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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.07.2005
Aktenzeichen: 2 Ws 125/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 172
Es ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn der Antragsteller im Klageerzwingungsverfahren für einen zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Einhaltung der Beschwerdefrist des § 172 Abs. 1 StPO darzulegen hat. Darzulegen ist, dass der Antragsteller alles getan hat, damit die Beschwerdeschrift bei der Beschwerdestelle eingeht. Gibt der Beschwerdeführer an, zu einem bestimmten Datum "Beschwerde eingelegt" zu haben, ist dieses als Posteinwurf der Beschwerdeschrift zu verstehen.
Beschluss

Ermittlungsverfahren (Klageerzwingungsverfahren)

gegen E.P.

wegen fahrlässiger Tötung,

(hier: Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 172 Abs. 2 S. 1 StPO), Antragstellerin: B.A.

Auf den Antrag der Antragstellerin vom 27. Mai 2005 auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 21. April 2005 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04. 07. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten der Antragstellerin als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Mit ihrem am 27. Mai 2005 beim Oberlandesgericht Hamm eingegangenen Antrag vom selben Tage auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO wendet sich die Antragstellerin gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 21. April 2005, mit dem ihre Beschwerde vom 20. Dezember 2004 gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Hagen vom 08. Dezember 2004 zurückgewiesen worden ist.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist fristgerecht angebracht und genügt auch noch den Vortragserfordernissen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO.

Nach dieser Vorschrift muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung den Senat in die Lage versetzen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten oder andere Schriftstücke eine Schlüssigkeitsprüfung hinsichtlich der Erfolgsaussichten des Antrags auf Erhebung der öffentlichen Klage in formeller und materieller Hinsicht vorzunehmen. Deshalb muss der Antrag eine aus sich heraus verständliche Schilderung desjenigen Sachverhaltes enthalten, der bei Unterstellung der Richtigkeit des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage sowohl in materieller als auch in formeller Hinsicht rechtfertigen würde. Die Sachdarstellung hat zumindest in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Entscheidungen und die Gründe für deren behauptete Unrichtigkeit mitzuteilen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 172 Rdnrn. 27-31 mit weiteren Nachweisen; ständige Rechtsprechung aller Strafsenate des OLG Hamm). Dabei ist jedoch eine wörtliche Wiedergabe der Bescheide nicht erforderlich, wenn sich deren Inhalt aus dem Klageerzwingungsantrag erschließt (vgl. BVerfG NJW 1993, 382); ebenso wenig bedarf es der Wiedergabe der kompletten Aussage des Geschädigten und aller Zeugen (vgl. SächsVerfGH NJW 2004, 2729).

Nach einhelliger Meinung in der Rechtsprechung und Literatur hat sich darüber hinaus aus dem Antrag selbst zu ergeben, dass die Fristen des § 172 Abs. 1 u. 2 StPO vom Antragsteller eingehalten sind (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. auch OLG Hamm DAR 2000, 368), wobei es aber bei offensichtlicher Fristwahrung der genauen Angabe eines Eingangsdatums nicht bedarf (vgl. BVerfG NJW 1993, 382; BVerfG NStZ 2004, 215). Ferner müssen die Verletzteneigenschaft und die Antragsbefugnis, sofern sie nicht ohne weiteres ersichtlich sind, begründet werden.

Diesen Anforderungen wird die Antragsschrift noch gerecht, auch wenn genaue Angaben dazu fehlen, wann der Antragstellerin der Bescheid der Staatsanwaltschaft Hagen vom 08. Dezember 2004 zugestellt worden ist und wann ihre dagegen gerichtete Beschwerdeschrift vom 20. Dezember 2004 bei der Beschwerdestelle eingegangen ist. Die Antragstellerin gibt insoweit lediglich an, "gegen diesen Bescheid (gemeint ist der Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Hagen vom 08. Dezember 2004) wurde mit Schriftsatz vom 20.12.2004 durch die geschädigte hinterbliebene Mutter Beschwerde fristwahrend eingelegt".

Diese Angaben sind vorliegend aber ausnahmsweise noch als ausreichend anzusehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden, dass es grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn der Antragsteller im Klageerzwingungsverfahren für einen zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Einhaltung der Beschwerdefrist des § 172 Abs. 1 StPO darzulegen hat (BVerfG NJW 1988, 1773). Er habe für die Begründung seines Antrags gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO immerhin einen Monat Zeit. Es sei ihm daher grundsätzlich zuzumuten, dass er Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft nehme und sich anhand des Eingangsstempels Kenntnis über die im Antrag aufzuführenden Daten verschaffe. Ausnahmsweise könne der Antragsteller die Einhaltung der Beschwerdefrist aber auch durch die Angabe des Datums darlegen, an dem er Beschwerde "eingelegt" oder "erhoben" habe, sofern noch eine ausreichende Postlaufzeit bestehe und keine besonderen Umstände vorliegen, die einem rechtzeitigen Eingang der Beschwerdeschrift bei der Staatsanwaltschaft entgegenstehen (BVerfG NJW 1993, 382; BVerfG, Beschluss vom 08. Oktober 2003 in 2 BvR 1465/01, teilweise abgedr. in NStZ 2004, 215). Darzulegen sei, dass der Antragsteller alles getan habe, damit die Beschwerdeschrift bei der Beschwerdestelle eingehe. Gebe der Beschwerdeführer an, zu einem bestimmten Datum "Beschwerde eingelegt" zu haben, sei dieses als Posteinwurf der Beschwerdeschrift zu verstehen (BVerfG, Beschluss vom 08. Oktober 2003, a.a.O.).

Diese vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien zur Darlegung der Beschwerdefrist erfüllt die Antragstellerin vorliegend. Die anwaltliche Beschwerdeschrift datiert vom 20. Dezember 2003, einem Montag. Es ist davon auszugehen, dass der anwaltliche Schriftsatz, wenn auch nicht am selben Tag des Diktats, so doch spätestens am folgenden Tag, also am 21. Dezember 2003 zur Post gegeben worden ist, so dass nach § 2 Nr. 3 Satz 1 der Post-Universaldienstverordnung in der Fassung vom 30. Januar 2002 grundsätzlich gewährleistet ist, dass ein Schreiben zwei Postbeförderungstage nach dem Einlieferungstag beim Adressaten eingeht, hier mithin am 23. Dezember 2004. Der Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Hagen, der vom 08. Dezember 2004 datiert, ist der Antragstellerin frühestens am 09. Dezember 2004 zugegangen, so dass die zweiwöchige Beschwerdefrist frühestens am 23. Dezember 2004 abgelaufen sein kann. Die Einhaltung der Beschwerdefrist durch die Antragstellerin ist vorliegend somit offensichtlich, so dass die Nichtangabe des Eingangsdatums der Beschwerdeschrift ausnahmsweise unschädlich ist.

Die Beschwerdeschrift enthält auch im Übrigen gerade noch eine aus sich heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts, wenngleich die Mitteilung des Inhalts der angegriffenen Bescheide und der Gründe für deren behauptete Unrichtigkeit sehr dürftig ist und es sich vorliegend um einen Grenzfall der Unzulässigkeit handeln dürfte.

III.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Es besteht kein genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, so dass der Antrag gemäß § 174 Abs. 1 StPO zu verwerfen war.

Es besteht kein hinreichender Tatverdacht (§ 170 Abs. 1 StPO) dahingehend, dass der Beschuldigte sich eines strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens schuldig gemacht hat. Hinreichender Tatverdacht ist dann gegeben, wenn nach dem gesamten Akteninhalt bei vorläufiger Tatbewertung die Verurteilung des Beschuldigten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (BGH StV 2001, 579). Eine solche Wahrscheinlichkeit besteht hinsichtlich des von der Antragstellerin erhobenen Vorwurfs gegen den Beschuldigten nicht. Das Verfahren ist von der Staatsanwaltschaft Hagen mit zutreffenden Erwägungen eingestellt worden und die Beschwerde der Antragstellerin ist von dem Generalstaatsanwalt aus zutreffenden Gründen, denen sich der Senat anschließt, zurückgewiesen worden.

Die Staatsanwaltschaft Hagen hat in nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass auf das hier streitgegenständliche Tor die berufsgenossenschaftliche Richtlinie ZH 1/494 für kraftbetätigte Fenster, Türen und Tore keine Anwendung findet. Eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Erfolg konnte nicht sicher nachgewiesen werden, so dass das Verfahren eingestellt worden ist.

Aus der Antragsschrift ergeben sich keine Gesichtspunkte oder Beweismittel, die zu einer anderen Beurteilung i.S.d. hinreichenden Tatverdachts führen könnten.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 177 StPO.

Ende der Entscheidung

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