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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.10.2003
Aktenzeichen: 2 Ws 259/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 314
Die in § 314 Abs. 1 StPO für die Einlegung der Berufung gebotene Schriftform verlangt nicht unbedingt eine Unterschrift. Es genügt vielmehr zur Wahrung der Schriftform, dass aus dem Schriftstück in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich ist, von wem die Erklärung herrührt
Beschluss

Strafsache

gegen

K.Y.

fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs,

(hier: sofortige Beschwerde gegen die Verwerfung der Berufung)

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 14. Mai 2003 gegen den Beschluss der 7. Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 23. Juli 2003 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 30. 10. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Lüdenscheid hat gegen den Angeklagten durch Urteil vom 14. Mai 2003 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung eine Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen zu je 10,00 EURO verhängt. Zugleich ist ihm die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen worden, dem Angeklagten vor Ablauf eines Jahres keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Gegen dieses in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers, Rechtsanwalt M., verkündete Urteil hat der Angeklagte mit einem am 19. Mai 2003 beim Amtsgericht Lüdenscheid eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom 14. Mai 2003 Rechtsmittel eingelegt. Das Schreiben ist auf dem Briefkopf der Rechtsanwälte "Mu. & M. GbR" verfasst und enthält als Zeichen "1010/02KM09"; das Schreiben endet mit dem in Klammern gesetzten Namen des Verteidigers "(K. M.) Rechtsanwalt", allerdings ohne die Unterschrift des Verteidigers.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. Juli 2003 hat der Vorsitzende der 7. Strafkammer des Landgerichts Hagen die Berufung des Angeklagten als unzulässig verworfen und seine Entscheidung damit begründet, die vom Verteidiger nicht unterzeichnete Berufungsschrift erfülle nicht das Schriftformerfordernis des § 314 Abs. 1 StPO. Er führt hierzu aus, die handschriftliche Unterzeichnung werde zwar nicht ausnahmslos für zwingend erachtet, jedoch müsse feststehen, dass das Schriftstück mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. In Anbetracht des hier fehlenden Diktatzeichens oder Faksimilestempels und der nicht nachvollziehbaren Angabe "Sachbearbeiter Frau Schmidt/we" sei allein der maschinenschriftlich gemachte Zusatz "(K.M.) Rechtsanwalt" nicht geeignet, diesen Schluss zu rechtfertigen.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner frist- und formgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde, mit der er zum einen die Unzuständigkeit des Landgerichts rügt und zum anderen unter näherer Begründung darlegt, die Schriftform des § 314 Abs. 1 StPO sei gewahrt .

Die Generalstaatsanwaltschaft hat gleichfalls beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses mit der Folge, dass der Angeklagte wirksam gegen das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 14. Mai 2003 Berufung eingelegt hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag auf Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses in ihrer Stellungnahme vom 21. Oktober 2003 wie folgt begründet:

"Zwar ist zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung in diesem Fall entgegen der Auffassung des Angeklagten das Landgericht zuständig gewesen, denn § 319 Abs. 1 StPO sieht eine Verwerfung durch den Erstrichter als unzulässig nur dann vor, wenn die Verwerfung der Berufung wegen Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels erfolgt. Wird die Berufung dagegen - wie hier - aus anderen Gründen als unzulässig verworfen, steht die Befugnis zur Verwerfung allein dem Berufungsgericht zu (zu vgl. KK-Ruß, StPO, 5. Aufl. § 319 Rn. 2).

Der Beschluss des Landgerichts unterliegt allerdings durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Die in § 314 Abs. 1 StPO für die Einlegung der Berufung gebotene Schriftform verlangt nicht unbedingt eine Unterschrift. Es genügt vielmehr zur Wahrung der Schriftform, dass aus dem Schriftstück in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich ist, von wem die Erklärung herrührt (zu vgl. zur entsprechenden Vorschrift des § 341 Abs. 1 StPO; BGHR, StPO, § 341, Schriftform 2; BGHSt 12, 317). Insbesondere ist bei fehlender Unterschrift auch schon das Diktatzeichen ausreichend (zu vgl. LK-Ruß, aaO, § 314 Rdn. 10). Diesen Anforderungen genügt das Schreiben des Verteidigers des Angeklagten vom 14.05.2003. Aufgrund des Briefkopfes, auf dem lediglich zwei Rechtsanwälte verzeichnet sind, des Diktatzeichens "1010/02KM09" und dem Zusatz, "(K. M.) Rechtsanwalt" lässt sich zweifelsfrei der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt M., als Urheber des Schreibens erkennen. Hinzu kommt, dass das Schreiben bereits unter dem 14.05.2003 verfasst wurde, nachdem die Hauptverhandlung am selben Tag in Gegenwart von Rechtsanwalt M. als Verteidiger stattgefunden hatte. Danach besteht kein Zweifel, dass das Rechtsmittel wirksam von Rechtsanwalt M. als Verteidiger des Angeklagten eingelegt worden ist."

Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat nach eigenständiger Prüfung bei und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Erforderlich zur Wahrung der Schriftform ist, dass aus dem Schriftstück selbst für sich allein, ohne Zuhilfenahme anderer Beweismittel, klar die Identität des Erklärenden und sein Wille ersichtlich sein müssen, das Rechtsmittel einzulegen. Diesem Erfordernis genügt das hier in Rede stehende Schriftstück. Es enthält nämlich alle notwendigen Daten, die zuverlässig auf eine Autorenschaft des Rechtsanwalts M. schließen lassen. Der Bundesgerichtshof hat zudem im Zusammenhang mit der Beurteilung der Unterschrift unter einem bestimmenden anwaltlichen Schriftsatz darauf hingewiesen, dass zumindest in Fällen, in denen die Autorenschaft gesichert sei, ein "großzügigerer Maßstab" anzulegen sei (vgl. BGH, NJW 1997, 3380, 3381; vgl. auch BayObLG, NStZ-RR 2003, 305, 306). Nach Auffassung des Senats sind diese Grundsätze auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der Schriftsatz vom 14. Mai 2003 lässt aufgrund des Briefkopfes und des Diktatzeichens "1010/02KM09" zweifelsfrei den Urheber erkennen, nämlich Rechtsanwalt Klaus M.. Allein der Umstand, dass der Schriftsatz keine Unterschrift trägt, führt nicht zu einer anderen Beurteilung.

Nach Auffassung des Senats steht auch fest, dass es sich nicht lediglich um einen Entwurf handelt, sondern dass das Schriftstück mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., Einl. Rdn. 128 m.w.Nachw.).

Der angefochtene Beschluss des Landgerichts war daher aufzuheben. Auf den Wiedereinsetzungsantrag kommt es somit nicht an.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender Anwendung der §§ 464, 467 StPO.



Ende der Entscheidung

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