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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.11.2003
Aktenzeichen: 2 Ss 647/03
Rechtsgebiete: OWiG, StPO


Vorschriften:

OWiG § 33
StPO § 145 a
Die Zustellung des Bußgeldbescheides an den bevollmächtigten Rechtsanwalt, dem nur eine außergerichtliche Vollmacht ohne Zustellungsvollmacht erteilt ist, unterbricht nicht die Verfolgungsverjährung.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen. M. S.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit (fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung).

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 10. Juli 2003 gegen das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 07. Juli 2003 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 11. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 6 OWiG beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die der Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat, aufgehoben.

Das Verfahren wird eingestellt.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Iserlohn hat die Betroffene durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 100,00 € verurteilt sowie ein Fahrverbot von einem Monat unter Beachtung der Vorschrift des § 25 Abs. 2 a StVG verhängt.

Der Betroffenen wird zur Last gelegt, am 14. November 2002 gegen 11.46 Uhr in Iserlohn auf der Straße Im Wiesengrund in Fahrtrichtung Westfalenstraße mit dem von ihr geführten Pkw die dort durch entsprechendes Verkehrszeichen festgesetzte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 33 km/h überschritten zu haben. Die Geschwindigkeit des Fahrzeugs der Betroffenen wurde mittels eines Radargerätes der Marke Multanova VR 6 F gemessen.

Die Stadt Iserlohn hat gegen die Betroffene unter dem 06. Dezember 2002 durch Übersendung eines Anhörungsbogens ein Bußgeldverfahren eingeleitet.

Der Bußgeldbescheid vom 05. März 2003 ist sodann nicht der Betroffenen selbst, sondern ihren Rechtanwälten zugestellt worden, denen die Betroffene folgende Vollmacht erteilt hatte:

"Außergerichtliche Vollmacht (es folgen die Namen der Rechtsanwälte)

wird hiermit Vollmacht zu meiner außergerichtlichen Vertretung erteilt

in der Angelegenheit Bußgeldsache M. S.

gegen

wegen Ereignis vom 14.11.2002

und etwaige weitere Beteiligte. Die Vollmacht ermächtigt insbesondere

1. zu außergerichtlichen Verhandlungen aller Art, zum Abschluss eines Vergleichs zur Vermeidung eines Rechtsstreits;

2. in Unfallsachen zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen Schädiger, Fahrzeughalter und deren Versicherer;

3. zur Entgegennahme von Zahlungen, Wertsachen und Urkunden;

4. zur Stellung von Strafanträgen sowie zu deren Rücknahme, zur Vertretung als Nebenkläger in einem Strafverfahren;

5. zur Akteneinsicht;

6. zur Begründung und Aufhebung von Vertragsverhältnissen, zur Abgabe und Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen (z. B. Kündigungen) in Zusammenhang mit der oben unter "wegen . " genannten Angelegenheit.

Schwelm, den 18. 12. 2002 M S.-L."

Nach rechtzeitiger Einspruchseinlegung hat das Amtsgericht Iserlohn die Betroffene durch das angefochtene Urteil verurteilt.

Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Verfahren unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 206 a StPO einzustellen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen führt dazu, dass das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 206 a StPO einzustellen ist. Wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 14. November 2003 zutreffend ausgeführt hat, kann die der Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr geahndet werden.

Die Verjährungsfrist beträgt bei einem Verstoß gegen die StVO nach §§ 24, 26 Abs. 3 StVG grundsätzlich drei Monate, beginnend mit dem Vorfallstag, es sei denn, der Lauf der Verjährungsfrist ist durch eine der in § 33 OWiG genannten Maßnahmen unterbrochen worden. Vorliegend ist die dreimonatige Verjährungsfrist zwar gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG durch den der Betroffenen übersandten Anhörungsbogen vom 06. Dezember 2002 unterbrochen worden; da eine weitere Unterbrechung der Verjährungsfrist aber nicht stattgefunden hat, endete diese am 06. März 2003. Der weitere Lauf der Verjährungsfrist ist in der Folgezeit auch nicht gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG durch den Erlass des Bußgeldbescheides unterbrochen worden, denn dieser ist nicht innerhalb von zwei Wochen nach Erlass wirksam zugestellt worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 14. November 2003 Folgendes ausgeführt:

"Die von der Verwaltungsbehörde am 06.03.2003 (Bl. 19 d.A.) bewirkte Zustellung an die Rechtsanwälte der Betroffenen erweist sich als unwirksam. Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gilt der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, als ermächtigt, Zustellungen in Empfang zu nehmen. Bei der von dem Rechtsanwalt der Betroffenen zu den Akten gereichten Vollmacht handelt es sich jedoch ausdrücklich nicht um eine Verteidigervollmacht, sondern um eine außergerichtliche Vollmacht, die weder zur Entgegennahme von Zustellungen noch zur Vertretung im Ordnungswidrigkeitenverfahren ermächtigt. Zwar ist die Vollmacht nicht an eine besondere Form gebunden, sie muss jedoch eindeutig sein (zu vgl. KK-Lampe, OWiG, 2. Aufl., § 51 Rdnr. 85). Gem. § 8 Abs. 1 S. 1 VwZG kann zwar auch an einen Vertreter des Betroffenen ein Bescheid zugestellt werden. Auch dabei ist allerdings der Umfang der Vollmacht zu berücksichtigen (zu vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 51 Rdnr. 42). Die Entgegennahme von Zustellungen war jedoch gerade nicht von der Vollmacht erfasst, so dass die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid nicht, wie geschehen, an die Anwaltskanzlei Hoffmann und Partner, sondern an die Betroffene hätte zustellen müssen.

Somit war mangels wirksamer Zustellung des Bußgeldbescheides die Ordnungswidrigkeit spätestens am 06.03.2003 verjährt. Weitere verjährungsunterbrechende Maßnahmen sind nicht ersichtlich, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren wegen des Vorliegens eines Prozesshindernisses einzustellen ist.

Dass das angefochtene Urteil aus den oben genannten Gründen der Betroffenen bisher nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist, weil sich eine Zustellungsvollmacht des Verteidigers nicht bei den Akten befindet und auch eine Zustellung an die Betroffene persönlich nicht erfolgt ist, hindert eine Senatsentscheidung wegen des Eintritts der Verfolgungsverjährung nicht."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigenständiger Prüfung und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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