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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.03.2005
Aktenzeichen: 2 Ss 71/05 OLG
Rechtsgebiete: JGG


Vorschriften:

JGG § 17
Zur Verhängung von Jugendstrafe wegen "Schwere der Schuld".
Beschluss

Strafsache

gegen B.M.

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln

Auf die Revision der Angeklagten vom 9. November 2004 gegen das Urteil des Jugendschöffengerichts Recklinghausen vom 9. November 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07. 03. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird unter Verwerfung der Revision im Übrigen im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Recklinghausen zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Jugendschöffengericht Recklinghausen hat die zu den Tatzeitpunkten zwischen dem 27. November 2003 und dem 2. Januar 2004 achtzehnjährige Angeklagte am 09. November 2004 wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen (Haschisch und Marihuana im Kilobereich) zu einer Jugendstrafe in Höhe von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung dieser Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Sprungrevision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

1. Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Schuldspruch richtet, war es als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat, § 349 Abs. 2 StPO.

2. Die Revision hat allerdings hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs zumindest einen vorläufigen Erfolg, weil das angefochtene Urteil lückenhaft ist (§ 267 StPO).

Das Jugendschöffengericht hat die Verhängung der Jugendstrafe nach § 17 Abs. 2 JGG mit folgenden Erwägungen begründet:

"Zur Ahndung der begangenen Straftat kam nur die Verhängung von Jugendstrafen in Betracht (§ 17 JGG). Die Einfuhrschmuggelfahrten sind als Verbrechen mit einer Mindeststrafe von 2 Jahren bei Erwachsenen eingestuft. Die Angeklagten selbst haben gewußt, wie sehr sie sich durch ihre Mitwirkung an diesen Schmuggelfahrten strafbar gemacht haben. Sie haben nach eigenen Angaben in der Hauptverhandlung mit einer Gefängnisstrafe gerechnet. Bei dem Angeklagten H. geht das Gericht zudem vom Vorliegen schädlicher Neigungen aus, weil dieser Angeklagte zum einen seine Freundin in die Straftaten mit hineingezogen hat und zum anderen über die Einfuhrschmuggelfahrten hinaus sich aktiv als Drogendealer betätigt hat."

Das Tatgericht hat deshalb bei der Angeklagten Behrendt die Verhängung der Jugendstrafe erkennbar allein auf den Gesichtspunkt der "Schwere der Schuld" (§ 17 Abs. 2, 2. Alt. JGG) gestützt, da "schädliche Neigungen" nur bei dem mitangeklagten Freund Hoffmann der Angeklagten Behrendt angenommen worden sind.

Der Begriff der "Schwere der Schuld" im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG ist grundsätzlich immer bei Kapitalverbrechen anzunehmen (vgl. OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2002 - 2 Ss 945/02 - m.w.N.). Unabhängig davon kann die Schwere des verwirklichten Tatunrechts allein aber keine Verhängung von Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld rechtfertigen (vgl. Sonnen in Diemer/ Schoreit/Sonnen, JGG, 3. Aufl., § 17 Rdnr. 22 m.w.N.). Diese kann sich vielmehr sowohl aus dem Gewicht der Tat als auch aus der in der Persönlichkeit des Jugendlichen/Heran-wachsenden liegenden Beziehung zu seiner Tat (BGH, Beschluss vom 07.Oktober .2004 - 3 StR 136/04 -, abgedruckt in StV 2005, 66) ergeben. Für die Beurteilung der Schuld sind deshalb die charakterliche Haltung und das gesamte Persönlichkeitsbild des Täters zu berücksichtigen. Das äußere Tatgeschehen ist nur insoweit zu beachten, als es Schlüsse auf das Maß der persönlichen Schuld und aus der charakterlichen Haltung des Täters zulässt (vgl. BGHSt 15, 224; StV 1982, 335; BGH bei Böhm, NStZ 1989, 522; Sonnen, a.a.O., § 17 Rdnr. 22).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muss die Jugendstrafe überdies, wenn sie - wie hier - wegen der Schwere der Schuld verhängt wird, aus erziehe-rischen Gründen erforderlich sein ( so Senat, zuletzt noch Beschluss vom 6. September 2004 in 2 Ss 234/04 ). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erforderlichkeit ist dabei derjenige des Erlasses des Urteils. Folglich sind neben einem straffreien Verhalten der Angeklagten vor der Tat vor allem auch eine positive Entwicklung nach der Tat zu berücksichtigen ( so auch BGH StV 1998, 332; StV 1988, 307; OLG Brandenburg StV 2001, 175).

Über diesen Erziehungsgesichtspunkt hinaus sind bei der Erforderlichkeit der Verhängung der Jugendstrafe auch andere Strafzwecke zu beachten. So ist die verwirklichte Schuld mit dem Erziehungsgedanken miteinander abzuwägen (BGH NStZ-RR 2001, 215). Auch dabei steht bei Heranwachsenden, soweit diese dem Jugend-lichen gleichgestellt werden, der Erziehungsgedanke im Mittelpunkt (BGH StV 1988, 307; BGH StV 1998, 332). Mit zunehmendem Alter des Täters kommt dem Schuldge-danken allerdings ein größeres Gewicht zu (Eisenberg, JGG, 10. Aufl., § 17 JGG Rdnr. 29).

Grundsätzlich bestimmt im Einzelfall der Tatrichter das Verhältnis der Strafzwecke (BGH StV 1982, 335), wobei eine reine Schuldstrafe aber grundsätzlich unzulässig ist (OLG Brandenburg StV 2001, 175). Das Urteil muss daher erkennen lassen, ob das Tatgericht dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung ge-schenkt hat (OLG Brandenburg, a.a.O.). Namentlich muss es Ausführungen dazu enthalten, welche erzieherischen Wirkungen von der Strafe ausgehen sollen (OLG Köln StV 1999, 667), ob - bei entsprechenden Anhaltspunkten - der Tat Ausnah-mecharakter zukommt und ob die Verhängung der Jugendstrafe erforderlich ist (BGH StV 1996, 269).

Diesen Anforderungen werden die Strafzumessungserwägungen des Jugendschöffengerichts vorliegend nicht gerecht. Das Jugendschöffengericht hat die Verhängung von Jugendstrafe als erforderlich angesehen, weil die Einfuhrschmuggelfahrten als Verbrechen mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren bei Erwachsenen eingestuft werden. Dies lässt besorgen, dass das Jugendschöffengericht bei seiner Bewertung im Wesentlichen auf das Ausmaß des nach seiner Auffassung von der Angeklagten verwirklichten Unrechts abgestellt hat. Dagegen lassen die Urteilsausführungen zur Persönlichkeit der Angeklagten, zu ihrer Beziehung zu den ihr vorgeworfenen Taten und zu ihrer Entwicklung nach Begehung der Taten bis zum Erlass des Urteils nicht erkennen, ob bei der Bildung der Jugendstrafe dem Erziehungsgedanken in ange-messener Form Rechnung getragen worden ist. Diese Darlegungsmängel führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und zur Zurück-verweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Recklinghausen.

Ende der Entscheidung

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