Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.10.2005
Aktenzeichen: 2 WF 333/05
Rechtsgebiete: BGB, GG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
BGB § 138 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 1379 Abs. 1
GG Art. 3
ZPO § 447
ZPO § 448
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

wird die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 19. Juli 2005 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Rheda-Wiedenbrück vom 30. Juni 2005 zurückgewiesen.

Gerichtliche Gebühren werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben; außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet. Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet.

Das Familiengericht hat der Antragsgegnerin die beantragte Prozesskostenhilfe zu Recht versagt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung - ein Auskunftsanspruch über den Bestand des Endvermögens des Antragstellers nach § 1379 Abs. 1 BGB - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).

Ein Auskunftsanspruch besteht nicht, wenn der Leistungsanspruch, dessen Bezifferung durch die Auskunft vorbereitet werden soll, unter keinen Umständen gegeben sein kann. So liegt der Fall hier. Einem Zugewinnausgleichsanspruch der Antragsgegnerin aus § 1378 Abs. 1 BGB steht auf Dauer entgegen, dass die Parteien auf Grund des wirksamen notariellen Ehevertrages vor dem Notar I in X vom 02. September 1999 seit Beginn der Ehe bis heute nicht im Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff. BGB), sondern in Gütertrennung (§ 1414 BGB) gelebt haben.

Eine Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Ehevertrages wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 und 2 BGB bzw. wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB oder Art. 3 GG vermag der Senat unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen. Am Maßstab der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen (BGH, FamRZ 2004, S. 601 ff. = MDR 2005, S. 217) gemessen sind die engen Grenzen, unter denen eine Sittenwidrigkeit angenommen werden kann oder ein Ehevertrag einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB nicht standhält, vorliegend deutlich unterschritten. Die Parteien haben kurz vor Eheschließung einen "ganz normalen" Standardvertrag über die Gütertrennung abgeschlossen, der keine sonstigen Ehe- und Scheidungsfolgen regelt.

Allein die Tatsache, dass die Antragsgegnerin bei der Unterzeichnung des notariellen Vertrages unstreitig schwanger war, vermag einen Verstoß gegen die oben genannten Vorschriften nicht zu begründen. Anders als in dem von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Fall, in dem das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 3 GG angenommen hat (BVerfG, FamRZ 2001, 985), hat sich die Antragsgegnerin vorliegend als bei Vertragsabschluss Schwangere nur mit der Gütertrennung, nicht aber mit dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs und dem Verzicht auf Unterhalt einverstanden erklärt. Auf den Kernbereich ihrer Ansprüche nach dem Scheidungsfolgenrecht, nämlich Unterhaltsansprüche - insbesondere wegen der Betreuung des seinerzeit noch ungeborenen Kindes - und den Versorgungsausgleich zur angemessenen Aufteilung der Altersabsicherung hat die Antragsgegnerin nicht verzichtet.

Der Zugewinnausgleich fällt demgegenüber nicht in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts. Über ihr Vermögen können Eheleute Regelungen von einer großen Bandbreite treffen, ohne dass dies zu einem unzulässigen Eingriff in den durch die §§ 138, 242 BGB und Art. 3 GG geschützten Bereich führt (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Auflage, § 138 Rdnr. 47; BGH, NJW 2004, 930; OLG Celle, NJW 2004, 1961). Ein Verstoß gegen § 138 BGB ist danach nur zu bejahen, wenn Regelungen aus dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts ganz oder zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil durch Vorteile gemildert oder durch wichtige Belange des anderen Ehegatten oder besondere Umstände gerechtfertigt wird (BGH a.a.O.).

Vorliegend ist insoweit insbesondere zu berücksichtigen, dass ein wesentlicher Teil des Vermögens des Antragstellers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus einem Hof im Sinne der Höfeordnung bestand, der dem Antragsteller rund ein Dreivierteljahr vor der Eheschließung durch notariellen Übergabevertrag vom 21.12.1998 von seinen Eltern übertragen worden war. Die Höfeordnung soll gerade dem Ziel dienen, landwirtschaftliche Höfe der Herkunftsfamilie - insbesondere einem einzelnen Übernehmer oder Erben - zu erhalten und sie vor einer Zerschlagung bzw. dem Zugriff durch Dritte zu schützen. Dass der Antragsteller (und dessen Eltern) vor diesem Hintergrund durch den Ehevertragsabschluss verhindern wollten, dass es im Falle der späteren Scheidung zu einer streitigen Vermögensauseinandersetzung über den Hof kommen könnte, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Dass das Ziel des Schutzes des Hofes vor einem Zugriff durch die Antragsgegnerin im Rahmen einer Vermögensauseinandersetzung auch durch eine modifizierte Zugewinngemeinschaft erreichbar gewesen wäre, in der lediglich der Hof aus dem Zugewinn herausgenommen worden wäre, führt nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages, denn es muss den Parteien im Rahmen ihrer Privatautonomie selbst überlassen bleiben, ob sie sich für eine vollständige Gütertrennung oder für eine modifizierte Zugewinngemeinschaft entscheiden.

Insgesamt lässt sich dem Inhalt des Vertrages nach alldem keine grob einseitige Benachteiligung der Antragsgegnerin entnehmen. Dass sich angesichts der Vermögensverhältnisse der Parteien zum Zeitpunkt der Eheschließung und heute voraussichtlich ein Zugewinnausgleichsanspruch der Antragsgegnerin ergeben hätte, führt nicht zur Nichtigkeit des Vertrages, denn ein solches Ergebnis ist gerade typisch für Gütertrennungsverträge, die im Rahmen der privatautonom getroffenen Vereinbarungen praktisch immer zu der Benachteiligung der einen oder der anderen Seite führen. Ein grobes Ungleichgewicht im Kernbereich der beiderseitigen Rechte und Pflichten aus der ehelichen Lebensgemeinschaft vermag der Senat in dem allein gegebenen Ausschluss des Zugewinnausgleichs nicht zu erkennen.

Schließlich lassen sich auch dem erstmals mit der Beschwerdebegründung substantiierten Vortrag der Antragsgegnerin zu dem Zustandekommen des Ehevertrages keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine vorsätzliche, einseitige Ausnutzung einer etwaigen Zwangslage, Hilflosigkeit und Unerfahrenheit der Antragsgegnerin durch den Antragsteller bei Vertragsabschluss entnehmen. Zum einen ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Antragsteller den diesbezüglichen Vortrag der Antragsgegnerin detailliert und qualifiziert bestritten hat. Die für das Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen beweisbelastete Antragsgegnerin hat als Beweismittel für ihren Vortrag allein ihre eigene Parteivernehmung angeboten. Da aber ihr von dem Antragsteller bestrittener Vortrag bisher nicht einmal "anbewiesen" ist, kommt eine Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO nicht in Betracht. Soweit aus dem Beweisantritt des Antragstellers auf Seite 3 seines Schriftsatzes vom 04.08.2005 ein Einverständnis mit einer Parteivernehmung der Antragsgegnerin als beweisbelasteter Partei nach § 447 ZPO abzuleiten sein sollte, würde die tatsächliche Vernehmung der Antragsgegnerin - und im Hinblick auf die "Waffengleichheit" dann auch des Antragstellers, der im Übrigen zusätzlich Zeugen benannt hat - angesichts des widerstreitenden Vortrages der Parteien nicht zu dem sicher feststehenden Ergebnis führen können, dass eine den Anforderungen des § 138 Abs. 2 BGB genügende Ausbeutung einer etwaigen Unerfahrenheit und Zwangslage der Antragsgegnerin durch den Antragsteller bei Vertragsabschluss gegeben war. Selbst nach dem Vortrag der Antragsgegnerin ist dieser vor Vertragsschluss zumindest erklärt worden, dass notariell sichergestellt werden müsse, dass dem Antragsteller der Bauernhof bleibe, den seine Eltern ihm übertragen hätten. Über das wesentliche Motiv der Gütertrennung war die Antragsgegnerin demnach "im Bilde"; über den damit begründeten Ausschluss des Zugewinnausgleichs hinaus enthält der Vertrag keine die Antragsgegnerin benachteiligenden Regelungen.

Dass der Antragsteller mit dem "Platzen" der Hochzeit gedroht haben soll und die Antragsgegnerin unvorbereitet ohne deren vorherige Kenntnis vom Vertragsinhalt mit dem Ehevertrag konfrontiert haben soll, wird sich angesichts der oben dargelegten Beweislage zum einen nicht hinreichend sicher feststellen lassen und rechtfertigt zum anderen immer noch nicht die Annahme einer § 138 BGB bzw. genügenden vorsätzlichen "Ausbeutung" einer Zwangslage oder Unerfahrenheit der Antragsgegnerin. Diese war seinerzeit als Direktionsassistentin berufstätig und annähernd 30 Jahre alt. Sie übte also einen mit hoher Verantwortung auch für Vermögensinteressen verbundenen qualifizierten Beruf aus und verfügte bereits über eine Lebenserfahrung von drei Jahrzehnten. Zudem hat die Antragsgegnerin nach ihrem eigenen Vorbringen die luxuriöse Hochzeit der Parteien selbst allein finanziert, so dass ihr Einkommen nicht unbeträchtlich gewesen sein kann und sie auch über gewisses Vermögen verfügte. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat - selbst dann, wenn der Antragsteller über ein höheres Vermögen verfügte und als Diplom-Ingenieur mit notariellen Verträgen erfahrener war als die Antragsgegnerin - nicht zu erkennen, dass ein krasses und nicht hinnehmbares Ungleichgewicht in den Verhandlungspositionen und -fähigkeiten der Parteien bestanden haben könnte. Dies muss auch deshalb gelten, weil der Vertrag kurz und von eindeutigem, auch einem juristischen Laien ohne weiteres sofort verständlichen Inhalt ist. Etwas anderes hätte u. U. bei einem langen, eine Vielzahl miteinander verflochtener, komplizierter Ehe- und Scheidungsfolgen regelnden Ehevertrag geltend können; bei einem derart kurzen und lediglich einen einzigen, klar verständlichen Gegenstand regelnden Ehevertrag wie dem vorliegenden kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob eine der Parteien sich mit Verträgen besser auskannte und ob beiden Parteien vor Vertragsschluss ein Entwurf zur Kenntnis gebracht worden war.

Eine - auch bei wirksamen Eheverträgen grundsätzlich mögliche - nachträgliche Ausübungskontrolle nach § 242 BGB führt zu keiner anderen Beurteilung. Eine unzulässige Rechtsausübung liegt nämlich nur vor, wenn sich aus dem Vertrag nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen dem belasteten Ehegatten auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens auf die Geltung der getroffenen Abrede nicht zuzumuten ist (BGH, a.a.O.). Gegen eine solche einseitige Lastenverteilung zum Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe spricht bereits, dass der Antragsgegnerin uneingeschränkt Unterhalts- und Versorgungsausgleichsansprüche zustehen. Im Übrigen fehlt es an substantiiertem Vortrag der Antragsgegnerin, inwieweit zum Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe ein nicht hinnehmbares, erhebliches Ungleichgewicht allein im Hinblick auf das nicht zum Kernbereich der Scheidungsfolgen gehörende Vermögen der Parteien bestanden haben könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück