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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 03.09.2009
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 611/09
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 80
Allein der Umstand, dass die Urteilsabsetzungsfrist in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen einer unvorhersehbaren Erkrankung des erkennenden Einzelrichters nicht eingehalten ist, gebietet nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Beschluss

Bußgeldsache

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde vom 17. Dezember 2008 gegen das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 12. Dezember 2008 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts am 03.09.2009 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Recklinghausen hat den Betroffenen mit Urteil vom 12. Dezember 2008 wegen Nichteinhaltens des erforderlichen Mindestabstandes als Führer eines Lastkraftwagens bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h auf einer Autobahn von 50 m zu einem vorausfahrenden Fahrzeug sowie wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften in mehr als 2 Fällen bis zu 15 km/h zu einer Geldbuße von 135,00 € verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 17. Dezember 2008 die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Ausweislich eines Vermerks der Direktorin des Amtsgerichts Recklinghausen vom 13. Februar 2009 ist die erkennende Bußgeldrichterin seit dem 19. Dezember 2008 dienstunfähig erkrankt. Das schriftliche Urteil ist infolge dessen nicht innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 80 Abs. 3, 79 Abs. 3 OWiG fertiggestellt worden. Das Hauptverhandlungsprotokoll ist nebst einer Abschrift des Vermerks der Direktorin des Amtsgerichts Recklinghausen vom 13. Februar 2009 dem Verteidiger des Betroffenen am 04. Juni 2009 zugestellt worden. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 12. Mai 2009 hat der Betroffene den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 7 StPO begründet.

II.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Obwohl bisher kein vollständiges, mit Gründen versehenes schriftliches Urteil zu den Akten gelangt ist, ist eine Entscheidung des Senats veranlasst. Denn infolge der am 04. Juni 2009 geschehenen Zustellung des den Urteilstenor enthaltenen Hauptverhandlungsprotokolls vom 12. Dezember 2008 ist die Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 345 Abs. 1 StPO i.V.m. § 80 Abs. 3 OWiG in Gang gesetzt worden. Im Falle des Fehlens der schriftlichen Urteilsgründe ist nämlich die formelle Zustellung der Urteilsformel ausreichend, um die Frist in Lauf zu setzen (vgl. BGH, Vorlagebeschluss vom 06. August 2004 - 2 StR 523/03, abgedruckt in: NJW 2004, 3643 - 3645; BayObLG, NZV 1998, 82; LG Zweibrücken, MDR 1991, 894), wenn für den Betroffenen erkennbar ist, dass die zugestellte Urkunde die für seine Rechtsmittelbegründung maßgebliche Fassung darstellt. Dies gilt insbesondere im Falle irreparablen Fehlens der Gründe, wofür vorliegend - angesichts der weiteren andauernden Erkrankung der zuständigen Amtsrichterin - einiges spricht.

2.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag, die Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen, u.a. wie folgt begründet:

Da das Amtsgericht Recklinghausen den Betroffenen zu einer Geldbuße von nicht mehr als 250,00 € verurteilt hat, ist die Rechtsbeschwerde gem. § 80 Abs. 1 OWiG nur zuzulassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.

Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht erhoben.

Die Überprüfung des Urteils führt auch nicht zur Aufdeckung einer Rechtsfrage, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alternative OWiG) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alternative OWiG) gebietet. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde aus diesem Grund kommt unter anderem bei Rechtsfragen in Betracht, die noch offen, zweifelhaft oder bestritten sind (zu vgl. Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 80 Rdnr. 3 m.w.N.).

Allein der Umstand, dass die Urteilsabsetzungsfrist vorliegend nicht eingehalten ist, gebietet entgegen dem Vorbringen der Antragsbegründung die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht.

Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die F rage, unter welchen Voraussetzungen eine Überschreitung der Frist des § 275 Abs. 1 S. 1, S. 2 StPO gem. § 275 Abs. 1 S. 4 StPO zulässig sein kann, in der Rechtsprechung hinreichend geklärt ist. Insbesondere gehört hierzu auch eine unvorhersehbare Erkrankung des erkennenden Einzelrichters (zu vgl. Senatsbeschluss, a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflg., § 275 Rdnr. 13).

Die Rechtsbeschwerde ist vorliegend auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

Allein der Umstand, dass lediglich die Urteilsformel, nicht aber ein Urteil mit Gründen vorliegt, gebietet die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht. Denn im Zulassungsverfahren nach § 80 OWiG sind dessen Voraussetzungen nicht ausschließlich anhand der Urteilsgründe zu prüfen, vielmehr sind diesbezüglich auch der Bußgeldbescheid, der Zulassungsantrag sowie sonstige Umstände heranzuziehen (zu vgl. BGH, NJW 1996, 3157). Insbesondere in den Fällen, in denen - wie vorliegend - lediglich die Verfahrensrüge erhoben wird, sind die Urteilsgründe nur von geringer Bedeutung. Das Fehlen derartiger Gründe ist jedenfalls für die Prüfung der Verfahrensgarantien i.S.d. § 338 StPO und für die ihr vorgeschaltete Prüfung, ob die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist, ohne Belang (zu vgl. BGH, a.a.O.).

Soweit das Oberlandesgericht Celle in einem Beschluss vom 22.12.1992 (5 Ss OWi 51/92, veröffentlicht in NZV 1993, 449) die Rechtsbeschwerde für zulässig erklärt hat, wenn die Urteilsabsetzungsfrist nach dem Ablauf von vier Monaten nicht eingehalten worden ist, gibt diese Entscheidung zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass. So unterscheidet sich die dort zugrundeliegende Fallkonstellation bereites dadurch, dass dort das Urteil nach Ablauf der Frist zur Akte gelangt ist, mithin dessen Überprüfung auf materiell-rechtliche Fehler möglich gewesen ist und dass Ausnahmegründe des § 275 Abs. 1 StPO nicht "ersichtlich" waren. Ähnlich dürften auch die Sachverhalte gelagert gewesen sein, die den Entscheidungen des Bayerischen Oberlandesgericht vom 28.02.1996 (1 ObOWi 76/06, veröffentlichter Leitsatz in NZV 1996, 378) - sowie des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18.09.2008 (2 Ss OWi 432/08; zu vgl. NStZ-RR 2007 57 f.) zugrunde gelegen haben. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in seiner Entscheidung u.a. auch darauf abgestellt, dass allein die verspätete Urteilsabsetzung ohne zulässigen Grund nach " 275 Abs. 1 S. 4 StPO es nicht gebietet, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (zu vgl. OLG Frankfurt a.M., a.a.O., 58). Angesichts des Umstandes, dass vorliegend bereits eine zulässige Überschreitung der Absetzungsfrist vorliegt, ist auch ohne Bedeutung, wenn es aufgrund der Erkrankung der Richterin des Amtsgerichts Recklinghausen zu weiteren Fällen nicht rechtzeitiger Urteilsabsetzung gekommen sein sollte. Daher liegt - im Gegensatz zu der Fallkonstellation des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - auch ein Verfahrensverstoß gegen elementare Grundregeln des Verfahrens mit der Gefahr der Wiederholung nicht vor.

Da auch weder anhand des Bußgeldbescheids, des Hauptverhandlungsprotokolls noch aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags Rechtsfragen erkennbar sind, die noch ungeklärt sind und deren Beantwortung die Zulassung der Rechtsbeschwerde gebieten könnten, ist der Zulassungsantrag unbegründet."

Diesen in jeder Hinsicht zutreffenden Entscheidungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an.

Ende der Entscheidung

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