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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.11.2008
Aktenzeichen: 2 UF 53/00
Rechtsgebiete: RPflG, ZPO, FGG, BGB


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621 a Abs. 1 S. 1
ZPO § 621 e
FGG § 19
FGG § 20
FGG § 64 Abs. 3 S. 2
BGB § 1629 a
BGB § 1822 Nr. 3
BGB § 1822 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Kindes sowie der weiteren Verfahrensbeteiligten zu 1) - 5) gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hattingen vom 30. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.

Der Beschwerdewert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

Durch den angefochtenen Beschluß hat der Rechtspfleger beim Familiengericht Hattingen den Antrag auf Erteilung der familiengerichtlichen Genehmigung des Gesellschaftsvertrages vom 04.03.1999 betreffend die L GbR, des Grundstückskaufvertrages vom 04.03.1999 (Urkundenrolle des Notars T in E Nr. ###/1999) betreffend die Gemarkung T1 Flur # Flurstück #### "Waldfläche L1 Holz" sowie der Grundschuldbestellung vom 15. April 1999 (Urkundenrolle des Notars T in E Nr. ###/1999) betreffend das vorbezeichnete Grundstück zurückgewiesen mit der Begründung, daß ohne nähere Darlegung des Nutzungsplanes sowie Aufklärung über die Diskrepanz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis von 60.000,00 DM und der Finanzierungsgrundschuld von 75.000,00 DM nicht festgestellt werden könne, ob bei den Rechtsgeschäften die Interessen des Kindes gewahrt würden. Gegen diese am 07. Januar 2000 zugestellte Entscheidung haben sämtliche Verfahrensbeteiligten am 21. Januar 2000 beim Landgericht Essen "sofortige Beschwerde" eingelegt. Von dort ist dieses Rechtsmittel nach Rücksprache mit der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer an das Oberlandesgericht Hamm weitergeleitet worden, wo es am 27. Januar 2000 eingegangen ist. Mit ihrer Beschwerde machen die Verfahrensbeteiligten geltend, das Familiengericht habe die Genehmigung der Erklärungen des von seiner Mutter gesetzlich vertretenen Kindes zu Unrecht verweigert, da der Zweck der "Grundstücksgemeinschaft L GbR" hinreichend dargelegt worden sei und die Beteiligung hieran für das Kind lediglich vorteilhaft sei.

Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers des Familiengerichts ist gemäß § 11 Abs. 1 Rechtspflegergesetz in Verbindung mit §§ 621 a Abs. 1 S. 1, 621 e ZPO, 64 Abs. 3 S. 2, 20 FGG die befristete Beschwerde gegeben. Dies folgt daraus, daß es sich um eine Endentscheidung handelt, die eine Angelegenheit der elterlichen Sorge gemäß § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO betrifft. Durch die durch das Kindschaftsreformgesetz vom 16.12.1997 (BGBl. 1997 I 2942) erfolgte Übertragung sämtlicher Angelegenheiten der elterlichen Sorge für eheliche und nichteheliche Kinder auf das Familiengericht sind die vorgenannten Bestimmungen an die Stelle der früher gegebenen unbefristeten Beschwerde nach § 19 FGG getreten. Da die erforderliche Form und Frist eingehalten worden ist, bestehen gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels keine Bedenken.

Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da das Familiengericht zu Recht die beantragte Genehmigung der Erklärungen des Kindes versagt hat. Die Genehmigungspflicht ergibt sich hinsichtlich des Gesellschaftsvertrages daraus, daß das Kind nach außen hin gesamtschuldnerisch für die hiermit eingegangenen bzw. in Zukunft möglicherweise noch eintretenden Verbindlichkeiten haftet. Die im Gesellschaftsvertrag der "Grundstücksgemeinschaft L GbR" vorgesehene Übernahme der Belastungen des Kindes durch seinen Vater, den Beteiligten zu 3), ändert hieran nichts, da sie lediglich das Innenverhältnis betrifft. Das Kind haftet somit für fremde Verbindlichkeiten und übernimmt ein gewisses Unternehmerrisiko. Dieses Risiko wird noch verstärkt durch die uneingeschränkte Vertretungsmacht des alleinvertretungsberechtigten Gesellschafters. Der Gesellschaftsvertrag ist daher gemäß § 1822 Nr. 3 und 10 BGB genehmigungspflichtig.

Die Entscheidung des Familiengerichts, ob die Genehmigung erteilt oder verweigert wird, ist am Interesse des Kindes auszurichten, während die Belange Dritter ohne Bedeutung sind. Das Familiengericht hat sich auf den Standpunkt eines verständigen, die Tragweite des Geschäfts überblickenden Volljährigen zu stellen und muß deshalb auch Erwägungen zur Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit des jeweiligen Rechtsgeschäfts anstellen. Beim Abschluß eines Gesellschaftsvertrages hat es außer der vertraglichen Stellung des Kindes in der Gesellschaft und neben vermögensrechtlichen Gesichtspunkten auch die Mitgesellschafter hinsichtlich ihrer Vermögensverhältnisse sowie ihrer charakterlichen und fachlichen Eignung zu beurteilen, weil die Verantwortung für die Vermögenslage des Kindes im Rahmen der Gesellschaft vorwiegend bei den geschäftsführenden Gesellschaftern liegt (BayObLG FamRZ 1990, 208, 209). Einer in diesem Sinne verstandenen Prüfungspflicht des Familiengerichts entspricht das Schreiben des Rechtspflegers vom 13.07.1999, in welchem er um weitere Aufklärung über den Sinn und Zweck der Gesellschaft sowie die hieraus für das Kind resultierenden Vorteile gebeten hat. Es wurde in dem Schreiben weiter darauf hingewiesen, daß der im Gesellschaftsvertrag angegebene Zweck der Verwaltung und Nutzung des Grundstücks unzureichend sei, solange nicht dargelegt werde, worin die Nutzung liegen solle. Diese Aufforderung ist unbeantwortet geblieben. Die Verfahrensbevollmächtigte hat lediglich einen Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 20.11.1999 vorgelegt, in welchem § 3 des Gesellschaftsvertrages dahingehend ergänzt wird, daß für den Fall des Ausscheidens des Gesellschafters S vor der Vollendung des 18. Lebensjahres der Tochter J aus der Gesellschaft oder bei seinem Versterben der Gesellschafter S1 die in dieser Bestimmung des Gesellschaftsvertrages vorgesehene Freistellung des Kindes von Verbindlichkeiten übernimmt. Die Frage, was die Gesellschaft mit dem Waldgrundstück zu tun beabsichtigt, ist im übrigen auch nicht durch die Beschwerdebegründung beantwortet worden. Die dort vertretene Auffassung, der Zweck der Gesellschaft sei ausreichend im Gesellschaftsvertrag wiedergegeben, ist unzutreffend, da es hier nicht um eine Frage der Bestimmtheit des Gesellschaftsvertrages, sondern um die Abwägung der Vorteile und Risiken für das beteiligte Kind geht. Eine solche Abwägung ist hier nicht möglich, da nach dem Gesellschaftsvertrag vielfältige Nutzungsmöglichkeiten, insbesondere auch die Bebauung des Grundstücks, in Betracht kommen. Soweit sich die Gesellschaft für eine Bebauung entscheiden sollte, sind hiermit Belastungen und Risiken verbunden, die in keinem Verhältnis zu dem Wert stehen, der dem Kind mit der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen eingeräumt wird. Diese Risiken werden durch die Freistellung des Kindes durch den Vater bzw. ersatzweise durch den Großvater nicht in vollem Umfang abgedeckt, da sie lediglich das Innenverhältnis betrifft und von der Leistungsfähigkeit der jeweils die Haftung übernehmenden Person abhängig ist. Auch der durch das zum 01.01.1999 in Kraft getretene Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger eingefügte § 1629 a BGB, der es dem Kind bei Eintritt der Volljährigkeit erlaubt, seine Haftung auf den Bestand seines Vermögens zu diesem Zeitpunkt zu beschränken, führt zwar zu einer Minderung des Risikos einer finanziellen Belastung des Kindes, jedoch nicht zu dessen Ausschluß.

Lassen sich die Risiken aus dem Gesellschaftsvertrag auch nicht annähernd abschätzen, so ist die familiengerichtliche Genehmigung zu versagen, wobei die Frage, ob die Genehmigung zu einem Vertrag versagt werden muß, wenn bei dessen Abwicklung das beteiligte Kind Gefahr läuft, mit seinem Privatvermögen zur Haftung herangezogen zu werden, sei es auch nur für eine kurze Zeit oder in einem verhältnismäßig unerheblichen Umfang (so OLG Köln OLGZ 1976, 306, 307) oder ob es ausreicht, wenn bei der vertraglichen Regelung die Vorteile für das Kind die möglichen Belastungen überwiegen (so offensichtlich BayObLG FamRZ 1996, 119), dahinstehen kann.

Im übrigen soll nicht unerwähnt bleiben, daß Bedenken gegen die Beteiligung des Kindes an der Gesellschaft auch deshalb bestehen, weil sich der Eindruck aufdrängt, daß die wirklichen Interessen, die die Gesellschaft verfolgt, bewußt nicht vorgetragen werden. Dieser Eindruck beruht auf der bereits vom Rechtspfleger angesprochenen Diskrepanz zwischen dem Kaufpreis für das Grundstück und dem Wert der Grundschuld sowie der Tatsache, daß es sich bei dem von der Gesellschaft erworbenen Grundstück offensichtlich um Bauland handelt, für welches ein wesentlich höherer Kaufpreis anzusetzen wäre.

Ende der Entscheidung

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