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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.10.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 242/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 464
StPO § 473
1. Die vom Landgericht nach Revisionsrücknahme getroffene Kostenentscheidung ist unanfechtbar.

2. Zur Auslegung einer Kostenentscheidung


Beschluss

Strafsache

gegen M.E.

wegen gefährlicher Körperverletzung

(hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen eine unterlassene Auslagenentscheidung).

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 24. August 2001 gegen den Beschluss der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 14. Mai 2001 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 10. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleiben außer Ansatz.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Iserlohn hat gegen den Beschwerdeführer durch Urteil vom 1. März 2000 wegen gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt. Auf seine Berufung hat die 2. kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen das angefochtene Urteil am 15. Dezember 2000 dahin abgeändert, dass die erkannte Freiheitsstrafe auf zwei Jahre herabgesetzt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen sind im Wesentlichen der Staatskasse auferlegt worden.

Gegen das Berufungsurteil hatte die Staatsanwaltschaft Hagen rechtzeitig Revision eingelegt, die sie unter dem 6. Februar 2001 auch näher begründet, am 7. Mai 2001 jedoch wieder zurückgenommen hat. Zu diesem Zeitpunkt waren die Verfahrensakten dem Oberlandesgericht Hamm noch nicht zur Entscheidung über die Revision vorgelegt worden. Die Strafkammer des Landgerichts Hagen hat daraufhin am 14. Mai 2001 folgende Kostenentscheidung getroffen:

"Die Kosten des Revisionsverfahrens treffen die Staatskasse, nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Revision gegen das Urteil der 2. kleinen Strafkammer vom 15. 12. 2000 zurückgenommen hat; § 473 Abs. 1 und 2 StPO."

Gegen diesen dem Verteidiger des ehemaligen Angeklagten formlos übersandten Beschluss richtet sich dessen sofortige Beschwerde vom 24. August 2001.

Zu der Einlegung dieses Rechtsmittels hat er sich veranlasst gesehen, nachdem sein Verteidiger mit Schriftsatz vom 11. Juli 2001 beim Amtsgericht Iserlohn um Erstattung seiner Gebühren für das Revisionsverfahren nachgesucht und daraufhin die nachfolgende Stellungnahme der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Hagen vom 5. August 2001 erhalten hat:

"In dem Beschluss vom 14. 05. 2001 wurde keine Entscheidung über die Erstattung von notwendigen Auslagen getroffen. Diese Kostenfolge muss jedoch ausdrücklich ausgesprochen werden, auch wenn diese wie in den Fällen des § 467 Abs. 1 StPO gesetzlich festgeschrieben ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, 43. Aufl., Rdnr. 20 zu § 467 StPO; LG Hagen, Beschluss vom 09.04.1999 - 43 Qs 94/98 -). Eine solche Entscheidung fehlt.

Eine Ergänzung des Beschlusses durch Nebenentscheidungen ist unzulässig (Kleinknecht/Meyer-Goßner, Rdnr. 11 zu § 268 StPO). Die unterbliebene Entscheidung über die notwendigen Auslagen kann nur im Wege der sofortigen Beschwerde durch denjenigen herbeigeführt werden, der durch das Fehlen des Anspruchs beschwert ist (OLG Hamm, Beschluss vom 29.11.2000 - 2 Ws 316/00). Sofortige Beschwerde wurde gegen die Kostenentscheidung bislang nicht eingelegt. Sofern gegen den Beschluss vom 14.05.2001 sofortige Beschwerde eingelegt wird und sodann die notwendigen Auslagen des Angeklagten, die ihm im Revisionsverfahren erwachsen sind, der Staatskasse auferlegt werden, bitte ich um erneute Aktenvorlage; andernfalls beantrage ich die Zurückweisung des Festsetzungsantrages."

Das Landgericht Hagen hat die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin zu ergänzen, dass auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt werden.

II.

Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers ist gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO nicht statthaft und damit unzulässig.

Zwar kann gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO gegen die (auch isolierte) Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen die sofortige Beschwerde eingelegt werden. Sie ist aber in den Fällen ausgeschlossen, in denen ein Rechtsmittel gegen die Hauptentscheidung nicht statthaft ist. Insoweit wird klar gestellt, dass die Kostenentscheidung nicht weitergehend anfechtbar ist als die Hauptentscheidung.

Die Anfechtung der Hauptentscheidung ist dann nicht statthaft, wenn das Gesetz die Hauptentscheidung ausdrücklich für unanfechtbar erklärt oder wenn sich aus dem systematischen Gesetzeszusammenhang die Unanfechtbarkeit ergibt ( h.M., vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 464 Rdnr. 17; KK - Franke, StPO, 4. Aufl., § 464 Rdnr. 8; Löwe/Rosenberg/Hilger, StPO, 25. Aufl., § 464 Rdnrn. 49, 51). Dementsprechend sind unanfechtbar unter anderem Kostenentscheidungen aus Beschlüssen nach § 47 Abs. 2 OWiG, §§ 46 Abs. 2, 153 Abs. 2 Satz 4, 153 a Abs. 2 Satz 4, 400 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 55 Abs. 2 JGG (vgl. hierzu auch Beschluss des Senats vom 1. Februar 1999 in 2 Ws 19 und 40/99, StV 1999, 667).Gleiches gilt aber auch dann, wenn infolge der Ausschöpfung des Rechtsmittelzuges gegen die erstrebte Hauptentscheidung ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben ist; denn auch insoweit wäre die Anfechtung der Hauptentscheidung letztlich nicht mehr statthaft ( vgl. auch OLG Dresden NStZ-RR 2000, 224; OLG Jena NStZ-RR 1997, 287).

So liegt der Fall hier. Die Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung des Landgerichts Hagen vom 14. Mai 2001 ist deshalb nicht gegeben, weil gegen die erstrebte Hauptentscheidung durch das Revisionsgericht, die ohne Rücknahme hätte ergehen müssen, ein weiteres Rechtsmittel auch hinsichtlich der zu treffenden Kostenentscheidung nicht statthaft gewesen wäre. Vielmehr wäre die Hauptentscheidung, zu der es durch das Oberlandesgericht Hamm als Revisionsinstanz gekommen wäre, einer weiteren Anfechtung ohne weiteres entzogen.

Unerheblich ist insoweit, dass die Revisionsrücknahme durch die Staatsanwaltschaft zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem sich die Akten noch nicht beim Oberlandesgericht Hamm als dem zuständigen Revisionsgericht, sondern noch beim Landgericht Hagen befunden haben (so auch OLG Jena NStZ-RR 1997, 287, 288; OLG Dresden NStZ-RR 2000, 224, welche zutreffend ausgeführt haben, es sei "kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, die lediglich die gesetzliche Folge aussprechende Entscheidung des Landgerichts, dessen Zuständigkeit aus Gründen der Prozessökonomie zufälliger Weise gegeben ist, solange, bis die Verfahrensakten beim Revisionsgericht selbst in Einlauf gekommen sind, einer Anfechtung auszusetzen").

III.

Der Senat hat gemäß § 8 GKG davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Zwar treffen gemäß § 473 Abs. 1 StPO die Kosten eines erfolglos eingelegten Rechtsmittels grundsätzlich denjenigen, der es eingelegt hat. Der Senat hat aber aus Billigkeitsgründen von einer Kostentragungspflicht des Beschwerdeführers Abstand genommen. Denn dieser ist erst aufgrund der Mitteilung der Bezirksrevisorin vom 5. August 2001 zu seinem Rechtsmittel veranlasst worden ist, die nämlich die Auffassung vertreten hat, in dem nunmehr angefochtenen Beschluss der Strafkammer vom 14. Mai 2001 sei keine Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen getroffen worden und diese unterbliebene Entscheidung könne nur im Wege der sofortigen Beschwerde herbeigeführt werden. Daraufhin hat er das Rechtsmittel eingelegt, um so eine Erstattung der Verteidigergebühren zu erreichen.

Entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin enthält die Kostenentscheidung jedoch sehr wohl eine Regelung über die notwendigen Auslagen des ehemaligen Angeklagten. Zwar ist ausdrücklich nur erwähnt, dass die Kosten des Revisionsverfahrens die Staatskasse treffen. Im 2. Halbsatz der Kostenentscheidung ist indes neben der Vorschrift des § 473 Abs. 1 StPO, der sich allein über die Tragungspflicht der Kosten verhält, auch die Vorschrift des § 473 Abs. 2 StPO aufgeführt, in der bestimmt ist, dass die Staatsanwaltschaft bei Rücknahme ihres zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittels die diesem erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat. Der Beschluss der Strafkammer ist aufgrund des ebenfalls aufgeführten Absatzes 2 des § 473 StPO dahin auszulegen und ist auch nur so zu verstehen, dass die Staatskasse nicht nur mit den Kosten des Rechtsmittels, sondern vielmehr auch mit den dem (ehemaligen) Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen belastet werden sollte ( vgl. hierzu auch OLG Stuttgart StV 1993, 651).

Demzufolge war von einer Kostentragungspflicht des Verurteilten für das Beschwerdeverfahren abzusehen, zumal er sein Rechtsmittel insbesondere auch rechtzeitig eingelegt hat. Der angefochtene Beschluss ist zwar bereits am 14. Mai 2001 ergangen und die Beschwerde datiert hingegen erst vom 24. August 2001. Da der Beschluss dem Verteidiger aber nicht förmlich zugestellt worden ist, ist die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gemäß § 311 Abs. 2 StPO nicht in Lauf gesetzt worden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 311 Rdnr. 2 und § 35 Rdnr. 12).

Ob und in welchem Umfang gerichtliche oder außergerichtliche Auslagen der Staatskasse tatsächlich zur Last fallen, bleibt dem Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 464 b StPO vorbehalten. Darüber hat der Senat an dieser Stelle nicht zu befinden.

Ende der Entscheidung

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