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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.06.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 175/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2
StPO § 473 Abs. 1
Die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, unterliegt im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht.
Beschluss

Strafsache

gegen F.F.

wegen Vergewaltigung u.a., (hier: Haftbeschwerde).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 15. Juni 2004 gegen den die Haftfortdauer anordnenden Beschluss der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 14. Juni 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28. 06. 2004 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.

Gründe:

Nach Erhebung der Anklage vom 4. Februar 2004 hat die Strafkammer gegen den Angeklagten entsprechend dieser Anklage wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Nötigung sowie wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Körperverletzung einen Haftbefehl, gestützt auf den Haftgrund der Fluchtgefahr, erlassen. Aufgrund dieses Haftbefehls befindet sich der Angeklagte seit dem 18. Februar 2004 in Untersuchungshaft.

Durch Senatsbeschluss vom 18. März 2004 (2 Ws 80/04) ist eine Haftbeschwerde des Angeklagten gegen den die Haftfortdauer anordnenden Beschluss der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 18. Februar 2004 verworfen worden.

Seit dem 21. Mai 2004 verhandelt die Strafkammer gegen den Angeklagten. Zunächst waren vier Hauptverhandlungstage vorgesehen. Im Hauptverhandlungstermin vom 14. Juni 2004, dem sechsten Tag der Hauptverhandlung, hat die Strafkammer auf einen Haftprüfungsantrag des Angeklagten unter Bestätigung des dringenden Tatverdachts und des Haftgrundes der Fluchtgefahr die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.

Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 15. Juni 2004 unter eingehender Auseinandersetzung mit den Aussagen eines Teils der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen Beschwerde eingelegt, da seiner Auffassung nach die Geschädigte und Hauptbelastungszeugin unglaubwürdig sei und damit ein dringender Tatverdacht nicht mehr gegeben sei.

Die Strafkammer hat durch ausführlichen Beschluss, der nicht datiert ist, jedoch vom 18. Juni 2004 stammen dürfte und entsprechend der Verfügung des Strafkammervorsitzenden vom selben Tage dem Angeklagten und seinem Verteidiger zur Kenntnis gegeben worden ist, der Beschwerde nicht abgeholfen. Inzwischen hat am 24. Juni 2004 ein weiterer Hauptverhandlungstermin stattgefunden, ein weiterer ist für den 5. Juli 2004 terminiert.

Auf den angefochtenen Beschluss sowie insbesondere den Nichtabhilfebeschluss wird Bezug genommen.

Dem Rechtsmittel muss der Erfolg versagt bleiben.

Die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, unterliegt im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Kenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme (vgl. BGH StV 2004, 142 m.w.N.; StV 1991, 525).

Der Prüfungsumfang ist insbesondere dann erheblich eingeschränkt, wenn die Beweisaufnahme abgeschlossen ist oder unmittelbar vor dem Abschluss steht und sich - wie im vorliegenden Fall in nicht ganz unerheblichem Umfang - auf Beweismittel erstreckt hat, deren - potenzielle - Beweisbedeutung dem Beschwerdegericht aus den Akten nicht ersichtlich ist. Bejaht das Tatgericht in dieser Situation den dringenden Tatverdacht und steht zudem zu erwarten, dass in Kürze ein Urteil ergehen wird und mit diesem auch über die Fortdauer der Untersuchungshaft zu entscheiden sein wird, kann das Beschwerdegericht in die Beurteilung des dringenden Tatverdachts durch das Tatgericht nur dann eingreifen und diese durch eine abweichende eigene Bewertung ersetzen, wenn der Inhalt der angefochtenen Haftentscheidung grob fehlerhaft ist und den dringenden Tatverdacht aus Gründen bejaht, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht vertretbar sind.

Zwar wäre die Begründung des angefochtenen Beschlusses vom 14. Juni 2004 unter den dargelegten Maßstäben unzureichend, da diese eine nachvollziehbare Abwägung der Gründe und Bewertung der bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten maßgeblichen Zeugenaussagen vermissen lässt.

Dieser Mangel ist jedoch durch den Nichtabhilfebeschluss, dem der Angeklagte bislang auch nicht mehr entgegengetreten ist, behoben worden. Dort hat die Strafkammer die für ihre Entscheidung maßgeblichen Gründe näher dargelegt.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Schlussfolgerungen wendet, die das Landgericht aus den mitgeteilten Ergebnissen der Beweisaufnahme zum Tatverdacht und zur Glaubwürdigkeit der Geschädigten und Hauptbelastungszeugin zieht, ersetzt sie lediglich die Bewertung des Landgerichts durch ihre eigene. Ein offensichtlicher Fehler in der Würdigung des Landgerichts, der es als unvertretbar erscheinen lassen könnte, den Tatverdacht gegen den Angeklagten im gegenwärtigen Verfahrensstand aufrechtzuerhalten, ist nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass die Strafkammer keinesfalls verkennt, worauf der Angeklagte den Schwerpunkt seiner Beschwerde legt, dass die Aussage der Geschädigten in Randbereichen Ungereimtheiten aufweist. Gleichwohl habe die Zeugin aber hinsichtlich des Kerngeschehens über einen komplexen Lebenssachverhalt, der aus vielen - durch die beschriebenen Stimmungsschwankungen und Gefühlsausbrüche des Angeklagten vielfach unterbrochenen - Handlungssequenzen besteht, detailreich und im Einklang mit ihren früheren Angaben im Rahmen des Ermittlungsverfahrens berichtet. Auch die Aussagen einer Reihe von Zeugen zu Ereignissen, die nicht das Kerngeschehen betreffen und den Angaben der Geschädigten entgegenstehen könnten, werden nicht außer Betracht gelassen.

Die Bewertung der Strafkammer betreffend den dringenden Tatverdacht ist nach allem - worauf es allein entscheidend ankommt - jedenfalls nicht unvertretbar (vgl. BGH a.a.O.).

Demzufolge stellt sich die Sachlage hinsichtlich des bislang angenommenen Haftgrundes der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO nicht abweichend von der bisherigen Beurteilung und insbesondere nicht für den Angeklagten günstiger dar. Insoweit wird auf die bisherigen zur Frage der Haftfortdauer ergangenen Entscheidungen und insbesondere den Nichtabhilfebeschluss der Strafkammer vom 18. Juni 2004 Bezug genommen.

Die Beschwerde war somit mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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