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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.05.2009
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 934/08
Rechtsgebiete: StVO


Vorschriften:

StVO § 29
Zu den erforderlichen Feststellungen hinsichtlich der Frage der Öffentlichkeit des Verkehrsraums bei einem Kundenparkplatz.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen 1. K. und 2. S.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwerte vom 06. Juni 2008 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 14. 05. 2009 durch auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerden - an das Amtsgericht Schwerte zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Schwerte hat die Betroffenen jeweils wegen vorsätzlicher Teilnahme an einem nicht genehmigten Kraftfahrzeugrennen zu einer Geldbuße in Höhe von 150,- € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene Kimm fuhr am 9.4.2007 gegen 22:30 mit seinem Pkw in Richtung der Straße am Dohrbaum in Schwerte, wo sich der Parkplatz einer Filiale der Firma K. befindet. Der Betroffene S., in dessen Fahrzeug die Zeugen B. und D. saßen, fuhr zu dieser Zeit ebenfalls durch Schwerte. Der Betroffene S. und die beiden Zeugen sahen das Fahrzeug des Betroffenen K. und folgten diesem zum Parkplatz der Firma K.. Der Parkplatz der Firma K. ist ein Treffpunkt der Betroffenen und ihrer Freunde.

Die Betroffenen fuhren mit ihren Fahrzeugen auf den Parkplatz auf. Ihnen folgte ein weiteres, drittes Fahrzeug, dessen Führer nicht bekannt ist. Auf dem Parkplatz begannen die beiden Betroffenen und der Führer des dritten Fahrzeuges im Kreis hintereinander her zu fahren. Sie beschleunigten derart, dass die Wagen in den Kurven mit quietschenden Reifen ausbrachen. Die Fahrzeuge fuhren auf dem Parkplatz mehrfach im Kreis herum wobei die Führer der Fahrzeuge versuchten, sich gegenseitig zu überholen. Es kam auch zu Überholvorgängen.

Die Zeugen D., Polizeimeister und K., Polizeihauptmeister, wurden am Abend des Tattages von der Polizeileitstelle wegen gemeldeter Ruhestörung zu dem Spielplatz in der Nähe des Parkplatzes der Firma K. beordert. Als sie dort eintrafen, hörten sie vom nahe gelegenen Parkplatz das Geräusch quietschender Reifen. Die beiden Zeugen begaben sich dann zu Fuß zum Parkplatz, wobei sie den Weg vor sich mit Taschenlampen ausleuchteten. Auf dem Parkplatz beobachteten sie dann, wie die Betroffenen wie beschrieben herumfuhren.

Als die Betroffenen die Beamten bzw. das Licht der Taschenlampen bemerkten, stoppten sie ihre Fahrt auf dem Parkplatz, während der dritte Fahrer mit seinem Pkw vom Parkplatz fuhr und nicht mehr identifiziert werden konnte."

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

"Gegen die Betroffenen ist die Regelbuße gemäß dem Bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog, Stand 1.3.2007, von jeweils 150,00 € zu verhängen.

Umstände, die zu einem Abweichen von der Regelbuße veranlassen könnten, sind nicht ersichtlich.

Des weiteren ist gegen die Betroffenen ein Fahrverbot von einem Monat zu verhängen. Die Vier-Monats-Frist gemäß § 25 Abs. 2a S.1 StVG ist zu gewähren."

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Betroffenen mit ihren Rechtsbeschwerden, mit denen sie jeweils die Verletzung materiellen Rechts rügen.

II.

Die gem. § 79 Abs.1 Nr.2 OWiG statthaften und zulässigen Rechtsbeschwerden haben in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift hierzu folgendes ausgeführt:

"Die gem. § 79 Abs.1 Nr. 2 OWiG statthaften Rechtsbeschwerden sind rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden und in der Sache ist ihnen ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht zu versagen.

Nach der auf die erhobene Sachrüge hin vorzunehmenden Überprüfung des angefochtenen Urteils tragen die Feststellungen eine Verurteilung der Betroffenen an der vorsätzlichen Teilnahme an einem nicht genehmigten Autorennen gem. § 29 Abs.1 StVO nicht.

Nach dieser Vorschrift sind Fahrzeugrennen im öffentlichen Verkehrsraum verboten (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflg., § 29 StVO, Rdnr. 2). Aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht hinreichend deutlich, ob es sich bei dem Parkplatz der Filiale K., auf dem das streitgegenständliche Autorennen stattgefunden haben soll, um einen "öffentlichen Verkehrsraum" handelt. Die Ausführungen des Amtsgerichts Schwerte erschöpfen sich insoweit in der Feststellung, dass sich die Betroffenen am Tattag gegen 22:30 Uhr auf diesem Parkplatz getroffen haben. Weitergehende Feststellungen dazu, ob dieser Parkplatz ausdrücklich oder stillschweigend von der Firma K. für jedermann zur Benutzung zugelassen ist (zu vgl. Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Auflg., § 1 StVO, Rdnr. 6, 8), fehlen. So ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen zudem auch nicht, ob der Parkplatz - wie von den Betroffenen vorgetragen - ein Privatgrundstück ist, ob dieses mit einer Schranke gesichert ist, ob diese funktionsfähig war und nur von Kunden der Firma K. und damit zu den Öffnungszeiten betätigt werden kann. Auch fehlen Ausführungen dazu, ob das Parkplatzgelände mit Wissen und Duldung der Firma K. auch zu anderen Zwecken benutzt wird. Allein der Umstand, dass es sich bei der Örtlichkeit um einen Parkplatz eines Einkaufsmarktes handelt, lässt einen sicheren Schluss auf dessen "Öffentlichkeit" nicht zu (zu vgl. die Einzelfallkonstellationen bei Hentschel, a.a.O., § 1 StVO, Rdnr. 13 ff.).

Da insoweit eine weitere Sachaufklärung möglich ist und eine Verurteilung der Betroffenen wegen der vorsätzlichen Teilnahme an einem nicht genehmigten Straßenrennen gemessen an den Anforderungen der Senatsrechtsprechung (zu vgl. Senatsbeschluss vom 24.08.2005 - 2 Ss OWi 19/05 -) nicht ausgeschlossen erscheint, kommt ein Freispruch der Betroffenen derzeit nicht in Betracht.

Darüber hinaus sind auch die Ausführungen des Amtsgerichts Schwerte zu der Rechtsfolgenbemessung nicht frei von Rechtsfehlern. Das Amtsgericht Schwerte hat zur Begründung der Rechtsfolgen ausgeführt, dass gegen die Betroffenen die Regelbuße des bundeseinheitlichen Tatbestandskataloges von jeweils 150,00 € zu verhängen sei, da Umstände, die zu einem Abweichen von der Regelbuße veranlassen könnten, nicht ersichtlich seien. Zudem sei gegen die Betroffenen ein Fahrverbot von einem Monat gem. der §§ 24, 25 StVG zu verhängen. Die gem. § 26 a StVG bundeseinheitlich erlassene Bußgeldkatalogverordnung sah zu dem Tatzeitpunkt für Verstöße nach § 29 Abs. 1 StVO weder einen Regelbußgeldsatz noch ein Fahrverbot als Regelfolge i.S. von § 2 Abs. 1 BKatV vor. Lediglich dem vom Ministerium für Inneres und Justiz NW herausgegebenen Tatbestandskatalog für Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten ist unter § 29 StVO Tatbestandsnummer 129500, S. 160/0 Entsprechendes zu entnehmen. Derartige verwaltungsinterne Richtlinien für die Bußgeldbemessung können aber für das Gericht allenfalls grobe Orientierungshilfen darstellen, die eine Prüfung der Einzelfallumstände nicht entbehrlich machen und die unter dem Gesichtspunkt einer möglichst gleichmäßigen Behandlung gleichgelagerter Sachverhalte nur dann Beachtung finden müssen, wenn sie festgestellter Maßen in der Praxis einen breiteren Anwendungsbereich erreicht haben (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 20.07.2004 - 1 Ss OWi 29/04 -).

Dass sich das Amtsgericht dieser Grundsätze bewusst war, lässt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Vielmehr ist zu besorgen, dass der Tatrichter insoweit irrig von einer zu weitgehenden Bindungswirkung ausgegangen ist und infolge dessen insbesondere von einer eingehenden Begründung der Voraussetzungen für die Verhängung des Fahrverbots gem. § 25 Abs. 1 StVG abgesehen hat.

Diese Nebenfolge hat das Amtsgericht indes in keiner Weise nachvollziehbar begründet. Konkrete Ausführungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 StVG fehlen ebenso wie zu den - "nicht in erheblicher Weise" - vorhandenen Vorbelastungen der Betroffenen und zu der Frage, ob der Zeitablauf sowie die Örtlichkeit des Rennens, aufgrund derer eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer im Grunde nicht bestanden hat, Berücksichtigung gefunden haben."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.

Ende der Entscheidung

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