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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.07.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 141/2001
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 464
StPO § 400
Zur Ergänzung einer Kostenentscheidung um die unterlassene Auslagenentscheidung. die zugunsten des Nebenklägers hätte ergehen müssen.
Beschluss Strafsache gegen I.F.,

wegen Raubes u.a.

(hier: sofortige Beschwerde der Nebenklägerin gegen eine unterlassene Auslagenentscheidung)

Auf die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin S.F. vom 24. April 2001 gegen den Beschluss der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum - auswärtige Strafkammer Recklinghausen - von 14. Dezember 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12.07.2001 durch den Richter an Oberlandesgericht Mosler, den Richter am Oberlandesgericht Finger und die Richterin am Landgericht Lange nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Verurteilten bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird dahin ergänzt, dass dem Verurteilten auch die der Nebenklägerin in der Berufungsinstanz erwachsenen notwendigen Auslagen auferlegt werden.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt der Verurteilte.

Gründe:

I.

Gegen den Verurteilten ist durch Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 20. Juni 2000 wegen Raubes in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Seine dagegen gerichtete Berufung hat der Verurteilte in der Berufungshauptverhandlung vor der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum - auswärtige Strafkammer Recklinghausen - am 14. Dezember 2000 zurückgenommen. Die Strafkammer hat daraufhin folgende Kostenentscheidung verkündet:

"Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und seine notwendigen Auslagen, nachdem er die Berufung zurückgenommen hat.

Über die der Nebenklägerin in der Berufungsinstanz erwachsenen notwendigen Auslagen hat das Landgericht Bochum keine Entscheidung getroffen.

Gegen diesen Beschluss, der in Abwesenheit der Nebenklägerin und ihres Rechtsbeistandes verkündet und weder ihr noch dem ihr beigeordneten Rechtsanwalt W. zugestellt worden ist, wendet sie sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 24. April 2001.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den angefochtenen Beschluss dahingehend zu ergänzen, dass dem Verurteilten auch die der Nebenklägerin in der Berufungsinstanz erwachsenen notwendigen Auslagen auferlegt werden.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO ist die - auch die unterbliebene ( vgl. OLG Hamm NDR 1986, 1048; OLG Düsseldorf VRS 96, 99; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 464 Rdnr. 8 ) - Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen mit der sofortigen Beschwerde angreifbar, es sei denn, ,,eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer ist nicht statthaft" (vgl. § 464 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz StPO) . Nicht statthaft ist die Anfechtung dann, wenn sie schon nach der Art der Hauptentscheidung nicht zulässig ist oder wenn die betroffene Person unabhängig von der Frage der Beschwer nicht zur Einlegung des Rechtsmittels befugt ist (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 128.m.w.Nachw.).Die Kosten- und Auslagenentscheidung ist demgemäss u.a. unanfechtbar, wenn in der Hauptsache der Instanzenzug beendet ist. In diesem Fall ist kein sachlicher. Grund ersichtlich, dass die Rechtsordnung für Nebenentscheidungen einen weitergehenden Instanzenzug zur Verfügung stellen soll als für die Hauptentscheidung selbst (SchlHOLG JurBüro 1987, 556). Diese Erwägungen treffen für den Fall einer Berufungsrücknahme jedoch nicht zu, denn falls das Landgericht über die Berufung des Angeklagten entschieden hätte, wäre gegen diese Entscheidung grundsätzlich das Rechtsmittel der Revision und daneben auch die Kostenbeschwerde statthaft gewesen. Etwas anderes kann auch nicht gelten, wenn das Rechtsmittel in der Berufungsinstanz zurückgenommen worden ist.

Ebenso wenig ergibt sich die Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde aus dein beschränkten Anfechtungsrecht der Nebenklägerin gemäß § 400 Abs. 1 StPO. Zwar wäre die Nebenklägerin nicht zur Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils berechtigt gewesen mit dem Ziel, dass eine andere Rechtsfolge verhängt wird, jedoch war der gegen den Angeklagten ergangene Schuldspruch infolge seiner unbeschränkten Berufungseinlegung noch nicht in Rechtskraft erwachsen (vgl. Löwe-Rosenberg-Hilger, StPO, 25.Aufl., § 464 Rdnr. 58, der auf den Senatsbeschluss vom 2«. Februar 1998 in 2 Ws 13/98, abgedr. in NStZ-RR 1999, 541 verweist)

Die sofortige Beschwerde ist auch. rechtzeitig eingelegt worden. Der angefochtene Beschluss ist in Abwesenheit der Nebenklägerin und ihres Vertreters verkündet worden. Eine förmliche Zustellung des Beschlusses ist bislang nicht erfolgt, vielmehr ist dem Vertreter der Nebenklägerin der Inhalt des Beschlusses formlos durch Schreiben des Amtsgerichts Recklinghausen vom 10. April 20Q1, das ihm am 18. April 2001 zugegangen ist, mitgeteilt worden. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gemäß § 311 Abs. 2 StPO ist somit nicht in Lauf gesetzt worden ( vgl. Kleinknecht/ Meyer-Goßner, a.a.O., § 311 Rdnr. 2).

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Gemäß § 473 Abs. 1 Satz 2 StPO sind dem Angeklagten bei Rücknahme seines Rechtsmittels die dadurch dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Der Angeklagte ist in erster Instanz u.a. wegen einer Tat verurteilt worden - nämlich wegen fahrlässiger Körperverletzung - , die im Sinne des § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO die Nebenklägerin ,,betrifft". Gemäß § 395 Abs. 3 StPO war die Beschwerdeführerin demnach zum Anschluss als Nebenklägerin berechtigt und ist zu Recht durch Beschluss des Amtsgerichts Recklinghausen vom 6. Januar 2000 wirksam als Nebenklägerin unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. aus Recklinghausen zugelassen worden.

Dem Verurteilten sind die Auslagen der Nebenklägerin auch unbeschadet dessen aufzuerlegen, dass diese gemäß § 400 Abs. 1 StPO nicht zur Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils berechtigt gewesen wäre. Gemäß § 395 Abs. 4 StPO kann sich derjenige, der zur Nebenklage berechtigt ist, in jeder Lage des Verfahrens der erhobenen öffentlichen Klage anschließen. Dies bedeutet aber, dass auf eine Berufung des Angeklagten hin der Nebenkläger auch im Berufungsrechtszug berechtigt ist, am Verfahren teilzunehmen. Denn die Berechtigung zur Nebenklage erstreckt sich auf das gesamte Verfahren bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss.

Nach alledem ist die unterlassene Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklage in dem Beschluss des Landgerichts Bochum vom 14. Dezember 2000 ergänzend nachzuholen. Dem steht nicht die fehlende Möglichkeit der Nachholung einer zunächst unterbliebenen Auslagenentscheidung durch Urteil oder Beschluss entgegen, weil eine solche Nachholung zwar grundsätzlich durch Urteils- oder Beschlussergänzung nicht möglich ist (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 352); hier geht es jedoch nicht um eine Berichtigung durch das erkennende Gericht, sondern um eine Ergänzung im Rahmen einer Beschwerde.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 473, 472 StPO.

Ende der Entscheidung

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