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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.07.2001
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 23/2001
Rechtsgebiete: StVO, StVG, StPO


Vorschriften:

StVO § 3
StVG § 25 Abs. 2 a
StPO § 267
1. Die tatrichterlichen Feststellungen bei einer Atemalkoholmessung sind lückenhaft, wenn der Tatrichter nicht feststellt, dass das verwendete Messgerät im Zeitpunkt der Messung noch gültig geeicht. Dafür ist der Verweis auf eine Bescheinigung für die Ersteichung des Gerätes durch die Herstellerfirma nicht ausreichend.

2. Die frühere Anordnung der Fahrerlaubnissperre steht der Gewährung des Vollstreckungsaufschubs nach § 25 Abs. 2 a StVG nicht entgegen (Anschluss an OLG Dresden NZV 1999, 432 = NStZ 1999, 254 = DAR 1999, 222).


Beschluss Bußgeldsache gegen T.B.,

wegen Zuwiderhandlung gegen § 24 a Abs. 1 Nr. 1 StVG.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 15. August 2000 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum 14. August 2000 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 05.07.2001 durch den Richter an Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 OWIG, 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Bochum zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Bochum hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 1.000,00 DM verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von drei Monaten festgesetzt.

Das Amtsgericht hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene, der zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Hauptverhandlung keine Angaben gemacht hat, ist bisher wie folgt straf- und verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten:

....

3. Am 28.07.1998 wurde der Betroffene wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 DM verurteilt. Es wurde eine Fahrerlaubnissperre bis zum 27.11.1998 angeordnet. Durch Verfügung vom 30.11.1998 wurde dem Betroffenen wiederum eine Fahrerlaubnis erteilt.

....

Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung steht folgender Sachverhalt fest:

Am Morgen des 28.08.1999 gegen 6.25 Uhr befuhr der Betroffene mit dem Pkw BO-JB 3333 die Castroper Straße in Bochum aus Fahrtrichtung Nordring kommend. Auf der Castroper Straße war eine Kontrollstelle der Polizei eingerichtet, wo auch der Betroffene angehalten wurde. Der Betroffene wurde dann durch die Zeugen PM'in S. und PK J. überprüft. Da der Betroffene auf entsprechende Frage angegeben hatte, Alkohol getrunken zu haben und auch Alkoholgeruch wahrnehmbar war, führten die Beamten zunächst einen Alkoholtest mit dem Alkoholtestgerät durch. Nachdem dieser positiv verlaufen war, verbrachten die beiden Beamten den Betroffenen zur Polizeiwache. Dort wurde dem Betroffenen dann erklärt, dass nunmehr eine Atemalkoholmessung durchgeführt werden solle. Er wurde darauf verwiesen, dass die Messung mittels des Atemalkoholmessgerätes nur durchgeführt wird, wenn er hiermit einverstanden ist. Nachdem der Betroffene sein Einverständnis erklärt hatte, führten die Beamten eine Atemalkoholmessung mit dem Gerät ,,Alcotest 7110 Evidential" der Firma Dräger durch. Die Beamten, die beide in der Bedienung des Atemalkoholmessgerätes geschult sind, führten die Messung entsprechend der Bedienungsanleitung durch. Irgendwelche Besonderheiten, insbesondere irgendwelche Anhaltspunkte für eine Fehlmessung ergaben sich nicht. Die Messung ist in der Zeit zwischen 6.3.9 Uhr und 6.46 Uhr durchgeführt worden. Das Gerät zeigte als Messergebnis 0,42 mg/l an; diese Anzeige entspricht auch dem Aufdruck aus dem Ausdruck des Messgerätes."

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er zum einen die Messgenauigkeit des Atemalkoholmessgeräts 7110 Evidential rügt und zum anderen geltend macht, das verwendete Gerät sei nicht amtlich geeicht gewesen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch - vorläufig -Erfolg.

Das angefochtene Urteil war auf die Sachrüge hin aufzuheben, da die Feststellungen zur objektiven Tatseite den Schuldspruch nicht tragen. Die Feststellungen sind derzeit nämlich noch lückenhaft (§ 267 StPO).

Der Verurteilung liegt die von den beiden Zeugen durchgeführte Atemalkoholmessung zugrunde. Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. allgemein zu standardisierten Messverfahren BGHSt 39, 291 ff.; zur Atemalkoholmessung BGH NZV 2001, 267; BayObLG NZV 2000, 295 = zfs 2000, 313 = VA 2000, 16; OLG Hamm NZV 2000, 426 = DAR 2000, 534 = zfs 2000, 459; OLG Stuttgart VA 2000, 62 = BA 2000, 388). Das hat zur Folge, dass, wenn weder der Betroffene noch andere Verfahrensbeteiligte Zweifel an der Funktionstüchtigkeit des Messgerätes geltend machen, grundsätzlich keine näheren tatsächlichen Feststellungen zur Messmethode getroffen werden müssen, sondern grundsätzlich die Mitteilung der Messmethode und die ermittelten Atemalkoholwerte ausreichen (vgl. BGHSt 38, 291 für eine Geschwindigkeitsüberschreitung allgemeine Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und auch ständige Rechtsprechung aller Bußgeldsenate des OLG Hamm, vgl. u.a. zuletzt Beschluss des erkennenden Senats vom 12. Mai 2000 in 2 Ss OWi 408/20Q0 = MDR 2000, 881 = VM 2001, 4).

Für die Bestimmung der Atemalkoholkonzentration in Sinne des § 24 a Abs. 1 StVG unter Verwendung eines Atemalkoholmessgerätes hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 3. April 2001 - 4 StR 507/00 - abgedr. in NZV 2001, 267, allerdings zusätzliche Anforderungen an die zu treffenden Feststellungen gestellt. Danach ist der bei einer Messung unter Verwendung eines Atemalkoholmessgerätes, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, gewonnene Messwert nämlich nur dann ohne Sicherheitsabschläge verwertbar, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind. Der Amtsrichter muss also nicht nur die Messmethode benennen, sondern auch feststellen, mit welchem - Bauart zugelassenen - Messgerät die Messergebnisse gewonnen sind, dass dieses Messgerät im Zeitpunkt der Messung noch gültig geeicht war (vgl. auch Beschluss des Senats vom 5. Juni 2001 in 2 Ss OWi 81/2001) und dass die Bedingungen für das Messverfahren gewahrt sind.

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

Festgestellt werden die Messmethode und die gewonnenen Messwerte. Auch lässt sich den tatsächlichen Feststellungen noch hinreichend entnehmen, dass bei der Atemalkoholmessung die Verfahrensbestimmungen noch ausreichend beachtet worden sind: Zeitablauf seit Trinkende mindestens 20 Minuten, Kontrollzeit von 10 Minuten vor der Atemalkoholmessung, Doppelmessung im Zeitabstand von maximal 5 Minuten und der Einhaltung der zulässigen Variationsbreite zwischen den Einzelwerten, (BayObLG, a.a.O.; vgl. dazu auch OLG Hamm NZV 2000, 426). Es werden zwar nicht die beiden Einzelmesswerte genannt, jedoch ist das Urteil dahingehend zu verstehen, dass beide Messungen jeweils einen Wert von 0,42 mg/l ergaben.

Das angefochtene Urteil teilt indes nicht mit, ob das verwendete Messgerät im Zeitpunkt der Messung noch gültig geeicht war; erforderlich ist insoweit nach den §§ 1 Nr. 2, 2 Abs. 1 EichG, §§ 12 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang B Nr. 18.5, 32 Abs. 1 EichO eine halbjährliche Eichung (vgl. BGH NZV 2001, 267). Das Urteil gibt lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung an, dass die Tatsache der Eichung ,,durch eine entsprechende Bescheinigung der Herstellerfirma für die Ersteichung des Gerätes nachgewiesen" sei. Diese Angaben reichen nicht aus, zumal die Eichung nicht durch die Herstellerfirma vorzunehmen ist. Soweit das angefochtene Urteil zudem auch nicht ausdrücklich ausführt, ob das verwendete Messgerät die Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt besitzt, ist das im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es wird nämlich zumindest festgestellt, dass die Messung ,,mit dem Gerät "Alcotest 7110 Evidential" der Firma Draeger erfolgt ist. Da allgemein bekannt ist, dass dieses Gerät - praktisch das einzige, das in der Praxis für Atemalkoholmessungen Verwendung findet - die allgemeine Bauartzulassung erhalten hat (vgl. dazu BGH, a.a.O. mit weiteren Nachweisen), ist das ausreichend.

Nach alledem war das Urteil wegen nicht ausreichender tatsächlicher Feststellungen aufzuheben.

III.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat überdies auf Folgendes hin:

1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht der Verurteilung das Ergebnis der Atemalkoholmessung zugrunde gelegt hat, ohne davon allgemeine Sicherheitsabschläge zu machen. Diese sind nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 3. April 2001 - 4 StR 507/00 - abgedr. in NZV 2001, 267 - grundsätzlich nicht erforderlich, soweit die Messwerte - wie oben dargelegt - aufgrund eines Verfahrens gewonnen worden sind, das den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

2. Allerdings wird das Amtsgericht die Bestimmung des § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVO zu beachten haben, die zwingend anzuwenden ist, sofern gegen den Betroffenen weder in den zwei Jahren vor der vorliegenden Ordnungswidrigkeit noch bis zur Bußgeldentscheidung ein Fahrverbot verhängt worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Zwar ist gegen den Rechtsbeschwerdeführer durch (offenbar rechtskräftiges) Urteil vom 28. Juli 1998 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe verhängt und nach § 69 StGB die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet worden. Auch zielt nach Sinn und Zweck des § 25 Abs. 2 a StVG die Möglichkeit, die Wirksamkeit des Fahrverbots um bis zu vier Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung herauszuschieben, in erster Linie auf ,,Ersttäter" ab (vgl. Katholnigg, NJW 1998, 568, 572 ) . Jedoch steht die frühere Anordnung der Fahrerlaubnissperre der Gewährung des Vollstreckungsaufschub nach § 25 Abs. 2a StVG angesichts des eindeutigen Wortlauts dieser Bestimmung nicht entgegen ( so auch OLG Dresden, NZV 1999, 432f. = NStZ1999, 254DAR 1999, 222f.; vgl. auch Deutscher NZV 2000, 105, 110), auch wenn die Fahrerlaubnisentziehung gegenüber dem Fahrverbot die schwerwiegendere Folge einer Straftat ist. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des OLG Dresden an. Dabei kann es dahinstehen, ob es sich bei der Regelung des § 25 Abs. 2 a StVG, wonach ein Wahlrecht nur dann ausgeschlossen ist, wenn gegen den Betroffenen in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot verhängt, nicht aber wenn eine Fahrerlaubnissperre angeordnet worden ist, um ein Versäumnis des Gesetzgebers handelt (vgl. hierzu im Einzelnen Hentschel, DAR 1998, 138, 139; Bönke, NZV 1999, 432, 433).

Ende der Entscheidung

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