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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.03.2008
Aktenzeichen: 2 Ss 96/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 44
StPO § 45
StPO § 329
Wenn das Ausbleiben im Berufungshauptverhandlungstermin mit einer Erkrankung entschuldigt werden soll, ist zumindest detailliert darzulegen, welche konkrete Symptomatik der behaupteten Erkrankung beim Angeklagten vorlag und ihn am Erscheinen in der Hauptverhandlung hinderte.
2 Ws 80/08 2 Ss 96/08 Beschluss

Strafsache

gegen E.W.

wegen Betruges

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 6. November 2007 und auf die Revision des Angeklagten vom 15. Oktober 2007 gegen das Urteil der Auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 15. Oktober 2007 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 03. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde und die Revision werden auf Kosten des Angeklagten (§ 473 Abs. 2 StPO) verworfen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 2. Juli 2007 wegen Betruges in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Dagegen hat der Angeklagte Berufung eingelegt, die das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil wegen unentschuldigten Ausbleibens im Hauptverhandlungstermin am 15. Oktober 2007 nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO verworfen hat. Der Angeklagte hat dagegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und Revision eingelegt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 6. November 2007 den Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten verworfen. Dagegen wendet sich der Angeklagte nunmehr mit der sofortigen Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsmittel des Angeklagten zu verwerfen.

II.

Weder der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung am 15. Oktober 2007 noch die Revision des Angeklagten gegen das am 15. Oktober 2007 ergangene Verwerfungsurteil haben Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihre Anträge wie folgt begründet:

"Die gemäß §§ 329 Abs. 3, 45, 46 Abs. 3 StPO statthafte und gemäß § 311 Abs. 1 und 2 StPO fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Gemäß § 329 Abs. 3 i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO sind - wenngleich eine Glaubhaftmachung auch noch später statthaft ist - innerhalb der einwöchigen Antragsfrist alle Tatsachen so vollständig vorzutragen, dass ihnen - als wahr unterstellt - die unverschuldete Verhinderung des Antragstellers ohne Weiteres entnommen werden kann. Hierzu bedarf es einer genauen Darstellung der Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und durch welche Umstände es zu der Versäumung der Berufungshauptverhandlung gekommen ist. Nach Fristablauf kann der Tatsachenvortrag allenfalls verdeutlicht oder ergänzt werden (zu vgl. Senatsbeschluss vom 18.09.2001 - 2 Ss 233/01 - m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 06.04.1999 - 4 Ws 94/99 -). Nach diesem Maßstab war von dem Angeklagten zu verlangen, zumindest detailliert darzulegen, welche konkrete Symptomatik der behaupteten Erkrankung bei ihm vorlag und ihn am Erscheinen in der Hauptverhandlung hinderte. Diesem Erfordernis genügt weder das ärztliche Attest vom 15.10.2007 (Bl. 183 d.A.) für sich allein noch in Verbindung mit dem ergänzenden Attest vom 17.10.2007 (Bl. 189 d.A.) und den ergänzenden Ausführungen des Angeklagten in den Schriftsätzen seines Verteidigers vom 15.10.2007 und 20.11.2007. Soweit dem Angeklagten in den ärztlichen Attesten Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird, entschuldigt dies sein Fernbleiben nicht, denn die Arbeitsunfähigkeit bleibt als Minus hinter der Reise- und Verhandlungsunfähigkeit zurück. Zwar verhält sich das ärztliche Attest vom 17.10.2007 erstmals auch über die Reisefähigkeit. Diesbezüglich hat die Strafkammer jedoch zutreffend hervorgehoben, dass der Umstand, dass sich der Angeklagte nicht den durch seinen Arzt für erforderlich gehaltenen Untersuchungen unterzogen und offenkundig auch keine weitere Behandlung - Verordnung von Medikamenten oder Ähnliches - stattgefunden hat, der wertenden Schlussfolgerung die tatsächliche Grundlage entzieht, zumal der Angeklagte unmittelbar vor der Hauptverhandlung mit der Behauptung einer anderen Erkrankung - Gehirnerschütterung - eine Verlegung des Hauptverhandlungstermins zu erreichen versucht hatte (Bl. 174, 175 d.A.). Die daraus resultierenden erheblichen Zweifel an dem Wahrheitsgehalt eines nunmehrigen Vorbringens führen dazu, dass ein erhöhter Maßstab an die von ihm zu verlangenden Darlegungen anzulegen ist. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Weg von der Wohnung des Angeklagten bis zu dem behandelnden Arzt immerhin 4,5 km beträgt, der von seiner Wohnung zu dem Sitz seines Verteidigers 17,2 km. Die Tatsache, dass das ärztliche Attest vom 15.10.2007 noch am selben Tage dem Verteidiger vorgelegt wurde, der es um 08.45 Uhr an das Landgericht Bochum per Telefax übermittelte, ist ein gewichtiges Indiz für die tatsächlich bestehende Reise- und Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten. Weder enthält nämlich das ärztliche Attest den Hinweis, dass dieses per Telefax durch den behandelnden Arzt an den Verteidiger übermittelt wurde noch hat der behandelnde Arzt dieses gegenüber dem Gericht anlässlich seiner unmittelbaren Befragung im Freibeweisverfahren angegeben oder der Angeklagte selbst oder sein Verteidiger vorgetragen. Wenn der Angeklagte allerdings in der Lage war, solche Wege auf sich zu nehmen - ein entsprechendes Routenplanungsprogramm weist für den Weg zu seinem Verteidiger immerhin 27 Minuten Fahrzeit mit einem Pkw aus - spricht nichts dafür, dass er nicht auch den Weg zum Gericht hätte antreten und an einer Hauptverhandlung teilnehmen können. Jedenfalls hätten diese Umstände weitere Darlegungen erforderlich gemacht.

Die fristgerecht eingelegte sowie frist- und im Ergebnis formgerecht begründete Revision erweist sich gleichfalls als unbegründet.

Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist bereits unzulässig, weil sie nicht den gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO an ihren Inhalt zu stellenden Anforderungen entspricht, denn sie stellt noch nicht einmal dar, welcher Verfahrensverstoß gerügt werden soll.

Die Sachrüge, das Berufungsgericht habe den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung verkannt, durch die allein die Urteilsgründe und der bis zum Erlass des Urteils durch den Senat von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensgang zur Überprüfung gestellt werden, führt nicht zur Aufdeckung eines Rechtsfehlers."

Diesen überzeugenden Ausführungen tritt der Senat nach eigener Sachprüfung bei. Er weist zusätzlich darauf hin, dass schon fraglich ist, ob es sich bei dem Vortrag, den der Angeklagte zur Stützung seines Wiedereinsetzungsantrags gebracht hat, um "neue Tatsachen" i.S. des § 329 Abs. 3 StPO gehandelt hat (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 329 StPO, Rn. 42 m.w.N.). Diese Frage konnte jedoch dahinstehen, da die Rechtsmittel des Angeklagten schon aus anderen Gründen zu verwerfen waren.

Ende der Entscheidung

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