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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.06.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 126/2001
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 302
StPO § 268 a
Ein in der Hauptverhandlung unmittelbar nach der Urteilsverkündung erklärter Rechtsmittelverzicht erfasst auch die ggf. gegen einen erlassenen Bewährungsbeschluss zulässige Beschwerde
Beschluss Strafsache

gegen S.E.,

wegen gefähklicher Körperverletzung

Auf die Beschwerde des Verurteilten vom 9. März 2001 gegen den Beschluss der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 9. November 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28.06.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Schöffengericht Bochum hat den Beschwerdeführer am 18. Februar 2000 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. In dem Bewährungsbeschluss nach § 268a StPO hat es dem Beschwerdeführer u.a. aufgegeben:

" ...

4. Weiter wird dem Verurteilten zur Auflage gemacht:

a) Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 3.500,00 DM an den Geschädigten Z. zu Händen seines Verteidigers B.,... unter Anrechnung evtl. bestehender zivilrechtlicher Schmerzensgeldansprüche in monatlichen Raten von 250,00 DM.

b) von 500,00 DM an den Geschädigten T. unter Anrechnung evtl. bestehender zivilrechtlicher Schmerzensgeldansprüche in monatlichen Raten von 50,00 DM.

c) in Höhe von weiteren 2.400,00 DM an den Weißen Ring ... im Anschluß an die Zahlung von Ziffer 3 (gemeint sind offensichtlich die Ziffern a) und b)) in monatlichen Raten von 150,00 DM."

Gegen das Urteil des Amtsgerichts hat der Beschwerdeführer Berufung eingelegt, die er in der Berufungshauptverhandlung auf das Strafmaß beschränkt hat. Die 4. kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum hat die Entscheidung des Amtsgerichts durch Urteil vom 9. November 2000 dahin abgeändert, dass es die gegen den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe auf ein Jahr herabgesetzt hat. Aus dem Sitzungsprotokoll ergibt sich folgender weiterer Gang der Hauptverhandlung:

Nach der Verlesung der Urteilsformel und der mündlichen Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe wurde der Bewährungsbeschluss des Inhalts verkündet, dass der Bewährungsbeschluss des Schöffengerichts vom 18. Februar 2000 aufrechterhalten bleibe. Hiernach erklärten der Angeklagte und sein Verteidiger sowohl den Verzicht auf die Rechtsmittelbelehrung als auch auf ein Rechtsmittel. Nachdem diese Erklärungen vorgelesen und genehmigt worden waren und der Vertreter der Staatsanwaltschaft anschließend gleichfalls auf Rechtsmittel verzichtet hatte, war die Hauptverhandlung beendet worden.

Mit Schriftsatz vom 9. März 2001 hat der Verurteilte durch seinen Verteidiger gegen den Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts Bochum vom 18. Februar 2000 Beschwerde eingelegt, mit der er eine Abänderung der oben zitierten Geldauflage erstrebt. Zur Begründung wird angegeben, die "Auflagen seien für den Verurteilten in keinster Weise erfüllbar und somit von vornherein offensichtlich darauf gerichtet, einen Widerruf der Bewährung zu erreichen."

Die weiteren Ausführungen in der Beschwerdeschrift sind nicht verständlich, namentlich soweit gerügt wird, dass "das Amtsgericht die dem Verurteilten in zweiter Instanz gemachten Auflagen abgeändert habe." Eine solche Entscheidung des Amtsgerichts existiert nämlich nicht.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern diese an das Landgericht weitergeleitet, das unter dem 26. März 2001 einen "Nichtabhilfebeschluss" erlassen hat, gegen den der Verurteilte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 17. April 2001 "weitere Beschwerde" eingelegt hat.

Die Akten sind daraufhin dem Senat vorgelegt worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die gemäß § 305a Abs. 1 Satz 1 StPO statthafte Beschwerde erweist sich als unzulässig.

Klarzustellen bleibt zunächst, dass sich die vom Verteidiger mit Schriftsatz vom 9. März 2001 eingelegte Beschwerde entgegen ihrem Wortlaut - nicht gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 18. Februar 2000 richtet, sondern allein gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 9. November 2000, mit dem der Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts Bochum aufrecht erhalten worden ist. Mit dem Erlass des Berufungsurteils am 9. November 2000 ist der Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 18. Februar 2000 wegen des akzessorischen Zusammenhangs zwischen Urteil und Beschluss nämlich von selbst gegenstandslos geworden, so dass er nicht mehr Gegenstand einer Beschwerde sein kann. Das Berufungsgericht muss im Falle der Strafaussetzung zur Bewährung einen neuen selbständigen Bewährungsbeschluss nach § 268a Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 56a d StGB erlassen. Dies ist durch die Aufrechterhaltung des Beschlusses des Amtsgerichts Bochum geschehen ( vgl. hierzu auch OLG Hamm MDR 1990, 989, 990 ). Gegenstand der Beschwerde ist demgemäß allein der Beschluss des Landgerichts Bochum vom 9. November 2000. Das Rechtsmittel war daher gemäß § 300 StPO dahin auszulegen, dass es sich vorliegend nicht um eine nach § 310 StPO unzulässige weitere, sondern um eine gemäß § 305 StPO einfache Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss des Landgerichts Bochum handelt.

Die Beschwerde ist aber bereits unzulässig.

Die Unzulässigkeit folgt daraus, dass sowohl der Angeklagte als auch dessen Verteidiger unmittelbar nach Verkündung des Urteils und des nunmehr angefochtenen Bewährungsbeschlusses nach § 268a StPO einen allgemeinen - vorgelesenen und genehmigten - Rechtsmittelverzicht erklärt haben, der sich nach seinem Wortlaut nur auf sämtliche zuvor verkündeten Entscheidungen beziehen konnte ( vgl. hierzu den Senatsbeschluss vom 27. August 1998 in 2 Ws 296/98 ). Insoweit nimmt der Rechtsmittelverzicht auch an der Beweiskraft des § 274 StPO teil ( vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 274 Rdnr. 11 ). Da der frühere Angeklagte weder einen Vorbehalt gemacht noch seinen Rechtsmittelverzicht eingeschränkt hat, spielte auch die Frage der Bedingungsfeindlichkeit von Prozesshandlungen hier keine Rolle ( vgl. auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., Einleitung Rdnr. 118 und vor § 296 Rdnr. 5 ).

Nach alledem war die Beschwerde mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge bereits als unzulässig zu verwerfen.

Aus diesem Grund kommt es zwar im Ergebnis nicht mehr darauf an, ob der Beschwerde auch in der Sache selbst der Erfolg zu versagen war. Der Senat weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass das Rechtsmittel nach § 305 a Abs. 1 Satz 2 StPO nur auf die Gesetzwidrigkeit der getroffenen Anordnung gestützt werden kann. Diese muss erstens vom Gesetz vorgesehen sein, zweitens darf sie nicht unverhältnismäßig oder unzumutbar sein, drittens muss sie die vom Gesetz vorgesehenen Ermessensgrenzen einhalten und darf viertens keine Verfahrensvorschriften verletzen ( vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. November 1996 in 2 Ss 1117/96 und vom 27. Oktober 1995 in 2 Ws 519/95 jeweils m.w.N.). Die angegriffene Bewährungsauflage ist in diesem Sinne nicht zu beanstanden: Die in § 56b Abs. 2 StGB vorgesehene Auflage ( Wiedergutmachung des immateriellen Schadens des Verletzten nach Ziffer 1 und Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung nach Ziffer 3 ) soll der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, wobei an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden dürfen.

Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten er bezieht Krankengeld in Höhe von monatlich rund 1650,00 DM, von dem er angeblich 800,00 DM für Kost und Logis an seine Mutter entrichten will - , kann von einer unzumutbaren Härte nicht die Rede sein. Im Übrigen ist eine Auflage nach § 56b Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht bereits dann rechtswidrig, wenn sie die Leistungsfähigkeit des Verurteilten übersteigt, sondern erst dann, wenn sie wegen eines krassen Missverhältnisses zur wirtschaftlichen Situation des Verurteilten rechtsmissbräuchlich erscheint( vgl. hierzu OLG Düsseldorf NStZ 1993, 136 ).

Ende der Entscheidung

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