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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.11.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 298/2000
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 f
Leitsatz

Zum Widerruf der Bewährung bei erneuter Straffälligkeit nach vorausgegangener Verlängerung der Bewährungszeit und Verurteilung nur zu einer Geldstrafe


Beschluss: Strafsache gegen K.G. wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a. (hier: Widerruf der Strafaussetzung).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 23. Oktober 2000 gegen den Beschluss der 7. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 23. Oktober 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22.11.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:

Das Landgericht Bochum hat den Beschwerdeführer am 23. Januar 1998 wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es unter Beiordnung eines Bewährungshelfers für die Dauer von vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt hat.

Der Verurteilung lag ein vom Beschwerdeführer vorsätzlich herbeigeführter Verkehrsunfall zugrunde, den dieser verursacht hatte, weil seine damalige Ehefrau nicht mehr zu ihm zurückkehren wollte. Er hatte die Absicht, seine Frau durch den Unfall zu verletzen und ihr zu zeigen, wozu er in seiner Verzweiflung fähig war.

Überdies verurteilte ihn das Amtsgericht Recklinghausen am 19. Mai 1999 wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten. Seine Berufung gegen dieses Urteil verwarf die 1. kleine auswärtige Strafkammer des Landgerichts Bochum am 19. August 2000 mit der Maßgabe, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Kammer wies den Angeklagten im Urteil ausdrücklich darauf hin, dass jede weitere Straffälligkeit zum Widerruf der Bewährung führen werde.

Mit Beschluss vom 19. Oktober 1999 verlängerte das Landgericht Bochum wegen der erneuten Straffälligkeit des Verurteilten die Bewährungszeit um ein Jahr auf insgesamt fünf Jahre. In diesem -dem Beschwerdeführer am 26. Oktober 1999 zugestellten- Beschluss heißt es:

"Sollte der Verurteilte erneut straffällig werden oder gegen die Auflagen aus dem Beschluss vom 23.01.1998 verstoßen, wird die Kammer die Bewährung widerrufen."

Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 23. August 2000 wurde er wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz sowie wegen eines weiteren Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetzes zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er am 26. Februar 2000 mit seinem Pkw seine ehemalige Lebensgefährtin verfolgte und auf deren Pkw auffuhr, als diese am Straßenrand arbeitende Passanten um Hilfe bitten wollte. Anschließend verließ er den Unfallort.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. Oktober 2000 hat das Landgericht Bochum auf Antrag der Staatsanwaltschaft die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung wegen der neuerlichen Verurteilung widerrufen.

Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde und vertritt die Ansicht, dass die Voraussetzungen eines Widerrufs nicht gegeben seien. Die beiden in der Bewährungszeit begangenen Straftaten stünden in keinem kriminologischen Zusammenhang zur früheren Verurteilung und schlössen eine positive Prognose nicht aus. Darüber hinaus sei der Sachverhalt im letzten Urteil nicht richtig festgestellt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde zu verwerfen.

Die gem. §§ 453 Abs. 2 Satz 1, 304 StPO i.V.m. § 56 f StGB zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Strafkammer hat zu Recht die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.

Nach § 56 f StGB ist eine Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen, wenn der Verurteilte während der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrundelag, sich nicht erfüllt hat. Dabei reicht die Begehung einer neuen Straftat allein zum Widerruf nicht aus. Das entscheidende Gericht hat vielmehr eine neue Sozialprognose zu stellen, ob sich der Verurteilte künftig straffrei führen wird (vgl. OLG Düsseldorf, Strafverteidiger 1998, 214; LK, StGB, § 56 f, Rdnr. 13). Die Strafaussetzung ist danach dann zu widerrufen, wenn die frühere günstige Prognose nicht aufrechterhalten werden kann. Voraussetzung eines Widerrufs ist dabei nicht, dass zwischen der früheren und der neuen Tat ein kriminologischer Zusammenhang besteht oder die Taten nach Art und Schwere miteinander vergleichbar sind (LK, a.a.O.).

Im Hinblick hierauf ist der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht zu beanstanden. Durch seine während der Bewährungszeit begangenen Straftaten hat der Verurteilte gezeigt, dass die ursprünglich getroffene günstige Prognose unrichtig war. Er hat sich insbesondere auch nicht durch die eindringlichen und unmissverständlichen Ermahnungen im Berufungsurteil des Landgerichts Bochum vom 19. August 1999 sowie im Verlängerungsbeschluss vom 19. Oktober 1999 von der Begehung einer weiteren Tat abhalten lassen. Dabei ist im verstärkten Maße zu berücksichtigen, dass zwischen der Zustellung des Verlängerungsbeschlusses mit der eindringlichen Ermahnung und der Tat ein Tatzeitraum von nur vier Monaten liegt.

Die zu den Verurteilungen führenden Taten weisen dabei eine gleichgelagerte Verhaltensweise des Angeklagten auf, die befürchten lässt, dass er ohne die Einwirkung des Strafvollzuges zukünftig erneut strafrechtlich in Erscheinung treten wird.

Alle Taten haben ihren Hintergrund in gescheiterten Beziehungen des Verurteilten, der erkennbar nicht in der Lage ist, das Ende einer Beziehung zu akzeptieren und in adäquater Art und Weise zu verarbeiten. Dabei bestehen zwischen der ersten Tat, bei der er seine ehemalige Ehefrau verletzte, und der nunmehr zum Widerruf der Bewährung führenden Tat deutliche Parallelen. Auch in diesem Fall setzte er sein Kraftfahrzeug ein, um nach Beendigung der Beziehung auf seine frühere Partnerin einzuwirken. Dabei hat er mit seinem Verhalten auch derart massiv auf seine Lebensgefährtin eingewirkt, dass diese gar bei unbekannten Passanten Hilfe gesucht hat.

Einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung steht auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer zuletzt zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist. Ein Widerruf ist verfassungsrechtlich auch unbedenklich, wenn wegen der neuen Straftat Strafaussetzung gewährt, also eine positive Sozialprognose angenommen wurde (vgl. BVerfG, NStZ 1985, 357). Denn bei der Verhängung einer Geldstrafe wird eine Sozialprognose nicht gestellt. Deshalb stellt es auch keinen Widerspruch dar, wenn der neue Tatrichter -auch unter Berücksichtigung des § 47 Abs. 1 StGB- keine Freiheitsstrafe verhängt, das mit dem Widerruf befasste Gericht hingegen die neue Tat aus den Gesamtumständen als so schwerwiegend erachtet, dass es die gewährte Strafaussetzung widerruft.

Aufgrund des mehrmaligen Bewährungsversagens trotz eindeutiger und nachhaltiger Ermahnung kann auch nicht nach § 56 Abs. 2 Nr. 1, 2 StGB von einem Widerruf abgesehen werden. Die in § 56 Abs. 2 StGB gegebenen Möglichkeiten erscheinen nicht ausreichend, zumal die Bewährungszeit bereits im Oktober 1999 um ein Jahr verlängert worden, ohne dass dies den Angeklagten von der Begehung der neuen Tat abgehalten hätte.

Danach war die sofortige Beschwerde mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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