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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.08.2007
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 471/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Nachtzeit.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen. B.A.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit (fahrlässige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit).

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwerte vom 20. April 2007 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 08. 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht (als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Schwerte zurückverwiesen.

Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben, wie folgt begründet und in ihrer Stellungnahme Folgendes ausgeführt:

"I.

Das Amtsgericht Schwerte hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von 115,00 Euro festgesetzt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt (§ 25 StVG). Gegen dieses seinem Verteidiger am 15.05.2007 zugestellte (Bl. 51 d.A.) Urteil hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20.04.2007, eingegangen bei dem Amtsgericht Schwerte am 21.04.2007, Rechtsbeschwerde eingelegt (Bl. 45 d.A.) und diese mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 21.05.2007, eingegangen bei dem Amtsgericht Schwerte am 23.05.2007, begründet (Bl. 55 f d.A.).

II.

Die Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird, ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden. Sie hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Die amtsgerichtlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht.

Das Amtsgericht hat festgestellt, der Betroffene habe am 07.08.2006 gegen 00.05 Uhr mit seinem Pkw die A 1 in Schwerte in Fahrtrichtung Köln befahren. In Höhe km 68,5 habe er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten, indem er sein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von mindestens 144 km/h geführt habe. Diese Feststellungen beruhten auf den Aussagen der vernommenen Polizeibeamten Löhr und Scheffer. Diese hätten bekundet, sie seien dem Pkw des Betroffenen auf der A 1 ab Höhe km 68,5 in einem gleichbleibenden Abstand über eine Strecke von ca. 1.000 m gefolgt. In dieser Zeit hätten sie laut dem nicht justierten Tachometer ihres Pkw die in der Ordnungswidrigkeitenanzeige notierte Geschwindigkeit von 180 km/h abgelesen. Den Abstand zwischen ihrem Pkw und dem des Betroffenen hätten sie anhand der am Fahrbahnrand befindlichen Leitpfosten kontrolliert.

Der Betroffene habe in Abrede gestellt, nach Abzug des Toleranzwertes 144 km/h gefahren zu sein, da sein Wagen bauartbedingt nicht 180 km/h, sondern lediglich die im Fahrzeugschein eingetragene Höchstgeschwindigkeit von 157 km/h fahren könne.

Dies berücksichtigt die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung einer Geschwindigkeitsübeschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit außerhalb geschlossener Ortschaften entwickelten Grundsätze nicht in ausreichendem Maße. Bei den in der Regel schlechten Sichtverhältnissen zur Nachtzeit bedarf es im Urteil grundsätzlich näherer Feststellungen dazu, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren, ob der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschützt werden konnte und ob für die Schätzung des gleichbleibenden Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden waren (zu vgl. Senatsbeschluss vom 06.09.2005 - 2 Ss OWi 512/05 -). Auch sind Ausführungen dazu erforderlich, ob die Umrisse des vorausfahrenden Fahrzeugs und nicht nur dessen Rücklichter erkennbar waren (zu vgl. Senatsbeschluss vom 13.03.2003 - 2 Ss OWi 201/03 -).

Die Feststellungen des Amtsgerichts enthalten indes keinerlei Angaben zu den Beleuchtungsverhältnissen auf der A 1. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, ob die Strecke zwischen dem Fahrzeug der Polizeibeamten und denen des Betroffenen durch Scheinwerfer oder sonstige Lichtquellen aufgehalten war.

Auch lässt das Urteil ausreichende Ausführungen dazu, welchen Abstand die Polizeibeamten zum vorausfahrenden Fahrzeug gehalten haben, vermissen. Denn bereits bei einer Entfernung von ca. 150 m vermag das Scheinwerferlicht ein vorausfahrendes Fahrzeug in der Regel nicht mehr zu erreichen. Bei einem solchen Abstand genügt die alleinige Mitteilung im Urteil, die Beamten hätten sich bei der Abstandsfeststellung bzw. Abstandsschätzung an den Leitpfosten orientiert, nicht (zu vgl. Senatsbeschluss vom 13.03.2003, a.a.O.).

Vorstehende Grundsätze hat der Tatrichter vorliegend nicht beachtet, so dass das angefochtene Urteil nach alledem an einem Begründungsmangel leidet, der grundsätzlich zu dessen Aufhebung zwingt. Dieser Rechtsfehler führt nur dann ausnahmsweise nicht zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, wenn die vom Amtsgericht festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung auf einem uneingeschränkten und glaubhaften Geständnis des Betroffenen beruht (zu vgl. Senatsbeschluss vom 29.12.2006 - 2 Ss OWi 797/06 -). Ein solches liegt hier aber nicht vor, vielmehr hat der Betroffene die Geschwindigkeitsübertretung bestritten.

Ferner ist es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich zu überprüfen, ob die Erhöhung der Geldbuße rechtsfehlerfrei erfolgt ist. Das Amtsgericht Schwerte teilt in den Urteilsgründen lediglich mit, dass der Betroffene bereits am 22.01.2005 die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h überschritten hat und durch Bußgeldbescheid vom 16.02.2005 ein Bußgeld gegen den Betroffenen verhängt worden ist, ohne jedoch das Datum der Rechtskraft dieser Entscheidung mitzuteilen.

Darüber hinaus ist noch darauf hinzuweisen, dass das Amtsgericht dem Betroffenen - entgegen den vorliegenden Voraussetzungen von § 25 Abs. 2 a StVG - eine Organisationsfrist nicht eingeräumt hat.

Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Schwerte zurückzuverweisen."

Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend:

Ob die Rüge der Verletzung formellen Rechts in zulässiger Weise ausgeführt ist, kann dahinstehen, da jedenfalls die Aufhebung des angefochtenen Urteils bereits auf die in zulässiger Weise erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts zu erfolgen hatte.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass jedenfalls der vom Tatrichter vorgenommene Sicherheitsabschlag von 20 % von der von den Polizeibeamten abgelesenen und ermittelten Geschwindigkeit keinen rechtlichen Bedenken begegnet (vgl. hierzu insbesondere Senatsbeschluss vom 31. August 2006 in 2 Ss OWi 297/06 m. w. N, der ebenfalls ein zugrunde liegendes Urteil des Amtsgerichts Schwerte (5 OWi 875 Js 992/05 OWi (236/05) betraf). Abweichend von dem hier zu entscheidenden Fall war in jener Entscheidung jedoch der Abstand des deutlich erkennbaren vorausfahrenden Fahrzeugs und des nachfolgenden Polizeifahrzeugs mit 100 m mitgeteilt worden.

Ende der Entscheidung

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