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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 31.07.2006
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 423/06
Rechtsgebiete: BKatV, StVG


Vorschriften:

BKatV § 4
StVG § 25
Wird vorgetragen, dass dem Betroffene drohe im Falle der Verhängung eines Fahrverbots der Verlust seines Arbeitsplatzes, muss das mit konkreten Tatsachen belegt werden, die eine solche Befürchtung als tatsächlich begründet erscheinen lassen.
Beschluss Bußgeldsache

gegen R.S.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 22. Februar 2006 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 31. 07. 2006 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gem. § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene.

Gründe:

I.

Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 22. Februar 2006 wegen fahrlässigen Fahrens eines Kraftfahrzeuges mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,36 mg/l zu einer Geldbuße in Höhe von 500,-- Euro verurteilt worden. Ferner ist ihm für die Dauer von 2 Monaten untersagt worden, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht angebracht worden, in der Sache selbst muss es jedoch entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft erfolglos bleiben.

Das Urteil lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu Folgendes ausgeführt:

"Die sachlichen Feststellungen des Amtsgerichts zur Atemalkoholkonzentration sind ausreichend; sie tragen den Schuld- und den Rechtsfolgenausspruch. Aus den Urteilsfeststellungen geht hervor, dass die Alkoholkonzentration durch Atemalkoholmessung mittels des Alkoholtestgerätes Dräger 7110 festgestellt worden ist, wobei es sich um ein standardisiertes Messverfahren handelt. Das Amtsgericht hat zum Messvorgang sowohl die Einhaltung der Eichfrist als auch den festgestellten Messwert mitgeteilt; weiterer Feststellungen bedurfte es vorliegend nicht, da Anhaltspunkte für die Annahme, die Bedingungen eines gültigen Messverfahrens seien nicht eingehalten worden, weder ersichtlich noch von dem Betroffenen vorgetragen worden sind. Auch des Abzugs eines Sicherheitsabschlages von dem festgestellten Messwert bedurfte es nicht. Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt, dass bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration i. S. von § 24 a Abs. 1 StVG unter Verwendung eines Atemalkoholmessgerätes, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, der gewonnene Messwert ohne weitere Sicherheitsabschläge verwertbar ist, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind (zu vgl. BGH, Beschluss vom 03.04.2001 - 4 StR 507/00 -). Ein ausreichender Ausgleich für verfahrensmäßige Messungenauigkeiten hat bereits bei der Festlegung der Grenzwerte in § 24 a StVG durch den Gesetzgeber Berücksichtigung gefunden.

Auch die Erwägungen zum Rechtsfolgenausspruch sind frei von Rechtsfehlern. Insbesondere begegnet es keinen Bedenken, soweit das Amtsgericht die gem. lfd. Nr. 241.1 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BkatV zu verhängende Regelgeldbuße zur Anwendung gebracht hat, deren Höhe bei Eintragung von bereits einer Entscheidung nach § 24 a StVG 500,-- Euro beträgt. Den Urteilsfeststellungen lässt sich entnehmen, dass gegen den Betroffenen wegen Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,54 mg/l durch Bußgeldbescheid der Stadt Herne vom 03.06.2004, rechtskräftig seit 19.06.2004, eine Geldbuße von 250,-- Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat Dauer festgesetzt worden sind. Demgemäß war diese vorangegangene Entscheidung bei der Festsetzung der Geldbuße nicht tilgungsreif und daher verwertbar.

Auch die Entscheidung, ein Fahrverbot von zwei Monaten gegen den Betroffenen zu verhängen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken nicht. Jene Sanktion bewegt sich einen Monat unter der für einen Verstoß der vorliegenden Art vorgesehenen Regeldauer des gemäß Nr. 241.1 der Anlage zu 3 1 Nr. 1 BkatV zu verhängenden Fahrverbots.

Entgegen der Auffassung des Betroffenen lässt auch die gerichtliche Entscheidung, nicht von der Verhängung eines Fahrverbots absehen zu wollen, Rechtsfehler nicht erkennen. Zwar kann gem. § 4 Abs. 4 BkatV in Ausnahmefällen unter Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden. Die Entscheidung, ob trotz der Verwirklichung des Regeltatbestandes der Bußgeldkatalog-Verordnung der Einzelfall einen solchen Ausnahmecharakter hat, dass ein Absehen von der Verhängung des Fahrverbots gerechtfertigt ist, unterliegt zwar in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung. Dem Tatrichter ist insoweit aber kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, sondern der ihm verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte und von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt. Insoweit unterliegt die verhängte Rechtsfolge hinsichtlich ihrer Angemessenheit in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, was insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnitts- oder Regelfalls anzunehmen ist, zu der auch die Frage der Verhängung des Fahrverbots oder des Absehens von einem solchen zu zählen ist. Soweit der Tatrichter vor diesem Hintergrund ein Absehen vom Regelfahrverbot aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen des Betroffenen für angemessen erachtet, entspricht es einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass hierzu nicht jeder berufliche Nachteil, sondern nur Härten ganz außergewöhnlicher Art Anlass geben, die ggf. im Verlust der wirtschaftlichen Existenz zu sehen sein können (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06.03.2006 - 3 Ss OWi 86/06 -). Zwar hat der Betroffene vorliegend - wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat - vorgetragen, im Falle der Verhängung eines Fahrverbots drohe der Verlust seines Arbeitsplatzes, dies hat er jedoch nicht mit konkreten Tatsachen belegt, die eine solche Befürchtung als tatsächlich begründet erscheinen lassen. Eines eingehenden Auseinandersetzens mit dieser Frage durch den Tatrichter bedürfte es jedoch nur, wenn eine solche Tatsachengrundlage vorhanden wäre, denn die angaben des Betroffenen zu beruflichen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten dürfen von dem Tatrichter nicht ungeprüft übernommen werden, sondern das Urteil muss sich mit der Glaubhaftigkeit seiner Angaben auseinandersetzen, da die Entscheidung über das Absehen vom Regelfahrverbot eingehend zu begründen und mit ausreichenden Tatsachen zu belegen ist (zu vgl. BGH MDR 1992, 278; OLG Hamm, NZV 1996, 118). Konkrete, eine weitergehende tatrichterliche Auseinandersetzung mit dieser Frage gebietende Tatsachen sind vorliegend jedoch nicht zu ersehen. Nach dem Vorbringen des Betroffenen hat der Arbeitgeber sich lediglich gegenüber anderen Mitarbeitern in anderen Fällen mehrmals dahingehend geäußert, ihnen drohe der Verlust des Arbeitsplatzes. Weder ist daher zu ersehen, ob es sich um gleichgeartete Verfehlungen gehandelt hat, die betroffenen Mitarbeiter ähnlich gelagerte Aufgaben wie der Betroffene im Unternehmen verrichtet haben und ob es nach solchen Ankündigungen des Arbeitgebers in anderen Fällen überhaupt zu entsprechenden Folgen gekommen ist.

Die Beharrlichkeit des Verhaltens des Betroffenen ist entgegen dem Rechtsbeschwerdevorbringen durch die hier aufgrund seiner Vorbelastung gegebenen Voraussetzungen von Nr. 241.1 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BkatV indiziert.

Der Rechtsbeschwerde ist daher ein Erfolg zu versagen."

Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der Senat zu Eigen und zum Gegenstand seiner Entscheidung. Soweit der Betroffene in der Rechtsbeschwerde weitere Gründe vorträgt, die ein Absehen von einem Fahrverbot rechtfertigen sollen, kann er damit nicht mehr gehört werden. Derartige Umstände sind vielmehr umfassend in der Tatsacheninstanz vorzutragen; sie können in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht nachgeholt werden.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Ende der Entscheidung

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