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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.12.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 304/2000
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 310
StPO § 112
Leitsatz:

Zur Verwertbarkeit der Angaben eines Lockspitzels bei der Begründung des dringenden Tatverdachts


Beschluss: Strafsache gegen K.I., wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. (hier: weitere Haftbeschwerde).

Auf die weitere Haftbeschwerde des Beschuldigten vom 29. Oktober 2000 gegen den Beschluss der 4. Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 18. Oktober 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04.12.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschuldigten verworfen.

Gründe:

Dem Beschuldigten wird mit dem Haftbefehl des Amtsgerichts Hagen vom 9. September 2000 -67 Gs 1303/00- zur Last gelegt, durch vier selbständige Handlungen - im Haftbefehl ist das Wort "sowie" sinngemäß als "davon" zu verstehen" - unerlaubt mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben und in einem weiteren Fall einen anderen genötigt zu haben. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den angefochtenen Haftbefehl Bezug genommen.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 14. September 2000 hat der Beschuldigte gegen den Haftbefehl Beschwerde eingelegt und zur Vorbereitung einer Begründung um Akteneinsicht ersucht. Mit Schreiben vom 27. September 2000 ist die Haftbeschwerde mit dem Fehlen eines dringenden Tatverdachts begründet worden. Am 16. Oktober 2000 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Hagen zur Entscheidung vorgelegt. Die 4. Strafkammer des Landgerichts Hagen hat mit Beschluss vom 18. Oktober 2000 die Beschwerde als unbegründet verworfen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde vom 29. Oktober 2000, der die Strafkammer auch unter Berücksichtigung der weiteren Beschwerdebegründung vom 20.Oktober nicht abgeholfen hat.

Die weitere Beschwerde ist gemäß § 310 Abs. 1 StPO zulässig, jedoch unbegründet.

Der Beschuldigte ist zunächst der ihm mit dem Haftbefehl zur Last gelegten Taten auf Grund der Aussagen des Zeugen B.R. R. sowie der polizeilichen Scheinkäuferin "Sabra" dringend verdächtig. Der Zeuge R. hat in zahlreichen Vernehmungen detaillierte und widerspruchsfreie Angaben zu den Geschäften gemacht, die er mit dem Beschuldigten vereinbart haben will. Diese Angaben des Zeugen gegenüber der Kriminalpolizei haben sich ohne Ausnahme bestätigt, so dass nach Aktenlage kein Anlass besteht, an der Richtigkeit seiner Bekundungen zu zweifeln. Anhaltspunkte für eine Falschbelastung oder eine Racheaktion des Zeugen sind nicht ersichtlich.

Entgegen der Ansicht seines Verteidigers stellt die Aussage des Zeugen auch durchaus ein Beweismittel dar, auf das allein eine Verurteilung gestützt werden könnte. Zwar ist bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, dass der Zeuge durch die Polizei als Lockspitzel eingesetzt worden ist. Gleichwohl ist aber auch die Aussage eines polizeilichen Lockspitzels ein vollwertiges Beweismittel. Die vom Verteidiger zitierte Rechtsprechung betrifft nämlich alles Fälle, bei denen der Zeuge dem Gericht nicht als unmittelbares Beweismittel zur Verfügung gestanden hat und seine Angaben durch Polizeiführer oder andere Verbindungspersonen in die Hauptverhandlung eingeführt werden mussten. In diesen Fällen sind an die Beweiswürdigung auf Grund des fehlenden persönlichen Eindrucks besonders hohe Anforderungen zu stellen. Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da der Zeuge namentlich bekannt ist und auch als Zeuge zur Verfügung steht. Im übrigen kann auch entgegen der vom Verteidiger vertretenen Ansicht eine Verurteilung auf die Aussage einer Verhörsperson gestützt werden (vgl. BGHSt 36, 159,167).

Es besteht der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 3 b StPO.

Ausweislich der in der Akte befindlichen Vernehmung des Zeugen R. vom 8. September 2000 haben ihn der Beschuldigte und der gesondert verfolgte N.S. am selben Tag zunächst verfolgt und alsdann angesprochen. Während der Beschuldigte nichts gesagt und den Zeugen nur bedrohlich angeschaut hat, hat S. dem Zeugen erklärt, dass er im Gerichtstermin gegen die gesondert verfolgten J. und T. nicht aussagen solle, da diese dann "rauskommen" würden. Der Zeuge werde schon sehen, was passiere, wenn er im Termin aussagen werde. Dabei soll S. mit dem ausgestreckten Zeigefinger gegen das Herz des Zeugen gedrückt haben.

In diesem Fall liegt eine konkrete Verdunkelungshandlung vor, die auch dem Beschuldigten zuzurechnen ist. Auch wenn er selbst keine verbalen Drohungen gegen den Zeugen ausgesprochen hat, hat dieser die Situation so empfunden, dass die Bedrohung auch vom Beschuldigten ausging. Aufgrund der Nähe, aus der sich entgegen der Einlassung des Beschuldigten nahezu zwingend ergibt, dass er das Gespräch zwischen R. und S. verfolgen konnte, und seines Verhaltens ist nach der Aktenlage zu besorgen, dass er und S. die Bedrohung gemeinschaftlich vorgenommen haben.

Diese in diesem Fall konkrete Verdunkelungshandlung lässt mit hoher Wahrscheinlichkeit befürchten, dass der Beschuldigte im Fall der Freilassung weitere Versuche der unlauteren Einflussnahme auf den Zeugen nehmen würde. Die Untersuchungshaft ist daher erforderlich, um sicherzustellen, dass die Ermittlung der Wahrheit nicht erschwert wird ( vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage, § 112 Rdnr. 26 m.w.N.)

Darüber hinaus ist auch der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO gegeben.

Der Beschuldigte hat im Verurteilungsfalle mit der Verhängung einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Der sich daraus ergebende Fluchtanreiz wird noch dadurch gesteigert, dass er dann mit dem Widerruf der am 23. März 1999 durch das Amtsgericht Iserlohn verhängten 2-jährigen Bewährungsstrafe zu rechnen hat, zumal diese einschlägig ist.

Dieser erhebliche Fluchtanreiz wird auch nicht durch hinreichend tragfähige soziale Bindungen des Beschuldigten in Deutschland ausgeräumt. Es ist nicht auszuschließen, dass sich der Beschuldigte im Fall der Freilassung in seine Heimat absetzen würde, zumal er nach Angaben seines Mittäters S. erst am Tage vor seiner Festnahme aus Albanien zurückgekehrt ist. In Anbetracht dessen kann der Umstand, dass er zwei Kinder hat, nicht zu einem die Fluchtgefahr nennenswert mindernden Umstand führen. Es bedarf vielmehr des Vollzugs der Untersuchungshaft, um die Durchführung des Strafverfahrens sicherstellen zu können. Mildere Maßnahmen im Sinn des § 116 StPO reichen dazu nicht aus.

Die Fortdauer der Untersuchungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des Tatvorwurfs und der im Verurteilungsfalle zu erwartenden Freiheitsstrafe. Soweit der Beschuldigte auf die "Dauer der Bearbeitung" verweist, vermag auch das keine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass er schon ca. zwei Wochen benötigt hat, um seine Beschwerde zu begründen. Nach der Nichtabhilfeentscheidung durch das Amtsgericht Hagen am 16. Oktober 2000 hat das Landgericht bereits zwei Tage später die Beschwerde verworfen.

Damit ist das Verfahren aber noch im ausreichenden Umfang gefördert worden und die weitere Vollstreckung der noch nicht einmal drei Monate andauernden Untersuchungshaft verhältnismäßig.

Daher war die weitere Beschwerde mit der sich aus § 473 Abs. 1 ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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