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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 01.12.2005
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 811/05
Rechtsgebiete: StVO


Vorschriften:

StVO § 23
Ordnungswidrig i.S.v. § 23 Abs. 1a StVO handelt auch, wer in seinem Pkw mit laufendem Motor vor einer roten Ampelanlage wartet und sein Mobiltelefon zur Entgegennahme eines Anrufs in die Hand nimmt. Ohne Belang ist dabei, ob eine Telefonverbindung tatsächlich hergestellt wird.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen O.M.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag des Betroffenen vom 16. September 2005 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 16. September 2005 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 01. 12. 2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht (als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Bochum hat gegen den Betroffenen durch Urteil vom 16. September 2005 wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit (Verstoß gegen das Handy-Verbot im Straßenverkehr) gemäß den §§ 23 Abs. 1a, 49 StVO, 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 40,00 €URO verhängt. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Betroffenen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig, da er frist- und formgerecht angebracht worden ist.

Da die festgesetzte Geldbuße nicht mehr als 100,00 Euro beträgt, richten sich die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 OWiG. Danach ist die Rechtsbeschwerde in den Verfahren mit den sogenannten weniger bedeutsamen Fällen nur zulässig zur Fortbildung des materiellen Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 OWiG) oder, wenn das Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Bei einer Verurteilung bis 100,00 Euro kann die Rechtsbeschwerde nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden; die Zulassung ist insoweit bei Verstößen bis 100,00 Euro noch weiter eingeschränkt.

Die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils führt vorliegend nicht zur Aufdeckung einer Rechtsfrage, die noch offen, zweifelhaft oder bestritten ist (Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 80 Rd. 3 mit weiteren Nachweisen). Das Vorbringen in dem Zulassungsantrag lässt eine solche Rechtsfrage nicht erkennen. Insbesondere ist der Wortlaut des § 23 Abs. 1 a StVO nicht klärungsbedürftig (vgl. hierzu die Beschlüsse des erkennenden Senats vom 25. November 2002 in 2 Ss OWi 1005/02, vom 06. Juli 2005 in 2 Ss OWi 177/05 und vom 14. April 2005 in 2 Ss OWi 219/05,http://www.burhoff.de, in denen der Senat hierzu bereits ausführlich Stellung genommen hat).

Das Amtsgericht hat u. a. folgende Feststellungen getroffen:

"Am 24.01.2005 befuhr der Betroffene gegen 11.55 Uhr mit dem Pkw BMW, amtliches Kennzeichen XXXXXXX, in Bochum die Hattinger Straße. Während er an einer Rotlicht zeigenden Ampel wartete, nahm er sein Handy in die Hand, um ein eingehendes Gespräch entgegenzunehmen. Die Verbindung mit dem Gesprächspartner kam letztlich nicht zustande. Während des gesamten Vorgangs war der Motor des vom Betroffenen geführten Fahrzeugs in Betrieb."

Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, wenn er "hierfür das Mobiltelefon aufnimmt oder hält". Nicht erforderlich ist, dass tatsächlich eine Telefonverbindung hergestellt wird. Zur Auslegung des Begriffs "Benutzung" im Sinne dieser Vorschrift hat der erkennende Senat überdies in seinem Beschluss vom 25. November 2002 in 2 Ss OWi 1005/02, abgedruckt in NZV 2003, 98, ausgeführt, dass nicht differenziert wird, auf welche Weise das Mobiltelefon benutzt wird. Es ist vielmehr jegliche Nutzung untersagt, bei der das Mobiltelefon in der Hand gehalten wird. Ziel des Gesetzgebers war es zu gewährleisten, "dass der Fahrzeugführer während der Benutzung des Mobil- oder Autotelefons beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat. Die Benutzung des Mobiltelefons schließt daher neben dem Gespräch im öffentlichen Fernnetz sämtliche Bedienfunktionen wie das Anwählen, die Versendung von Kurznachrichten oder das Abrufen von Daten im Internet etc. ein. Der Fahrzeugführer darf das Mobil- oder Autotelefon benutzen, wenn er dazu das Telefon oder den Telefonhörer nicht aufnehmen oder halten muss" (Begründung zur ÄnderungsVO v. 11. Dezember 2000 (VBl. 2001, 8).

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 16. November 2005 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Betroffene selbst eingeräumt hat, sein Handy zur Entgegennahme eines Anrufs in die Hand genommen zu haben. Unabhängig davon, ob die gewünschte Verbindung tatsächlich zustande kommt, liegt in dieser Aufnahme des Mobiltelefons unstreitig eine bestimmungsgemäße Benutzung des Telefons im engsten Sinn. Ob das Handy nun in die Hand genommen wird, um selbst einen anderen Teilnehmer anzuwählen oder aber um ein Gespräch entgegenzunehmen, ist unerheblich, da es sich in beiden Fällen um einen echten Gebrauch der Funktionen des Handys handelt.

Soweit die Rechtsbeschwerdebegründung vorträgt, eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des materiellen Rechts sei erforderlich, weil der Betroffene mit seinem Fahrzeug zum Zeitpunkt der Nutzung des Mobiltelefons nicht gefahren sei, sondern mit laufendem Motor vor einer Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage gewartet habe, wird ebenfalls keine Rechtsfrage aufgedeckt, die eine Senatsentscheidung erfordert. Zum einen wird das Halten vor einer roten Ampel noch vom fließenden Verkehr umfasst, zum anderen beantwortet § 23 Abs. 1 a S. 2 StVO die aufgeworfene Frage eindeutig. Danach liegt eine Ordnungswidrigkeit lediglich dann nicht vor, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist. In diesen Fällen ist eine Beeinträchtigung des Fahrzeugführers, der die Hände aufgrund des gehaltenen Telefons nicht für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat, nicht zu befürchten, denn eine derartige Aufgabe ist bereits technisch ohne einen erneuten Startvorgang ausgeschlossen. Demgegenüber dokumentiert der laufende Motor, dass eine aktive Teilnahme am Straßenverkehr erfolgt und jederzeit der Fahrzeugführer in der Lage sein muss, seine Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe einzusetzen. Aufgrund des eindeutigen gesetzlichen Wortlautes ist für eine dem Gesetzestext widersprechende Fortbildung kein Raum ist.

Schließlich ist auch die Schuldform bei der Handy-Benutzung durch Kraftfahrzeugführer hinreichend geklärt. Das verbotswidrige Benutzen eines Mobiltelefons während der Fahrt wird regelmäßig nur vorsätzlich begangen werden können. Dieser Umstand und auch die Erfahrung, dass ein Verwarnungsgeld für die notwendige Abschreckung nicht ausreicht, haben den Verordnungsgeber bewogen, die Ahndung zu verschärfen und den Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO mit Wirkung ab dem 01. April 2004 aus der Bußgeldkatalogverordnung zu streichen. Diesbezügliche Regelsätze finden sich jetzt in dem vom Präsidenten des Kraftfahrtbundesamtes aufgrund des § 4 Abs. 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Datenübermittlung mit dem Verkehrszentralregister im Einvernehmen mit den zuständigen obersten Landesbehörden erlassenen bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog. Danach beträgt die Sanktion für Zuwiderhandlungen gegen § 23 Abs. 1 a StVO bei Kraftfahrern 40,- Euro (TBNR 123500) und bei Radfahrern 25,- Euro (TBNR 123012). Der bundeseinheitliche Tatbestandskatalog hat die Rechtsqualität einer Verwaltungsrichtlinie. Die dortigen Regelsätze haben dementsprechend die Bedeutung von internen Weisungen an die Verwaltungsbehörden und sind lediglich für diese verbindlich. Die Gerichte müssen demgegenüber die Geldbuße in Ausübung des ihnen durch § 17 OWiG eingeräumten Ermessens festsetzen.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Verletzung rechtlichen Gehörs kommt ebenfalls nicht in Betracht; eine entsprechende Rüge ist auch nicht erhoben worden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).

Ende der Entscheidung

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