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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: 2 Ws 16/06
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 68b
Zur Ungeeignetheit einer im Zusammenhang mit dem Eintritt von Führungsaufsicht angeordneten Auflage.
Beschluss

Strafsache

gegen H-.K.

wegen erpresserischen Menschenraubes u.a. (hier: Beschwerde des Verurteilten gegen die Anordnung von Weisungen im Zusammenhang mit der Anordnung von Führungsaufsicht).

Auf die Beschwerde des Verurteilten vom 05. Dezember 2005 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 24. November 2005 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 01. 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Weisung zu Nr. 5 des angefochtenen Beschlusses wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die dem Verurteilten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat, aufgehoben.

Gründe:

I.

Der Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Essen vom 13. Dezember 1994 wegen gemeinschaftlichen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Der zur Tatzeit 27-jährige Angeklagte hatte gemeinschaftlich mit seinem Bruder ein 13-jähriges Mädchen entführt und mehrere Tage unter einer Autobahnbrücke gefangen gehalten, um Lösegeld zu erpressen. Während der Zeit der Gefangenschaft des Kindes ist es zu einem sexuellen Übergriff des Mittäters des Verurteilten auf das Kind gekommen. Diesen hat die Strafkammer dem Verurteilten jedoch nicht zugerechnet.

Die Strafe aus dem Urteil vom 13. Dezember 1994 hat der Verurteilte inzwischen vollständig verbüßt. Die Strafvollstreckungskammer hat im angefochtenen Beschluss gem. § 68 f StGB nunmehr den Eintritt der Führungsaufsicht festgestellt. Sie hat dem Verurteilten für die Dauer der Führungsaufsicht u.a. folgende Weisung erteilt:

".Er darf mit Kindern und Jugendlichen nicht verkehren, darf sie nicht beschäftigen, ausbilden oder beherbergen und hat Kinderspielplätze, Schulen und Schulhöfe, Jugendheime, Jugendtreffs, Kindergärten und Sportveranstaltungen von Jugendmannschaften nach Möglichkeit zu meiden."

Gegen diese Weisung richtet sich die Beschwerde des Verurteilten. Die Strafvollstreckungskammer hat eine Abhilfenentscheidung nicht getroffen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Akten dem Senat vorgelegt und beantragt, die dem Verurteilten erteilte Weisung Nr. 5 des Beschlusses aufzuheben.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat Erfolg.

1. Der Senat kann sofort entscheiden. Es ist nicht erforderlich, die Akten zum Nachholen der erforderlichen (§ 306 Abs. 2 StPO), aber nicht getroffenen, Nichtabhilfeentscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzusenden. Eine Zurückverweisung zur Nachholung des Abhilfeverfahrens kommt nur dann in Betracht, wenn dadurch das Beschwerdeverfahren beschleunigt wird oder das Beschwerdegericht an einer sofortigen eigenen Sachentscheidung gehindert ist (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 306 Rn. 10; Beschluss des hiesigen 3. Strafsenats vom 6. September 2005 in 3 Ws 391/05). Soweit sich aus dem Beschluss des Senats vom 17. Oktober 2003 in 2 Ws 252/03 eine andere Rechtsauffassung ergibt wird an dieser zur Vermeidung von Innendivergenzen nicht mehr festgehalten. Damit war, da die vorstehend für eine ausnahmsweise Nachholung des Nichtabhilfeverfahrens erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, unmittelbar eine Sachentscheidung des Senats zu treffen.

2. Die Beschwerde hat Erfolg. Ihren Aufhebungsantrag hat die Generalstaatsanwaltschaft wie folgt begründet:

"Gem. §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO kann die Beschwerde gegen die Weisungen in dem Beschluss über den Eintritt der Führungsaufsicht nur darauf gestützt werden, dass eine getroffene Anordnung gesetzwidrig sei. Vorliegend verstößt die angefochtene Auflage bereits insoweit gegen das Verbot unzumutbarer Auflagen gem. § 68b Abs. 3 StGB als dem Verurteilten damit auch der Umgang mit seinen beiden minderjährigen Kindern (vgl. BI. 11 R d. BewH) untersagt wird (vgl. Sch-Sch, 26. Aufl., § 68 b, Rn. 25). Weiterhin ist die Auflage auch rechtswidrig, da sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Dieser Grundsatz ist ein Rechtsgrundsatz, dessen Beachtung einer Kontrolle durch das Rechtsmittelgericht unterliegt (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25.07.1975 - 5 Ws 213/75 - Leitsatz in MDR 1975, S. 1041). Vorliegend bestehen abgesehen von der Tatsache, dass es sich bei dem Opfer des von dem Verurteilten 1994 verübten erpresserischen Menschenraubes um ein Kind gehandelt hat, keine strafrechtlich relevanten Bezüge des Verurteilten zu Minderjährigen. Auch hat die seinerzeitige Tat weder aus einer näheren Beziehung zu einem Kind noch an einer der im Beschluss genannten Örtlichkeiten ihren Ausgang genommen. Die Auflage ist daher schon unter dem Gesichtspunkt ihrer fehlenden Geeignetheit, der Gefahr künftiger Straftaten entgegenzuwirken, unverhältnismäßig.

Dem tritt der Senat nach eigener Sachprüfung bei. Demgemäß war daher die angefochtene Weisung mit der sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 467 StPO ergebenden Kostenfolge aufzuheben.

Ende der Entscheidung

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