an und schlug mit den Armen auf die Zeugin ein, die mehrfach im Brust- und Armbereich getroffen wurde. Erst nach Eingreifen des Zeugen B. gelang es, die Angeklagte J. ins Büro zu verbringen, wo sie den Lippenstift herausgab. Als sich die Angeklagte J. immer wieder in Richtung Ausgang bewegte und von der Zeugin T. zurückgezogen wurde, schlug die Angeklagte "wie von Sinnen" um sich und riß der Zeugin T. in den Haaren. Dabei beleidigte sie dann die Zeugin T. mit den Worten: "Schlampe, Fotze" u.a. mehr.

4.

Bei der anschließenden polizeilichen Durchsuchung der Handtasche der Angeklagten J. wurde darin eine Tüte mit Modeschmuck im Gesamtwert von 94,65 Euro aufgefunden. An den sichergestellten Schmuckstücken befanden sich noch Preisetikette, die aufzeigten, dass die Schmuckstücke aus der Boutique "XXXXXXXX", stammten. Tatsächlich hatte die Angeklagte G., die insoweit nicht angeklagt ist, die Schmuckstücke in der erwähnten Boutique entwendet, während die Angeklagte J. vor der Boutique wartete und die Gegenstände in Kenntnis ihrer Herkunft in ihre Handtasche steckte.

Anklageschrift 250 Js 198/04

5.

Am 17.12.03 gegen 20.00 Uhr entwendeten beide Angeklagte in der Filiale des DM-Marktes XXXXXXXXXXXX Waren im Gesamtwert von 33,20 Euro, indem sie die Ware in mitgebrachte Taschen steckten und das Geschäft verließen, ohne die Ware bezahlt zu haben.

Während die Angeklagte G. in der DM-Marktfiliale verblieb, gelang es der Angeklagten J., das Geschäftslokal zu verlassen. Der Zeuge B. hatte jedoch die Angeklagte J. verfolgt und konnte sie in den Laden zurückbringen, wobei er rüde beschimpft wurde. Beide Angeklagte unterzeichneten das sog. Ladendiebstahlsprotokoll (Bl. 46,47 d.A.).

6.

Nachdem die Angeklagte J. sodann von den eingetroffenen Polizeibeamten F. und E. zur Polizeihauptwache Bochum-Mitte verbracht werden sollte, bezeichnete die Angeklagte die Polizeibeamten als Nazis sowie als Schweine und Arschlöcher und beleidigte sie auch mit weiteren Schimpfworten.

7.

Als ihr aufgrund ihrer aggressiven Verhaltensweise - die Angeklagte hatte u.a. die Videoanlage umgestürzt - Handfesseln angelegt werden sollten, schlug sie mit dem rechten Arm in Richtung des Zeugen PKW F., der dem Schlag ausweichen musste und wodurch die Angeklagte sich kurzzeitig befreien konnte. Letztlich war das jedoch vergeblich.

Bei der Durchsuchung beider Angeklagter wurden schließlich ein Paar Schuhe mit Preisschilder der Fa. D. vorgefunden. Insoweit hat die Angeklagte J. dann auf der Wache erklärt, diese Schuhe habe die Mitangeklagte G. für ihren Freund J. geklaut.

Insoweit ist ebenfalls keine Anklageschrift erhoben worden."

Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte J. zunächst mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 19. August 2004 Berufung eingelegt. Nach Zustellung des schriftlichen Urteils am 02. September 2004 hat sie mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 29. September 2004 mitgeteilt, dass die eingelegte Berufung als Wahl-/ Sprungrevision im Sinne von § 55 JGG i.V.m. § 335 StPO durchgeführt werden soll. Zugleich hat sie einen Revisionsantrag gestellt und diesen mit näheren Ausführungen mit der Verletzung materiellen Rechts begründet.

Die Angeklagte G. hat das Urteil des Jugendschöffengerichts nicht angefochten.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil im Schuldspruch, soweit die Angeklagte wegen räuberischen Diebstahls verurteilt worden ist, und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Recklinghausen zurückzuverweisen. Im Übrigen hat sie die Verwerfung der Revision als unbegründet beantragt.

II.

Das Rechtsmittel der Angeklagten ist als (Sprung-) Revision zulässig.

Unschädlich ist, dass die Angeklagte ihr Rechtsmittel zunächst mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 19. August 2004 ausdrücklich als Berufung bezeichnet und innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist mitgeteilt hat, das Rechtsmittel als Revision zu führen.

Es ist gefestigte Rechtsprechung, dass dann, wenn ein Urteil statt mit dem Rechtsmittel der Berufung mit dem der Revision angefochten werden kann (Sprungrevision), der Beschwerdeführer, der in der Einlegungsfrist Berufung eingelegt hat, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO erklären darf, dass er von der ursprünglich gewählten Berufung zur Revision übergeht (BGHSt 5, 338 = NJW 1954, 687). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 03. Dezember 2003 in 5 StR 249/03, abgedr. in NJW 2004, 789 f., ergangen auf einen Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Dresden, nochmals bekräftigt und darauf abgestellt, dass bei dem auf eine Vereinfachung des Verfahrens gerichteten Zweck der Sprungrevision den Interessen des Beschwerdeführers an der Sicherung und Effektuierung seines Rechtsmittelwahlrechts größeres Gewicht beizumessen sei als den Geboten der Klarheit von Prozesserklärungen und der Bestimmtheit des weiteres Prozessverlaufs. Hinzu kämen Gründe prozessualer Fairness, die es verbieten würden, einen Beschwerdeführer an einer Erklärung festzuhalten, die er ohne Kenntnis der schriftlichen Urteilsgründe, mithin voreilig, abgegeben habe. Die vom Oberlandesgericht Dresden dagegen erhobenen Einwände überzeugten nicht in einer Weise, dass Anlass bestünde, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen. Das Oberlandesgericht Dresden hat in seinem Vorlagebeschluss die Auffassung vertreten, der Wechsel von einem in der Einlegefrist eindeutig als Berufung bezeichneten Rechtsmittel zur Revision sei während der Revisionsbegründungsfrist unzulässig mit der Folge, dass es bei der eingelegten Berufung verbleibe. Begründet hatte das Oberlandesgericht Dresden seine Rechtsauffassung damit, dass es andernfalls Nachteile eines unbestimmten Prozessverlaufs sehe. Diese bestünden in einer Verzögerung der Aktenvorlage an das Berufungsgericht und in einem vergeblichen erhöhten Begründungsaufwand bei allen amtsgerichtlichen Urteilen, die letztlich nicht einer revisionsgerichtlichen Überprüfung unterzogen werden.

Der Bundesgerichtshof, der sich diesen Argumenten zwar nicht gänzlich verschließen wollte, stellte bei seiner Entscheidung aber maßgeblich darauf ab, dass eine nunmehr fünfzig Jahre ohne nennenswerte Einwände bestehende Rechtspraxis zu einer gewissen Rechtssicherheit bei der Anwendung des § 335 StPO geführt habe. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass grundsätzlich auch ein Wechsel von der zunächst erklärten Revision zur Berufung in Rechtsprechung und Schrifttum - ebenfalls bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - für zulässig erachte werde. In das - nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - einheitlich ausgestaltete Wahlrechtsmittel des § 335 StPO einzugreifen, wäre wegen eines damit verbundenen Verlusts an Rechtssicherheit nur bei erkennbar gewichtigen Vorteilen für die Effizienz des Rechtsmittelverfahrens angezeigt. Solche Vorteile lasse der Vorlagebeschluss des Oberlandesgericht Dresden - ungeachtet einzelner durchaus beachtenswerter Erwägungen - nicht erkennen (BGH, a.a.O.).

III.

In der Sache hat die Revision teilweise Erfolg.

1. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils zu dem Tatgeschehen vom 15. Dezember 2003 im DM-Markt in XXXXXXXXX tragen eine Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls gemäß § 252 StGB nicht.

Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO muss der Tatrichter bei einer Verurteilung des Angeklagten in den Urteilsgründen die von ihm für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Das gilt sowohl für die sogenannten äußeren Tatsachen als auch für den inneren, subjektiven Tatbestand. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil des Jugendschöffengerichts nicht, denn es enthält keinerlei Feststellungen zur inneren Tatseite, insbesondere nicht, ob die Angeklagte J. die Gewaltanwendung gegenüber der Zeugin (Detektivin) T. in der Absicht verübt hat, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten oder welches Täterziel sie verfolgt hat. Die Absicht der Gewahrsamssicherung ist aber Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 252 StGB. Ob dieses Ziel letztlich auch erreicht wird, ist unerheblich. Mindesterfordernis ist, dass es dem Täter darum gehen muss, eine Gewahrsamsentziehung zu verhindern, die - tatsächlich oder nur aus Tätersicht - gegenwärtig ist oder unmittelbar bevorsteht. Will der Täter hingegen lediglich die Feststellung seiner Person und einen dadurch bedingten späteren Verlust des Diebesguts verhindern, liegt kein räuberischer Diebstahl vor. Allerdings setzt § 252 StGB nicht voraus, dass die Verteidigung des Diebesguts der einzige Beweggrund für die Gewaltanwendung ist (vgl. BGHSt 26, 97; BGH NStZ 1984, 454). Wendet der Täter aber erst Gewalt an, nachdem er die Beute weggeworfen hat, scheidet § 252 StGB aus; andererseits kann aus der Tatsache, dass er die Beute nicht weggeworfen hat, noch nicht auf das Vorliegen einer Gewahrsamsbehauptungsabsicht geschlossen werden (vgl. OLG Zweibrücken StV 1994, 546; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 252 Rdnr. 9).

Die Feststellungen des angefochtenen Urteils verhalten sich hierzu nicht und sind insoweit lückenhaft (§ 267 StPO). Aufgrund des Umstands, dass die Angeklagte auch noch nach Herausgabe des gestohlenen Lippenstifts zu fliehen versucht hatte, ist es nämlich nicht ausgeschlossen, dass sie sich lediglich ihrer Überführung als Täterin eines Ladendiebstahls entziehen wollte. Das Amtsgericht wird hierzu die nötigen Feststellungen zu treffen haben.

2. Die Verurteilung wegen Hehlerei an der von der Mitangeklagten G. gestohlenen Tüte Modeschmuck hält ebenfalls einer sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Zwar würde eine Verurteilung wegen Hehlerei vorliegend nicht daran scheitern, dass es - wie die Revision vorträgt - an einer abgeschlossenen Vortat fehlt. Im Falle eines Diebstahls als Vortat ist grundsätzlich lediglich dessen Vollendung, nicht aber dessen Beendigung erforderlich. Hier wäre der Diebstahl möglicherweise auch schon beendet, denn im Falle eines nicht beobachteten Ladendiebstahls liegt eine Beendigung in der Regel mit Verlassen der Verkaufsräume vor.

Die tatrichterlichen Feststellungen sind aber auch hier wiederum lückenhaft (§ 267 StPO). Es fehlt nämlich jegliche Auseinandersetzung mit der Einlassung der Angeklagten. Es wird nicht mitgeteilt, ob und wie sich die Angeklagte zu diesem Tatvorwurf eingelassen hat, ob das Gericht dieser Einlassung gefolgt ist oder ob und inwieweit es ihre Einlassung aufgrund welcher Beweismittel für widerlegt angesehen hat. Insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass der zugrundegelegte Sachverhalt nicht auf dem Ergebnis der Hauptverhandlung beruht, sondern nur unter Verwertung des Inhaltes der Akten zustande gekommen ist.

Zwar schreibt § 267 StPO die Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten im Urteil nicht vor; gleichwohl ist es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung aber erforderlich, die Einlassung des Angeklagten zu einem Schuldvorwurf in die Urteilsgründe aufzunehmen und zu würdigen (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 172;). Denn ohne die Wiedergabe der Einlassung und ihrer Würdigung kann das Revisionsgericht in der Regel nicht überprüfen, ob der Beurteilung des Sachverhalts rechtlich fehlerfreie Erwägungen zugrunde liegen.

Dieser Darlegungsmangel zwingt daher zur Aufhebung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 267 Rdnr. 12 und 42 mit jeweils m. w. N.).

Das Amtsgericht wird sich insoweit in einer neuen Hauptverhandlung mit der Frage auseinander setzen müssen, ob die Angeklagte J. sich statt einer Hehlerei nicht eines gemeinschaftlichen Diebstahls schuldig gemacht hat.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist Mittäterschaft bereits dann gegeben, wenn jeder Beteiligte im Sinne eines konkludent gefassten gemeinschaftlichen Willensentschlusses seine eigene Tätigkeit durch die Handlung des anderen ergänzen und auch diese sich zurechnen lassen will, so dass alle Beteiligten aufgrund eines solchen unausgesprochenen gemeinschaftlichen Tatenschlusses im bewussten und gewollten Zusammenwirken handeln (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 29 - Beschluss vom 19. Februar 1997). Da die beiden Angeklagten häufig gemeinsam auf "Diebestour" in Kaufhäusern unterwegs sind, liegt eine mittäterschaftliche Begehungsweise sehr nahe.

3. Soweit das Amtsgericht die Angeklagte J. wegen Körperverletzung und Beleidigung in mehr als einem Fall verurteilt hat, unterliegt das Urteil ebenfalls der Aufhebung.

In den Urteilsgründen heißt es hierzu unter Punkt II. 8.:

"Die Angeklagte J. hat sich des räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) im Falle I 1), der Hehlerei (§ 259 StGB) im Falle II 4 des gemeinschaftlichen Diebstahls im Falle II 5, der Beleidigung (§ 185 StGB) in den Fällen II 3 und 6, der Körperverletzung (§ 223 StGB) im Falle II 2 und des Widerstandes (§ 113 StGB) im Falle II 7 schuldig gemacht."

Die vom Amtsgericht erwähnten Fälle II 2 und II 3 sind in den Urteilsgründen nicht enthalten; irgendwelche Feststellungen hierzu finden sich dort nicht. Es kann nur vermutet werden, dass es sich hierbei möglicherweise um das Tatgeschehen am 15. Dezember 2003 zum Nachteil der Zeugin T. handelt.

4. Im Übrigen gibt der Schuldspruch zu Beanstandungen keinen Anlass.

Die Revision hatte hinsichtlich der Verurteilung wegen Diebstahls, Beleidigung zum Nachteil der Polizeibeamten und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte keinen Erfolg und war - entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Soweit die Revision rügt, die getroffenen Feststellungen reichten nicht aus, um ein Widerstand leisten im Sinne des § 113 Abs. 1 StGB anzunehmen, weil es angesichts des Ausweichenkönnens des Polizeibeamten F. an der notwendigen Intensität der Einwirkung fehle, geht dies fehl.

Widerstand leisten ist das - auch untaugliche oder erfolglose - Unternehmen, den Amtsträger durch ein aktives Vorgehen zur Unterlassung der Handlung zu nötigen oder diese zu erschweren (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 113 Rdnr. 22). Für die Annahme von Gewalt ist es ausreichend, wenn die Widerstandshandlung nach der Vorstellung des Täters diese Eignung hat. Die Vollstreckungsmaßnahme des Beamten muss nicht wirklich verhindert oder erschwert worden sein.

Aber auch bei der Tatbestandsalternative des tätlichen Angriffs wird zwar eine unmittelbar auf den Körper zielende gewaltsame Einwirkung gefordert, die aber nicht zu einer Verletzung führen muss; eine solche braucht auch nicht gewollt zu sein (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 113 Rdnr. 27).

5. Wegen der teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs konnte schließlich der Rechtsfolgenausspruch, mit dem ein Dauerarrest in Höhe von vier Wochen festgesetzt worden war, mit den zugrunde liegenden Feststellungen ebenfalls keinen Bestand haben.

6. Die teilweise Aufhebung und Zurückverweisung der Sache erstreckt sich gemäß § 357 StPO nicht auf die Mitangeklagte G..

Nach dem Regelungsgehalt dieser Norm erstreckt sich die Aufhebung eines Urteils auch auf den Nichtrevidenten, soweit sie sich inhaltlich auch auf diesen bezieht. Die als Rechtswohltat gedachte Erstreckungswirkung kann einem Nichtrevidenten, der das Verfahren nicht fortsetzen möchte, unerwünscht sein. Die Vorschrift ist aber zwingend, verlangt indessen eine restriktive Auslegung.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 30. November 2004 Folgendes ausgeführt:

"Die Aufhebung des Urteils auf die Revision der Angeklagten J. ist nicht gem. § 357 StPO auf die Angeklagte G. zu erstrecken. Zwar ist das Urteil zugunsten der Angeklagten J. wegen einer Tat im prozessualen Sinne, deretwegen auch die Angeklagte G. verurteilt worden ist, aus materiellen Gründen und damit wegen einer Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes i.S.v. § 357 StPO aufzuheben. Eine Revisionserstreckung auf Mitverurteilte scheidet jedoch aus, wenn es an einem gemeinsamen Revisionsgrund fehlt bzw. sich die Gesetzesverletzung auf den Nichtrevidenten nicht auswirkt. Revident und Nichtrevident müssen demnach grundsätzlich von ein und derselben Rechtsverletzung betroffen sein oder die Rechtsverletzung zu Lasten des Revidenten muss sich jedenfalls mittelbar auf den Nichtrevidenten auswirken (KK-Kuckein, a.a.O., § 357 Rdnr. 13, 15; Meyer-Goßner, a.a.O., § 357 Rdnr. 14). Daran fehlt es hier. Die Angeklagte G. ist im Hinblick auf die Tat vom 15.12.2003 im Unterschied zu der Angeklagten J. nicht wegen räuberischen Diebstahls, sondern lediglich wegen gemeinschaftlichen Diebstahls geringwertiger Sachen verurteilt worden. Die rechtsfehlerhafte Verurteilung der Angeklagten J. gem. § 252 StGB wirkt sich auf die Angeklagte G. weder unmittelbar noch mittelbar aus."

Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Auch die Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten J. wegen Hehlerei, Körperverletzung und Beleidigung (in mehr als einem Fall) berührt die Mitangeklagte G. nicht.

Nach alledem war das angefochtene Urteil daher in dem tenorierten Umfang aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Recklinghausen zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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