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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.03.2005
Aktenzeichen: 2 WF 14/05
Rechtsgebiete: ZPO, FGG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
ZPO § 127 Abs. 2 S. 3
FGG § 12
FGG § 14
FGG § 20
FGG § 50
FGG § 57 Abs. 1 Ziff. 9
FGG § 64 Abs. 3 S. 3
BGB § 1630 Abs. 3
BGB § 1632 Abs. 4
BGB § 1666
BGB § 1688
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 4.1.2005 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Essen vom 16.12.2004 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist die Schwester des betroffenen noch minderjährigen Kindes ... welcher im ausdrücklich erklärten Einverständnis seiner Eltern bei ihr lebt und von ihr erzogen und versorgt wird. Sie begehrt - vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigte - Prozesskostenhilfe für ein Verfahren auf Entzug der elterliche Sorge gegen die Kindeseltern (§ 1666 BGB) und die Bestellung als Vormund für das betroffene Kind.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht der Antragstellerin die begehrte Prozesskostenhilfe verweigert.

II.

Die gem. § 127 II 2, 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, denn die Antragstellerin ist nicht prozesskostenhilfeberechtigt.

Nach § 114 ZPO steht Prozesskostenhilfe unter den dort genannten Voraussetzungen nur einer Partei im Prozess zu. Im Rahmen der für das isolierte Sorgerechtsverfahren anwendbaren Regeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit - auf die gemäß § 14 FGG die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung finden - ist der Parteibegriff erweitert auf alle formell am Verfahren beteiligte Personen. Die Antragstellerin ist als Pflegeperson im Sinne des § 1688 BGB nicht Verfahrensbeteiligte im Verfahren auf Entzug der elterlichen Sorge, denn für die formelle Beteiligung reicht es nicht aus, dass sie durch das Verfahren in ihren eigenen Interessen und Befugnissen betroffen ist. Voraussetzung ist vielmehr, dass ihr kraft Gesetzes ein eigenes Antrags- oder zumindest Beschwerderecht zusteht. Daran fehlt es.

a)

Ein eigenes Antrags- und Beschwerderecht nach § 50 c FGG besteht - worauf das Familiengericht zurecht hingewiesen hat - nicht, denn diese Vorschrift begründet keine Beteiligtenstellung der Pflegeeltern. Sie ist lediglich eine Ausprägung des Aufklärungsgrundsatzes nach § 12 FGG und soll sicherstellen, dass die bei länger begründetem Pflegeverhältnis besonders gute Einsicht der Pflegeperson in die Situation des Kindes bei Entscheidungen, die die Personensorge betreffen, berücksichtigt wird (BGH FamRZ 2000, 219 f.).

b)

Der Antragstellerin steht auch kein Beschwerderecht entsprechend der für Vormundschaftssachen geltenden Regelung des § 57 I Zi. 9 FGG gegen die begehrte Entscheidung auf Entzug der elterlichen Sorge zu, denn gemäß § 64 III 3 FGG findet diese Vorschrift auf die befristete Beschwerde gegen eine Endentscheidung in Familiensachen keine Anwendung (BGH, a.a.O.; Keidel/Kuntzel/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. A., § 20 Rz. 110, § 64 Rz. 37 c).

c)

Letztlich ist die Antragstellerin auch nicht beschwerdeberechtigt im Sinne von § 20 FGG. Nach dieser Vorschrift kommt die Beschwerde nur bei einem unmittelbaren Eingriff in ein zum Zeitpunkt der Entscheidung bestehendes subjektives Recht in Betracht (BGH, a.a.O.). An einem derartigen subjektiven Recht fehlt es, denn das Gesetz verleiht Pflegeeltern nur in den beiden Fällen der §§ 1632 IVI und 1630 III BGB - deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind - ein eigenes materielles Antrags- und Beschwerderecht. Für die Anwendung des § 1632 IV BGB fehlt es an einem Herausgabeverlangen der sorgeberechtigten Eltern und für die Anwendung des § 1630 III BGB an ihrer Zustimmung zur Übertragung von Angelegenheiten der elterlichen Sorge.

Soweit in der Rechtsprechung vertreten wird, den Pflegeeltern stehe - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 1632 IV BGB - auch dann ein formelles Antrags- und Beschwerderecht zu, wenn eine Gefährdung des Kindeswohls im Sinne vom § 1666 BGB zu besorgen ist (OLG Hamm, FamRZ 1994, 391, 392), betrifft dies nur den Fall, dass unmittelbar in die Rechtsstellung der Pflegeeltern eingegriffen wird (z.B. durch Geltendmachung eines Umgangsrechts, welches eine zumindest teilweise Herausnahme des betroffenen Kindes aus der Pflegefamilie beinhaltet). Die Entscheidung dagegen, wem die elterliche Sorge zustehen soll, bedeutet keinen unmittelbaren Eingriff in die Rechtsstellung der Pflegeeltern (BGH a.a.O.). Das gilt auch dann, wenn die leiblichen Eltern - wie die Antragstellerin substantiiert vorträgt - die ihnen zustehende elterliche Sorge mißbräuchlich ausüben, indem sie keinen Kindesunterhalt zahlen und sich nicht um die wesentlichen (von den Angelegenheiten des täglichen Lebens zu unterscheidenden) Belange des Kindes kümmern. Würde man in diesem Fall den Pflegeeltern eine eigenes Antrags- und Beschwerderecht zugestehen, so würden die Voraussetzungen des § 1630 III BGB umgangen, die den Pflegeeltern einen Eingriff in die Rechtsstellung des Sorgeberechtigten nur mit dessen Zustimmung erlauben. Gerade darin kommt aber der vom Gesetzgeber verlautbarte und von allen Beteiligten zu respektierende Wille zum Ausdruck, dass das nach Art. 6 II 2 GG primär dem Staat zugewiesene - und mit Befugnissen zur Überwachung und zum Eingriff die elterliche Sorge ausgestattete - Wächteramt grundsätzlich auch nur von diesem und nicht von dritten Personen ausgeübt werden soll.

Ende der Entscheidung

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