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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: 2 U 38/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 157
BGB § 284
BGB § 286 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 174.325,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus

a. aus einem Betrag von 12.439,08 Euro seit dem 16.11.2000

b. aus einem Betrag von 11.778,76 Euro seit dem 16.12.2000

c. aus einem Betrag von 10.424,91 Euro seit dem 16.01.2001

d. aus einem Betrag von 10.278,82 Euro seit dem 16.02.2001

e. aus einem Betrag von 10.366,85 Euro seit dem 16.03.2001

f. aus einem Betrag von 11.136,92 Euro seit dem 16.04.2001

g. aus einem Betrag von 10.574,21 Euro seit dem 16.05.2001

h. aus einem Betrag von 11.251,77 Euro seit dem 16.06.2001

i. aus einem Betrag von 11.732,81 Euro seit dem 16.07.2001

j. aus einem Betrag von 13.519,85 Euro seit dem 16.08.2001

k. aus einem Betrag von 13.887,55 Euro seit dem 16.09.2001

l. aus einem Betrag von 12.345,29 Euro seit dem 16.10.2001

m. aus einem Betrag von 13.618,11 Euro seit dem 16.11.2001

n. aus einem Betrag von 11.278,56 Euro seit dem 16.12.2001

o. aus einem Betrag von 9.681,65 Euro seit dem 16.01.2002

zu zahlen.

Der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Beträge abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von 174.325,22 € nebst sich aus dem Tenor ergebender Zinsen, eines der Höhe nach unstreitigen Gesamtbetrages, der in der Zeit von Oktober 2000 bis September 2001 in Teilbeträgen, die sich aus dem Zinsantrag ergeben, von den jeweiligen Stromrechnungen seitens der Beklagten nicht bezahlt wurden. Die Einzelbeträge errechnen sich zum einen aus einem Aufschlag von 0,29 € je Kilowattstunde im Hinblick auf das am 1. 4. 2000 in Kraft getretene Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien (EEG; BGBL. 2000 I, 305 ff.) sowie aus einem Aufschlag von 0,26 € je Kilowattstunde bezogen auf das am 18.5.2000 in Kraft getretene Gesetz zum Schutz der Stromerzeugung aus Kraft- Wärme- Kopplung (KWKG; BGBL. 2000 I, 703f).

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die S- E AG, hatte unter anderen mit der Beklagten als Teilnehmerin eines Stromabnahmepools für diese Lieferbeziehung ab 1998 einen Rahmenvertrag ausgehandelt. Zur Entstehungsgeschichte des Vertrages wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bl. 141 RS ff d. A. Bezug genommen. Dieser Vertrag wurde mit einer Laufzeit von drei Jahren (1. 1. 1999 - 31. 12. 2001) im Frühjahr 1999 von den Vertragsparteien im Umlaufverfahren unterzeichnet, zuletzt von der Klägerin am 12. 5. 1999. Auf den Vertrag, der sich bei den Anlagen zum Schriftsatz vom 3. 3. 2004 in der Anlagensammlung befindet, wird inhaltlich Bezug genommen. Über die hier streitigen Zahlungspositionen verhält sich der Rahmenvertrag nicht ausdrücklich.

Die Klägerin ist unter Bezugnahme auf zwei Urteile des BGH vom 22. 12. 2003 (VII ZR 90/02 und VIII ZR 310/02) der Ansicht, der Rahmenvertrag enthalte eine Regelungslücke, die dahingehend zu schließen sei, dass die Abnehmer die betreffenden Kosten übernehmen müssen.

Dies ergebe sich in Anlehnung an die beiden genannten Urteile zum einen daraus, dass in den Vertrag die "Allgemeinen und technischen Regelungen" der Klägerin einbezogen seien und die dortige allgemeine Geschäftsbedingung 2.2 entsprechend ergänzend auszulegen sei. Sie lautet: "Soweit künftig eine Kohlensteuer, eine Energiesteuer oder sonstige die Beschaffung, die Übertragung oder die Verteilung von elektrischer Energie belastende Steuern oder Abgaben irgendwelcher Art wirksam werden sollten, trägt diese der Kunde, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt."

Die streitige Kostentragungspflicht der Beklagten ergebe sich ferner aus der Preisregelung in Ziffer 3 des Rahmenvertrages, die ebenfalls ergänzend in diesem Sinne auszulegen sei. Im Hinblick darauf, dass gemäß Ziffer 3 des Vertrages verbrauchsabhängige Steuern nicht in die Preisbildung mit einbezogen seien, die Beklagte das Risiko deren Erhöhung tragen müsste, entspreche es dem hypothetischen Willen der Parteien, dass auch sonstige durch staatliche Eingriffe veranlaßte Mehrkosten von der Beklagten als Stromverbraucherin zu übernehmen seien.

Die Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, dass die Klägerin die sich aus den genannten Gesetzen ergebenen Mehrbelastungen tragen müsse. Es gebe keine Regelungslücke. Das Problem zukünftiger staatlicher Mehrbelastungen für Energieversorgungsunternehmen durch deren Verpflichtung zur Abnahme und Vergütung erneuerbarer Energien sei damals schon öffentlich und insbesondere in den Medien diskutiert worden (vgl. die Presseauschnitte in der Anlagensammlung). Die Mitglieder des Strompools hätten deshalb für die Laufzeit des Rahmenvertrages erfolgreich einen "Festpreis" ausgehandelt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die an den Vertragsverhandlungen für den Rahmenvertrag beteiligten Zeugen L2, O, I2, E und S vernommen. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. 1. 2005, Bl. 130ff d.A., Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Es bestehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Möglichkeit zur ergänzenden Vertragsauslegung. Es fehle an einer Regelungslücke, für deren Vorhandensein die Klägerin beweispflichtig sei. Denn es könne zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass mit dem Vertrag eine bewußt abschließend gedachte Regelung getroffen worden sei.

Es könne nicht festgestellt werden, dass die Ziffer 2.2 der "Allgemeinen und technischen Regelungen" der Klägerin Vertragsbestandteil geworden sei, so dass die von der Klägerin gewünschte ergänzende Auslegung dieser Klausel nicht in Betracht komme. Außerdem sei die in Ziffer 3 Absatz 2 des Rahmenvertrages getroffene Vergütungsregelung von ihrem Sinngehalt her nicht gleichwertig zu Ziffer 2.2 der "Allgemeinen und technischen Regelungen", so dass auch auf diese Klausel eine ergänzende Vertragsauslegung zu Gunsten der Klägerin nicht gestützt werden könne. Während Ziffer 2.2 zu Recht entnommen werden könne, alle durch künftige staatliche Eingriffe verursachten Mehrkosten - über die ausdrücklich genannten Steuern und Abgaben hinaus - habe im Zweifel der Stromkunde zu zahlen, verfolge Ziffer 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages den gegenteiligen Ansatz. Die Entstehungsgeschichte gebe zusätzlich Anlass, die Regelung eng auszulegen.

Hinsichtlich der Urteilsbegründung im Einzelnen wird auf Bl. 144 ff Bezug genommen.

Mit der Berufung vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen, ihr Anspruch ergebe sich in erster Linie aus einer ergänzenden Vertragsauslegung der Ziff. 3. Abs. 2 des Rahmenvertrages vom 5. 3./ 12. 5. 1999.

Ferner habe das Landgericht an die Streichung der Bezugnahme auf die "Allgemeinen und technischen Regelungen" in Ziffer 2.1 des Rahmenvertrages zu weitreichende Folgen geknüpft. Eine Streichung habe in Bezug auf die Frage, ob eine Regelungslücke bestehe, keine Bedeutung. Außerdem sei die Regelung in 2.2 der "Allgemeinen und technischen Regelungen" inhaltlich weitest gehend identisch mit Ziffer 3 des Rahmenvertrages, der gelte.

Die Regelungslücke könne nur dann nicht planwidrig sein, wenn nach dem Vertrag die Klägerin schlechterdings jede Kostenerhöhung nicht auf den Kunden überwälzen können sollte. Dementsprechend habe die Beklagte in erster Instanz sich stets auf eine Festpreisabrede berufen. Eine solche sei aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht getroffen, außerdem über die hier streitigen Kosten nicht gesprochen worden.

Ferner greift die Berufung die vom Landgericht vorgenommene Beweislastverteilung bezogen auf eine planwidrige Regelungslücke an. Es müsse differenziert werden. Die Frage der Regelungslücke sei allein nach rechtlicher Würdigung zu entscheiden. Eine Regelungslücke rechtfertige regelmäßig die ergänzende Vertragsauslegung, es sei denn es lägen zwei Ausnahmefälle vor, die Parteien haben den Vertrag bewußt offen gelassen oder es sollte eine Regelung getroffen werden, die auch die Regelungslücke mit abdeckt.

Diese Ausnahmetatbestände, die sich aus der Urkunde nicht ergäben, müßten von der Beklagten bewiesen werden. Den Beweis habe sie nicht erbracht.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte - wie erkannt - zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch die Beklagte vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der im Tenor genannten, der Höhe nach unstreitigen Klageforderung.

Zutreffend beruft sich die Klägerin als Anspruchsgrundlage auf eine ergänzende Auslegung von Ziffer 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages vom 5.3./ 12. 5. 1999 mit dem folgenden Wortlaut: "Die Preise verstehen sich inclusive Durchleitungsentgelte frei Übergabestelle/ Eigentumsgrenze gemäß Ziffer 2 einschließlich sämtlicher Nebenkosten. Ausgenommen hiervon sind gesetzliche verbrauchsabhängige Steuern (z.B. Energiesteuern)."

Ausdrücklich sind die hier streitigen, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht gesetzlich geregelten Zusatzkosten eines Stromlieferanten zur Förderung der Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Kraft- Wärme- Kopplungsanlagen durch staatlich bestimmte Festpreise von dieser Vertragsbestimmung nicht erfasst. Die im weiteren darzustellende Vertragsauslegung des Senats führt zu dem Ergebnis, dass deshalb eine Regelungslücke vorliegt, die eine ergänzende Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB erfordert.

I. Eine Regelungslücke, eine planwidrige Unvollständigkeit eines Vertrages (ständige Rechtsprechung vgl. hierzu Palandt/Heinrichs BGB § 157 Rdnr. 3) liegt vor, wenn die Parteien an einen bestimmten regelungsbedürftigen Punkt nicht gedacht haben (BGH NJW-RR 91, 177), sei es, dass sie eine Regelung nicht für erforderlich hielten, bewusst auf eine ins einzelne gehende Regelung verzichtet haben oder die wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse sich nachträglich geändert haben (BGH WM 1989, 1743; WM 1976, 251). Keine Lücke liegt demgegenüber vor, wenn die getroffene Regelung nach dem Willen der Parteien bewusst abschließend sein sollte (BGH NJW 1985, 1835 (1836). Sie kann dann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass sich eine eindeutige Regelung als unbillig erweist (Palandt/Heinrichs BGB § 157 Rdnr. 3).

Kriterien für die hier vorzunehmende Vertragsauslegung sind im Hinblick darauf, dass es um die Beurteilung einer von den Parteien ausgehandelten Individualregelung geht, die allgemeinen Auslegungsregeln.

1.

Die Auslegung nach dem Wortlaut führt entsprechend der vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 22. 12. 2003 - VIII ZR 310/02 vorgenommenen Wertung, dass Mehrkosten aufgrund staatlichen Eingriffs , mit denen das EEG und das KWKG die Netzbetreiber belasten, von sonstigen Änderungen der Beschaffungskosten aufgrund ihrer besonderen Qualität zu unterscheiden seien, zu dem Ergebnis, dass hier eine Regelungslücke vorliegt. Diese Kosten lassen sich damit weder unter Durchleitungsentgelte einschließlich sämtlicher Nebenkosten, noch unter Steuern oder Abgaben subsumieren.

Danach ist es nicht möglich, mit der Beklagten im Wortlaut der Ziff.3 Abs. 2 des Rahmenvertrages eine weit gefasste Regelung, die alle und damit auch die hier geltend gemachten, unbekannten Kostenfaktoren als Durchleitungsentgelte mit abdeckt, zu sehen, allein weil es sich nach der Gesetzessystematik des KWKG um Kosten handelt, die beim Netzbetreiber erhoben werden und bei denen gesetzlich nur ein Ausgleich zwischen den örtlichen Netzbetreibern und den Übertragungsnetzbetreibern geregelt ist. Dies gilt gleichermaßen für das EEG, wo die Abnahme- und Vergütungspflicht gemäß dem Gesetzeswortlaut auch an die Netzbetreiber anknüpft und von diesen untereinander auszugleichen ist. Wegen der besonderen Qualität dieser Kosten verbietet es sich in beiden Fällen, ihr Anfallen als eine schlichte Erhöhung der Durchleitungsentgelte im weitesten Sinne, die einschließlich sämtlicher Nebenkosten gemäß dem Wortlaut von Ziffer 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages die Klägerin tragen sollte, zu bewerten.

Dass andererseits die hier streitigen Zusatzkosten einer Stromlieferung nicht als Steuern und Abgaben eingeordnet werden, auch wenn ihre Entstehung auf einem staatlichen Eingriff beruht, hat der BGH in den beiden Urteilen vom 22. 12. 2003 - VII ZR 90/02 und VIII ZR 310/02- ausdrücklich bestätigt und zwar auch, dass es sich nicht um Abgaben im weitesten Sinn handelt. Eine unmittelbare Einordnung dieser Kosten unter die gemäß dem Wortlaut von Ziffer 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages von der Beklagten zu tragenden "gesetzlichen verbrauchsabhängigen Steuern (z.B. Energiesteuern)" ist damit gleichermaßen ausgeschlossen.

2.

Der vorstehend anhand des Vertragswortlautes begründeten Annahme einer Regelungslücke stehen die besonderen Umstände des Falles nicht entgegen.

a)

Nach der Entstehungsgeschichte, so wie sie sich nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme darstellt, waren die Kosten, die sich aus den späteren Gesetzen EEG und KWKG ergeben haben, nicht Gegenstand der Verhandlungen. Dass über die hier streitigen Kostenfaktoren bei den Vertragsverhandlungen für den Rahmenvertrag nicht und zwar auch nicht nur als mögliche zukünftige Kosten gesprochen worden ist, ergibt sich eindeutig aus den glaubhaften Aussagen der Zeugen L2, des Verhandlungsführers eines weiteren Pool- Kunden, des Zeugen I2, des Einkaufsleiters bei der Beklagten und des Zeugen E, damals Leiter des Gesamtvertriebes der Klägerin. Auch keiner der übrigen Zeugen hat diesbezügliche Gespräche bestätigt.

Dieses Beweisergebnis ist durchaus plausibel. Die hier streitigen Mehrkosten konnten bei Vertragsschluss nicht bedacht werden, weil es sie noch nicht gab, die entsprechenden Gesetze noch nicht in Kraft getreten waren. Zwar waren nach den von der Beklagten zur Akte gereichten Presseausschnitten entsprechende Gesetzesvorhaben schon länger im Gespräch, so dass zumindest abstrakt die Einigung sich auf solche Kosten hätte beziehen können. Es geht jedoch aus den vorgelegten Zeitungsausschnitten noch nicht eindeutig hervor, wie die Umlage erfolgen sollte und es würde darüber hinaus der Tenor vertreten, dass letztlich der Stromkunde die Kosten für die erneuerbaren Energien würde tragen müssen (FAZ vom 18. 3. und 1. 9. 97 Anlage B 4 und B 6).

b)

Sinn und Zweck des Rahmenvertrages stehen der Annahme einer Regelungslücke nicht entgegen. Insbesondere ist keine Festpreisabrede getroffen worden. Es werden durch den Rahmenvertrag lediglich die Modalitäten der Preisberechnung in den Ziffern 4 und 5 geregelt, in Ziffer 3 klargestellt, was davon erfasst oder nicht erfasst sein soll, wobei diese Klarstellung, wie bereits dargestellt, für die vorliegende Streitfrage unergiebig ist.

Soweit in dem Protokoll vom 9. 10. 1998, der ersten Zusammenfassung von Verhandlungsergebnissen für den späteren Rahmenvertrag, noch von "Durchschnittshöchstpreis", der sämtliche Kosten außer den gesetzlichen verbrauchsabhängigen Steuern enthalten solle, gesprochen wurde, so kann dieser Wortlaut zum einen nicht als gültiger Maßstab, sondern nur als Indiz für die ursprünglichen Absichten der Parteien herangezogen werden. Die zeitliche Geltungsdauer dieser ersten Vereinbarungen war nur für einen bis zum 31. 12. 1998 geschlossenen Rahmenvertrag befristet. Der vorliegende Vertrag würde später geschlossen. Zum anderen erfassen die vorstehenden Begriffe, verstanden entsprechend den zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, ohnehin nicht die hier streitige neue Kostenart.

c)

Letztlich lässt sich bezogen auf die Überprüfung des Vorliegens einer Regelungslücke feststellen, dass hier nicht bewusst eine abschließende Regelung getroffen werden sollte. Wegen der Ungewissheit der zu erwartenden staatlichen Regelungsinhalte waren die Kosten aus dem späteren EEG und KWKG noch nicht regelbar. Die Notwendigkeit einer Regelung war nicht erkennbar. Aus damaliger Sicht war nicht vorhersehbar, dass hier seitens des Staates eine völlig neue Kostenart geschaffen wurde, die sich inhaltlich weder unter "Durchleitungsentgelte einschließlich sämtlicher Nebenkosten", noch unter "gesetzliche verbrauchsabhängige Steuern (z.B. Energiesteuern)" subsumieren lassen würden.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich auch nicht aus den auf Veranlassung der Poolteilnehmer vorgenommenen Streichungen im Vertragstext, dass hier bewusst eine abschließende Regelung getroffen wurde. Dies gilt insbesondere für die Streichungen in Ziffer 3 Abs. 2.2. HS der Punktation vom 14. 10. 1998, als auch für die Streichung der Bezugnahme auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin in Ziffer 2.1, 2. Absatz des geschlossenen Rahmenvertrages. Beide gestrichenen Passagen beinhalten - auch nicht nur indirekt - keine Aussage über die hier streitigen Kostenpositionen.

Soweit in Ziffer 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages im Anschluss an den Satz "Ausgenommen hiervon sind gesetzliche verbrauchsabhängige Steuern (z.B. Energiesteuern)," im Gegensatz zu Ziff. 3 der Punktuation vom 14. 10. 1998 die dortige Ergänzung "Dies gilt auch dann, wenn die Belastung mit Energiesteuern für den Endverbraucher nicht gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben worden ist" fehlt, so hat die Streichung dieses Zusatzes für die vorliegend vorzunehmende Vertragsauslegung deshalb keine Bedeutung, weil dieser Zusatz seinem Wortlaut nach überflüssig war. In dem vorangegangenen Satz waren schon alle gesetzlichen verbrauchsabhängigen Steuern den Kunden auferlegt worden. Dementsprechend erläuterte der Zeuge I auch glaubhaft und überzeugend bei seiner Vernehmung durch das Landgericht, dass diese Streichung telefonisch besprochen worden sei und er auf einer Kopie dieses Vertragsentwurfes vermerkt habe "Streichen, weil keinen Sinn macht!".

Soweit durch den Zeugen L2 entsprechend seiner glaubhaften Aussage, der 2. Satz im 2. Absatz der Ziffer 2.1 des Rahmenvertrages gestrichen und dies nachfolgend von den übrigen Vertragsparteien gebilligt wurde, hat dies inhaltlich im Falle der günstigsten Auslegung dieses Vorgehens für die Beklagte nur die Bedeutung, dass die "allgemeinen und technischen Regelungen" der Klägerin nicht gelten sollten, soweit sie Regelungen zum Preis/ Preisgleitklauseln enthalten. Damit wäre auch die Ziffer 2.2 dieser allgemeinen Geschäftsbedingungen, die in den genannten Urteilen des Bundesgerichtshofes ergänzend im Sinne der Klägerin ausgelegt wurde, gestrichen. Diese Streichung bedeutet aber nicht, dass damit von den Parteien eine ergänzende Vertragsauslegung der Kostenverteilung in Ziffer 3 Absatz 2 des Rahmenvertrages ausgeschlossen werden sollte, sondern nur, dass vorliegend eine solche ergänzende Vertragsauslegung dieser allgemeinen Geschäftsbedingung nicht zum Tragen kommen kann.

II. Die Schließung der Regelungslücke hat, da nicht auf eine subsidiäre gesetzliche Regelung zurückgegriffen werden kann, allein nach dem hypothetischen Willen der Vertragsparteien zu erfolgen. Dabei ist grundsätzlich darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH WM 1989, 1743).

Die ergänzende Vertragsauslegung des Senats führt im Ergebnis dazu, dass die Beklagte als Poolkunde die entsprechenden Mehrkosten zu tragen hat.

Der über den Wortlaut des Ziffer 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages hinausgehende Inhalt der bereits in Bezug genommenen Ziffer 5 des Protokolls der Verhandlung zum Strompool vom 9. 10. 1998 kann nicht zum Maßstab für die ergänzende Vertragsauslegung gemacht werden. Die Ziffer 5 des Protokolls verdeutlicht zwar das Bestreben der Poolteilnehmer und damit auch der Beklagten nach Höchstpreisen und Planungssicherheit, welches bei der Zeugenvernehmung durch das Landgericht von mehreren Gesprächsteilnehmern dieser ersten protokollierten Verhandlungsrunde glaubhaft bestätigt wurde, so dem Zeugen L2, dem Zeugen O, der von einer Deckelung des Preises nach oben hin spricht, den Zeugen I2, E und S.

Das Bestreben nach "Höchstpreisen" hat aber weder wörtlich noch vom Begriffsinhalt her in den später - außerhalb der Gültigkeitsdauer der in diesem Protokoll festgehaltenen Vereinbarungen - geschlossenen Rahmenvertrag Eingang gefunden. So weist der Zeuge S zu Recht darauf hin, dass in den nach diesem ersten Protokoll überreichten Punktationen, insbesondere derjenigen in der vom 14. 10. 1998, die in Ziffer 3 als Vorläufer der späteren Ziffer 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages verstanden werden kann, die Variante eines festen Preises nicht mehr vorgesehen war. Ziffer 3 des Rahmenvertrages ist vom Wortlaut jeweils nicht so weitreichend, wie Ziffer 5 des Protokolls. Es fehlen die Worte "Höchstpreise", "die sämtliche Kosten enthalten". Die harte Anfangsverhandlungslinie des Pools ließ sich nach einem Vergleich des Wortlautes des Protokolls mit der entsprechenden Vereinbarung aus dem Vertrag, nicht durchsetzen.

Das Bestreben der Poolkunden nach Planungssicherheit sagt im übrigen nichts darüber aus, wem die Kosten aufgebürdet worden wären, wenn die Kostenart der staatlich verordneten Mindesteinkaufspreise bei Vertragsschluss schon bekannt gewesen wäre.

Die im Laufe der Vertragsverhandlungen vorgenommenen Streichungen haben, wie bereits festgestellt, keine Aussagekraft bezogen auf das hier zu lösende Kostenverteilungsproblem.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Übrigen hatten die Poolkunden das Bestreben, dass die Klägerin jegliche unübersehbare Veränderung auf der Kostenseite, bezogen auf die damals bekannten Kostengruppen, tragen sollte. Die Klägerin ihrerseits war bestrebt, keine unkalkulierten Kosten in ihr Angebot aufzunehmen. Mehr ist nicht feststellbar und wurde auch vom Landgericht nicht festgestellt.

Die Umsetzung dieser widerstreitenden Interessen führte zu der Regelung in Ziffer 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages. Deren Sinngehalt lässt sich vereinfacht so formulieren: Die Klägerin trägt alle Kosten, die mit der Produktion und der Lieferung des Stromes zusammenhängen, die Poolkunden alle Preisänderungen, die sich aus staatlichen Eingriffen, insbesondere auch aus der staatlichen Förderung bestimmter Energien ergeben. Der Umstand, dass die Poolkunden verbrauchsabhängige Steuern jedweder Art, ausdrücklich auch Energiesteuern nach dem Wortlaut des Vertrages tragen sollten, spricht eindeutig dafür, dass die Mehrkosten aufgrund des EEG und des KWKG, sofern sie damals in ihrer konkreten gesetzlichen Ausgestaltung bekannt gewesen wären, von den Parteien nach Treu und Glauben dem jeweiligen Poolkunden und damit hier der Beklagten auferlegt worden wären. Unter Hinzunahme der Ausführungen des BGH in den Entscheidungen vom 22. 10. 2003 - VIII ZR 90/02 und 310/02 - kommt eine andere ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht. Es ist auch hier anzunehmen, dass die Parteien, wenn ihnen die Vertragslücke bewusst gewesen wäre, die durch das EEG und KWKG bewirkten Eingriffe in das Preissystem und die damit verbundenen Mehrbelastungen der Klägerin dem Kunden auferlegt hätten.

Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass der Gesetzgeber selbst von einer Überwälzung der durch das EEG herbeigeführten Mehrkosten auf den Verbraucher ausgegangen sei. Dies ergebe sich aus der Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, sowie zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes, in welchem die entsprechende Erwartung ausgesprochen wurde (vgl. hierzu S. 10 in BGH -VIII ZR 90/02 -). Entsprechend sei im Tarifkundenbereich verfahren worden. Die auf den streitigen gesetzgeberischen Maßnahmen beruhenden Mehrkosten, stünden ihrem Zweck und ihrer Auswirkung nach für die Energieversorgungsunternehmen einer Abgabe gleich, auch ein Sonderkunde könne nicht davon ausgehen, dass diese neuen Formen der durch staatlichen Eingriff verursachten Kostenbelastungen nicht auf ihn abgewälzt würden (aaO. S.11; BGH - VIII ZR 310/02 - S. 11).

Insgesamt gibt es keine ausreichenden Gesichtspunkte, die Frage der Kostenverteilung im vorliegend zu entscheidenden Fall nach Treu und Glauben anders zu beurteilen. Soweit nach den Zeugenaussagen der Zeugen L2 und I2 die Verhandlungsposition des Pooles anfangs wegen der im Gespräch gewesenen Liberalisierung des Strommarktes relativ stark war, zunächst der Pool die Angebote fünf weiterer Stromlieferanten neben denen der Klägerin über mehrere Gesprächsrunden prüfte, so waren die übrigen Anbieter dann im Verlaufe der Gespräche ausgeschieden, die von der Klägerin gebotenen Preise waren aus Sicht des Zeugen E "am unteren Limit". Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der von der Klägerin ausgehandelte Preisrahmen so großzügig bemessen war, dass in ihm noch ein Spielraum für durch die hier genannten Gesetze verursachten Mehrkosten enthalten war. Die streitigen Kosten wären aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei anderen Stromanbietern nachträglich auf die Poolkunden zugekommen.

Auch der Umstand, dass der Vertrag eine im Verhältnis zur ursprünglichen Planung kürzere Laufzeit von nur drei statt fünf Jahren hatte, kann bei der Abwägung nach Treu und Glauben nicht zu Gunsten der Beklagten ins Gewicht fallen. Zum einen hat der BGH in den genannten Entscheidungen, wo es um eine noch kürzere feste Laufzeit von 15 Monaten ging (S. 4 in -VIII ZR 90/02-), hierin keinen maßgeblichen Gesichtspunkt gesehen, zum anderen kommt es in diesem Zusammenhang allein darauf an, ob ein verbindlicher Höchstpreis vereinbart wurde oder nicht, welches hier nicht geschehen ist (s.o.).

Nach allem führt die ergänzende Vertragsauslegung der Ziffer 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages dazu, dass die Berufung begründet, das Urteil das Landgerichts Bielefeld vom 18. 1. 2005 abzuändern und die Beklagte entsprechend dem erstinstanzlichen Antrag zu verurteilen ist.

C.

Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 284, 286 BGB a. F.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

E.

Die Revision war nicht zuzulassen. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts wegen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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