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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.08.2000
Aktenzeichen: 2 Ss 725/00
Rechtsgebiete: BtMG, StPO, StGB


Vorschriften:

BtMG § 29
StPO § 267
StGB § 21
Leitsatz: Zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das BtMG
Beschluss Strafsache gegen H.B.,

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Schöffengerichts Herne-Wanne vom 9. März 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.08.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herne-Wanne zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch das angefochtene Urteil wegen "Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ohne Erlaubnis" zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils bewahrte der betäubungsmittelabhängige Angeklagte in seiner damaligen Wohnung Betäubungsmittel auf, und zwar 75,5 g Heroin, 2 Ecstasy-Tabletten, 0,9 g Speed und 2,5 g Kokain. 67,1 g des sichergestellten Heroins enthielten nach einer durchgeführten Analyse mindestens 10,9 g Heroinhydrochlorid.

Der Angeklagte rügt mit seiner unbeschränkt eingelegten Revision mit näherer Begründung die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte (Sprung-)Revision ist zulässig und hat auch in der Sache einen - zumindest vorläufigen - Erfolg.

Unabhängig von den weiteren Voraussetzungen des § 267 StPO muss die Sachverhaltsdarstellung des Urteils mit den getroffenen Feststellungen in sich geschlossen, klar und verständlich sein. Nur wenn sie frei von Lücken und Widersprüchen ist, bietet sie dem Revisionsgericht eine ausreichende Grundlage für die vorzunehmende sachlich-rechtliche Prüfung (vgl. BGH StV 1984, 64; Senatsbeschlüsse vom 16. März 2000 in 2 Ss 1157/99 und vom 18. Mai 2000 in 2 Ss 284/00).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil indessen nicht gerecht. Aus den Urteilsgründen kann allein entnommen werden, dass der Angeklagte betäubungsmittelabhängig ist und die sichergestellten Betäubungsmittel zum Zweck des Eigenkonsums in Besitz hatte. Demgegenüber fehlt es an ausreichenden Feststellungen zur Dauer seiner Betäubungsmittelabhängigkeit sowie zu der Art und Menge der von ihm konsumierten Betäubungsmittel. Diese Feststellungen bilden aber nicht nur die Grundlage für die Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB vorliegen. Sie sind auch für die Prüfung, ob im Hinblick auf die erheblichen Mengen unterschiedlicher Betäubungsmittel ein unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und nicht nur ein unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln vorliegt, erforderlich.

Bereits dieser Darlegungsmangel führt deshalb zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Darüber hinaus hätte aber auch der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben können, da das Amtsgericht nicht die Frage einer verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB erörtert hat. Dies stellt aber einen sachlich-rechtlichen Fehler eines Urteils dar, wenn - wie hier - tatsächliche Umstände erkennbar geworden sind, die auch nur die Prüfung einer verminderten Schuldfähigkeit nahe legen.

Nach den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung ist der Angeklagte nämlich betäubungsmittelabhängig und besaß am Tattag neben anderen Betäubungsmitteln 75,5 g Heroin, das nach den bisherigen Feststellungen nur für den Eigenkonsum bestimmt war. Unter weiterer Berücksichtigung der einschlägigen Vorstrafe aus dem Jahr 1992, die im Zusammenhang mit der genannten Menge auf einen langjährigen Drogenmissbrauch hindeutet, bestand deshalb für das Amtsgericht zwingender Anlass, die Frage einer verminderten Schuldfähigkeit zu erörtern. Hat ein Angeklagter eine längere Drogenkarriere hinter sich, ist es fehlerhaft, in den Urteilsgründen nicht auf die Frage einer Verminderung der Schuldfähigkeit einzugehen (vgl. Körner, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rdnr. 287 m.w.N.), wobei es dann allerdings von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ob ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen ist.

Vorliegend kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht - wenn es die Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht hätte - von einem minder schweren Fall des § 29 a BtMG ausgegangen wäre oder von der fakultativen Strafmilderungsmöglichkeit des § 21 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht hätte und zu einer niedrigeren Strafe gekommen wäre, so dass das Urteil auf dem dargelegten Begründungsmangel beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).

Die aufgezeigten Darlegungs- und Begründungsmängel führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrunde liegenden Feststellungen. Die Sache war deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herne-Wanne zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 S. 1 StPO).

Für die erneute Verhandlung weist der Senat noch auf folgendes hin: Sollten weitere Anhaltspunkte die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten erfordern, wird überdies zu überprüfen sein, ob dieses Gutachten sich nicht auch auf die Frage einer Unterbringung gemäß § 64 StGB zu erstrecken hat.

Ende der Entscheidung

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