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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 31.01.2006
Aktenzeichen: 2 WF 12/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 323
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers und Klägers vom 05.01.2006 gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts - Familiengericht - Essen vom 22.12.2005 und 27.12.2005 wird zurückgewiesen.

Gerichtsgebühren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 664,69 EUR (13 x 51,13 EUR).

Gründe: Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, denn das Familiengericht hat dem Kläger im Ergebnis zu Recht mangels Erfolgsaussicht der Klage keine Prozesskostenhilfe bewilligt (§ 114 ZPO). Der Kläger hat zunächst zutreffend eine Abänderungsklage unter dem Vorbehalt der Prozesskostenhilfebewilligung eingereicht, um mangels Leistungsfähigkeit die Vollstreckungswirkung des bestehenden Unterhaltstitels zu beseitigen (§§ 775 Nr. 1, 776 ZPO). Das Rechtsschutzbedürfnis für die beabsichtigte Abänderungsklage ist aber aufgrund der im Prozesskostenhilfeverfahren abgegebenen Verzichtserklärung der Beklagten entfallen: Zwar entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Abänderungsklage grundsätzlich erst, wenn der Unterhaltsgläubiger den Vollstreckungstitel zurückgibt, da eine Abänderungsklage grundsätzlich möglich ist, solange der Titel der Vollstreckung zugänglich ist (KG, FamRZ 1988, 310; OLG München, FamRZ 1999, 942; OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 905). Eine mit Leistungsunfähigkeit begründete Abänderungsklage des Unterhaltsschuldners wird dementsprechend grundsätzlich nicht schon dadurch unzulässig, dass der Unterhaltsgläubiger auf die Vollstreckung aus dem mit der Abänderungsklage angegriffenen Unterhaltstitel verzichtet, ohne den Unterhaltstitel an den Unterhaltsgläubiger herauszugeben (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Kann jedoch der Unterhaltsgläubiger bei Dauerleistungen bzw. wiederkehrenden Leistungen wie dem Unterhalt den Titel nicht zurückgeben, weil er zwar ab einem bestimmten Zeitpunkt auf die Rechte aus dem Titel und die diesbezügliche Zwangsvollstreckung verzichtet, den Titel aber noch zur Zwangsvollstreckung für frühere offene Unterhaltsrückstände benötigt, genügt statt der Rückgabe des Titels ausnahmsweise die Erklärung, ab einem bestimmten Zeitraum nicht mehr zu vollstrecken (BGH, FamRZ 1984, 770, 771; OLG München, FamRZ 1999, 942). So liegt der Fall hier: Die Beklagte hat die unbedingte Erklärung abgegeben, ab dem 01. Oktober 2005 ausdrücklich und endgültig auf Volljährigenunterhalt von dem Kläger zu verzichten. Wie sich aus den Schriftsätzen der Beklagten vom 13.11.2005 und 11.12.2005 ergibt, beschränkt sie das von ihr eingeleitete Zwangsvollstreckungsverfahren auf Unterhaltsrückstände bis einschließlich Februar 2000. Diese Unterhaltsrückstände, aufgrund derer sie noch der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs zur Zwangsvollstreckung bedarf, hat die Beklagte in ihren Schriftsätzen substantiiert dargelegt und berechnet. Der Einwand des Klägers, laufend den einvernehmlich reduzierten Unterhalt von monatlich 51,13 EUR gezahlt zu haben, greift gegenüber dem von der Beklagten für die Zeit bis Februar 2000 dargelegten Unterhaltsrückstand nicht durch, denn ausweislich des vom Kläger als Anlage zur Klageschrift selbst vorgelegten außergerichtlichen Schreibens der Kindesmutter vom 13.09.2001 erfolgte die einvernehmliche Reduzierung des Unterhalts auf 100,00 DM = 51,13 EUR erst mit Wirkung ab dem 01.10.2001. Die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Unterhaltsvergleichs ist der Beklagten deshalb noch nicht anzusinnen. Für den Klageantrag auf Abänderung des Vergleichs des Amtsgerichts - Familiengericht - Essen vom 15.06.2000 dahin, dass der Kläger ab dem 01.10.2005 keinen Unterhalt mehr schuldet, besteht deshalb bereits aufgrund der ausdrücklichen und unbedingten Verzichtserklärung der Beklagten auf zukünftigen Unterhalt ab dem 01.10.2005 kein Rechtsschutzbedürfnis und damit keine Erfolgsaussicht mehr. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei Hauptsacheerledigung einem vor Erledigung gestellten Prozesskostenhilfeantrag zu dem Zweck stattgegeben werden kann, die Erledigungserklärung abzugeben und einen Kostenantrag zu stellen. Der Kläger verkennt insoweit, dass er seine Abänderungsklage unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Prozesskostenhilfebewilligung eingereicht hat und das Rechtsschutzbedürfnis hierfür bereits im Prozesskostenhilfeverfahren entfallen ist. Eine Erledigungserklärung mit dem Ziel, der Gegenseite die Kosten auferlegen zu lassen, ist aber im Prozesskostenhilfeverfahren nicht möglich; erklären die (späteren) Prozessparteien im Prozesskostenhilfeverfahren die Hauptsache für erledigt, darf keine Entscheidung nach § 91 a Abs. 1 ZPO ergehen (KG, MDR 1967, 133; OLG Brandenburg, MDR 2000, 1393; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 91 a Rn. 58 Stichwort "Prozesskostenhilfeverfahren"); jede Partei hat die ihr entstandenen Kosten nach § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO selbst zu tragen. Es würde diesem Grundsatz zuwider laufen, wenn bei einer faktischen Erledigung des beabsichtigten Klageantrages im Prozesskostenhilfeverfahren noch Prozesskostenhilfe bewilligt und die Klage mit dem Ziel der nach Rechtshängigkeit sofort zu erklärenden Erledigung nebst Kostenantrag zugestellt würde. Dies mag allenfalls bei einer pflichtwidrigen Verzögerung der Bewilligungsentscheidung durch das Familiengericht in Betracht kommen (vgl. OLG Köln, JurBüro 1995, 535). Diese ist vorliegend jedoch ersichtlich nicht gegeben, denn die Beklagte hat bereits innerhalb der ihr vom Familiengericht gesetzten und verlängerten Stellungnahmefrist im Prozesskostenhilfeverfahren in ihrem ersten Schriftsatz vom 13.11.2005 ihren Verzicht auf Unterhalt ab Oktober 2005 erklärt. Bereits ab Zugang dieses Schriftsatzes bei Gericht am 14.11.2005 war das Familiengericht an der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gehindert. Der Kläger kann den Rechtsstreit auch nicht mit Erfolg einseitig für erledigt erklären und hat keinen Anspruch auf gerichtliche Feststellung, dass der Vergleich nicht mehr wirksam ist, und auf Kostenerstattung. Dies scheitert bereits daran, dass sich ein Rechtsstreit vor Rechtshängigkeit nicht im Rechtssinne erledigen kann. Mit der Einreichung der Abänderungsklage unter dem Vorbehalt der Prozesskostenhilfebewilligung wurde noch kein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien begründet, denn das Prozesskostenhilfeverfahren ist kein kontradiktorisches Verfahren zwischen den Parteien (vgl. Vollkommer, a.a.O.) und das Prozessrechtsverhältnis entsteht erst mit der Zustellung der Klageschrift. Weiterhin kann der Kläger nicht damit gehört werden, es müsse Prozesskostenhilfe für ein im Hauptsacheverfahren auszusprechendes Anerkenntnisurteil bewilligt werden. Dabei kann dahinstehen, ob der Inhalt der Verzichtserklärung der Beklagten als prozessuales Anerkenntnis im Sinne des § 307 ZPO ausgelegt werden könnte. In zeitlicher Hinsicht kann das Anerkenntnis nämlich erst ab Rechtshängigkeit erklärt werden, vor Rechtshängigkeit scheidet ein Anerkenntnis aus (Vollkommer, a.a.O., § 307 Rn. 3). Vorliegend kann demnach kein Anerkenntnisurteil ergehen, da das Rechtsschutzbedürfnis für die Rechtsverfolgung des Klägers durch die Verzichtserklärung der Beklagten bereits vor Rechtshängigkeit entfallen ist. Schließlich macht der Kläger auch nicht mit Erfolg geltend, die gerichtliche Verfügung vom 16.12.2005, auf die sich die Begründung des familiengerichtlichen Beschlusses vom 27.12.2005 bezieht, sei ihm bzw. seinen Bevollmächtigten nicht übersandt worden. Die familiengerichtliche Verfügung vom 16.12.2005 wurde zusammen mit dem Schriftsatz der Beklagten vom 11.12.2005 am 19.12.2005 an die Kläger-Vertreter abgesandt. Dass die Kläger-Vertreter von dem Inhalt der Verfügung vom 16.12.2005 - wonach wegen Erledigung des Verfahrens durch die Verzichtserklärung der Beklagten während der PKH-Anhörung Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden könne - tatsächlich Kenntnis erlangt haben, zeigt sich daran, dass sie in ihrem Schriftsatz vom 23.12.2005 auf den Verfügungsinhalt Bezug nehmen: Der Antrag, über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers durch Beschluss zu entscheiden und die Ankündigung, gegen diesen Beschluss Beschwerde einzulegen, machen nämlich nur Sinn als Reaktion auf die familiengerichtliche, in der Form der Verfügung ergangene Ankündigung, dass Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden könne. Im Übrigen wäre eine etwaige Verletzung rechtlichen Gehörs durch den Nichtzugang der Verfügung vom 16.12.2005 jedenfalls mit der Stellungnahmemöglichkeit im Beschwerdeverfahren - auch zu der familiengerichtlichen Nichtabhilfebegründung - geheilt worden. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 12 ff. GKG, 127 Abs. 4 ZPO.

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