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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 01.04.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 343/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 138a
StPO § 138c
Zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im Verfahren über den Ausschluss des Rechtsanwalts als Verteidiger.
Beschluss

Strafsache

gegen 1. M.A. und 2. Rechtsanwältin N.

wegen Untreue (hier: Ausschließung eines Verteidigers)

Auf den Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Bochum vom 15. Januar 2008 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der mündlichen Verhandlung am 01. 04. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren zur Ausschließung des ehemaligen Rechtsanwalts A. von der Mitwirkung als Verteidiger der Angeschuldigten N. im Strafverfahren vor dem Amtsgericht Bochum (Az.: 74 Ls 32 Js 99/07 (35/07)) wird auf Kosten der Landeskasse eingestellt. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des ehemaligen Rechtsanwalts A. der Landeskasse aufzuerlegen.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Bochum wirft mit der am 27. September 2007 erhobenen Anklage (32 Js 99/07) den Angeschuldigten A. und Rechtsanwältin N. vor, in zwei Fällen gemeinschaftlich eine Untreue zu Lasten ihrer Mandanten begangen zu haben, indem sie Gelder, die für die Mandanten bestimmt waren, ganz oder teilweise nicht an diese weitergeleitet haben. Darüber hinaus soll die Angeschuldigte N. eine Unterschlagung begangen haben, indem sie im Eigentum eines Mandanten stehende Originalunterlagen trotz mehrfacher Aufforderung nicht an diesen herausgegeben, sondern für sich behalten hat. Wegen der Einzelheiten der Vorwürfe wird auf die Anklageschrift vom 27. September 2007 (Bl. 42 ff, Bd. I.) Bezug genommen.

Mit seinem am 08. Oktober 2007 beim Amtsgericht Bochum eingegangenen Schriftsatz vom 24. September 2007 hat der ehemalige Rechtsanwalt A. unter Beifügung einer Vollmacht vom selben Tag angezeigt, dass er die Verteidigung der Angeschuldigten N. übernommen habe.

Nachdem er auf die gerichtliche Anfrage vom 31. Oktober 2007, ob er das Mandat niederlege, nicht reagiert hatte, hat der Vorsitzende des Amtsgerichts -Schöffengericht - Bochum auf fernmündlichen Antrag der Staatsanwaltschaft Bochum die Vorgänge dem Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung über den Ausschluss des ehemaligen Rechtsanwalts A. gem. § 138 a StPO übersandt. Am 04. Januar 2008 hat die Staatsanwaltschaft Bochum mit näherer Begründung beim Amtsgericht Bochum beantragt, einen Vorlagebeschluss zu erlassen und die Vorgänge dem Oberlandesgericht Hamm vorzulegen. Das Amtsgericht Bochum hat schließlich mit Beschluss vom 15. Januar 2008 die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über den Ausschluss des ehemaligen Rechtsanwalts A. vorgelegt.

Inzwischen ist durch Verfügung des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Hamm vom 10.Januar 2008 die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft des Rechtsanwalts A. widerrufen worden. Mit weiterer Verfügung vom 21. Februar 2008 ist die sofortige Vollziehung dieser Widerrufsverfügung angeordnet worden. In diesem Widerrufsverfahren hat der ehemalige Rechtsanwalt A. einen der Tatvorwürfe bestritten, zu dem weiteren Vorwurf gegen ihn hat er sich bisher nicht eingelassen.

Mit Anschreiben vom 27. März 2008 hat der ehemalige Rechtsanwalt A. Abschriften seiner Schriftsätze vom 27. November 2007 bzw. 14. Februar 2008, gerichtet an das Amtsgericht Bochum, vorlegen lassen, in denen er das Mandat zur Vertretung von Rechtanwältin N. niederlegt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 01. April 2008 ist er nicht erschienen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Ausschließungsverfahren einzustellen.

II.

Das Ausschließungsverfahren gegen den ehemaligen Rechtsanwalt A. war nach dessen Mandatsniederlegung einzustellen.

1. Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 138 c Abs. 1 S. 1 StPO für die Entscheidungen im Ausschließungsverfahren zuständig. Die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts, die dann in Betracht kommt, wenn ein Rechtsanwalt erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn von einem Mitangeklagten zum Verteidiger gewählt wird (vgl. BGH, StV 1996, 469 f), ist hier nicht gegeben.

Die Auffassung des Oberlandesgerichts Celle, nach der die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts bereits dann gegeben ist, wenn gegen den Verteidiger in demselben Ermittlungsverfahren ermittelt wird (vgl. OLG Celle, NJW 2001, 3564 f; vgl. dazu auch Pfeiffer, StPO; SK-Wohlers, StPO, Loseblattsammlung, Stand: Februar 2006, § 138, Rdnr. 12; Burhoff , Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 4. Aufl., Rdnr. 1907 m.w.N.), wird vom Senat nicht geteilt. Auch der Bundesgerichtshof hat in einer weiteren Entscheidung vom 21. März 2000 (2 ARs 489/99, www.juris.de), die allerdings vom Oberlandesgericht Celle nicht erwähnt wird, die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für gegeben erachtet, obwohl bereits im selben Verfahren gegen den Verteidiger wegen einer Tatbeteiligung an der Straftat seiner Mandanten Ermittlungen eingeleitet worden waren.

Die Regelungen der §§ 138 a ff. StPO sind durch das Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3686) als Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 1973 (NJW 1973, 696 ff) eingeführt worden. Gerade wegen des erheblichen Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts durch eine Ausschließung als Strafverteidiger in einem konkreten Verfahren (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf, abgedruckt z.B. in AnwBl. 1974, 215 ff.) hat der Gesetzgeber die grundsätzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte und damit die Zuständigkeit eines anderen als des erkennenden Gerichts angeordnet. Durch diese Regelung sollte darüber hinaus der Erwägung Rechnung getragen werden, dass das Verhandlungsklima durch eine Entscheidungskompetenz des erkennenden Gerichts erheblich belastet werden könnte (vgl. AnwBl. 1974, 215, 216,). Darüber hinaus sollte die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach dem Willen des Gesetzgebers die Gewähr für eine einheitliche Rechtsprechung zur Frage des Verteidigerausschlusses bieten (vgl. AnwBl. 1974, 215, 218). Eine Differenzierung danach, ob bereits ein Ermittlungsverfahren gegen den Verteidiger, der ausgeschlossen werden soll, eingeleitet worden ist und ob gegen ihn im selben oder einem anderen Ermittlungsverfahren als gegen seinen Mandanten ermittelt wird, hat der Gesetzgeber dabei nicht getroffen. Eine derartige Differenzierung lässt sich auch der Begründung zum Gesetzentwurf nicht entnehmen.

Der Bundesgerichtshof hat allerdings bereits im o.g. Beschluss vom 26. Januar 1996 (StV 1996, 469 f) darauf hingewiesen, dass auch vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und vor der Einführung der §§ 138 a ff. StPO nie angezweifelt worden sei, dass die Stellung des Verteidigers mit der Rolle des Angeklagten im Strafverfahren unvereinbar sei. Dieser Rollenkonflikt sei weder Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gewesen noch sei er deshalb von den gesetzlichen Regelungen erfasst worden. Diese hätten nur den Verteidiger im Auge gehabt, der verfahrensrechtlich nicht gehindert sei, in dieser Funktion aufzutreten, bei dem aber der Verdacht einer Verstrickung in das Tatgeschehen bestehe. Dieser Verdacht solle in einem besonderen Verfahren geprüft werden. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Verteidiger bedürfe es eines solchen besonderen, dem Oberlandesgericht vorbehaltenen Verfahrens nicht mehr. Dem Oberlandesgericht verbliebe nach der Eröffnung des Hauptverfahrens ohnehin faktisch kein Prüfungsgegenstand mehr, da die Frage, ob ein hinreichender Tatverdacht bestehe, durch die bloße Feststellung, dass das Hauptverfahren eröffnet sei, beantwortet sei. Daher sei in diesen Fällen das Verfahren nach den §§ 138 a ff. StPO nicht erforderlich. Das Oberlandesgericht Celle hat im Anschluss an diese Entscheidung schon dann die Möglichkeit des erkennenden Gerichts gesehen, gem. § 146 a StPO selbst über den Ausschluss des Verteidigers zu entscheiden, wenn gegen den Verteidiger und seinen Mandanten im selben Verfahren ermittelt wird. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Soweit das Oberlandesgericht Celle zur Begründung seiner Auffassung auf die bestehenden Interessenkonflikte zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger, gegen den wegen der Beteiligung an der Tat ermittelt wird, hinweist, liegt dieser Interessenkonflikt unabhängig davon vor, ob im selben oder einem davon getrennten Ermittlungsverfahren gegen beide ermittelt wird. Gerade dieser Interessenkonflikt stellt den Grund für die Ausschließung des Verteidigers an der Mitwirkung im Verfahren dar. Unter anderem zu diesem Zweck sind die Regelungen der § 138 a ff. StPO geschaffen worden, so dass sich aus dem bestehenden Interessenkonflikt kein Grund für die Nichtanwendung der § 138 a ff. StPO folgern lässt. Auch der Hinweis des Oberlandesgerichts Celle darauf, dass das Bundesverfassungsgericht die Befugnis des Strafrichters, einen Rechtsanwalt in derartigen Verfahren - damit sind in demselben Verfahren geführte Strafverfahren gemeint - von der Verteidigung auszuschließen, ausdrücklich unangetastet gelassen habe, geht fehl. Das Bundesverfassungsgericht (NJW 1973, 696, 697 (unter III. 2)) hat nämlich insoweit nur den Fall des Rechtsanwalts genannt, der Mitangeklagter ist, gegen den das Verfahren also bereits eröffnet ist. Dass dies auch für - lediglich - mitbeschuldigte oder mitangeschuldigte Rechtsanwälte gelten soll, lässt sich der verfassungsgerichtlichen Entscheidung nicht entnehmen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Rechte des Verteidigers in der Hauptverhandlung, die gerade kennzeichnend für die unterschiedlichen Rollen des Verteidigers und des Angeklagten sind, nämlich besondere Fragerechte gem. §§ 239, 240 Abs. 2 S. 2 StPO, die fehlende Möglichkeit des vorübergehenden Ausschlusses nach § 247 StPO sowie der Verhängung von Ordnungsmitteln gem. §§ 177, 178 GVG, im Ermittlungsverfahren sowie im Zwischenverfahren noch nicht bestehen. Vielmehr hat der Beschuldigte bzw. Angeschuldigte mit Ausnahme des Akteneinsichtsrechts in diesen Verfahrensstadien im wesentlichen dieselben Rechte wie sein Verteidiger.

Hinzu kommt, dass eine gerichtliche Entscheidung über die Frage des hinreichenden Tatverdachts vor der Eröffnung des Hauptverfahrens nicht vorliegt, so dass A. als in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 1996 ( StV 1996, 469 f.) eine inhaltliche Überprüfung des hinreichenden Tatverdachts noch zu erfolgen hat. Diese Überprüfung obliegt nach der gesetzlichen Regelung dem Oberlandesgericht. Von dieser gesetzlichen Regelung abzuweichen, besteht aus den vorgenannten Gründen kein Anlass.

2. Einer Weiterführung des Ausschließungsverfahrens gem. § 138 c Abs. 5 StPO mit dem Ziel der Feststellung, ob die Mitwirkung des ausgeschiedenen Rechtsanwalts als Verteidiger zulässig ist, bedurfte es nicht. Eine derartige Weiterführung kommt nur in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Verteidiger in dem Verfahren, für welches er ausgeschlossen werden soll, erneut als Verteidiger tätig werden will (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 138 c Rdnr. 16, OLG Düsseldorf, StV 1995, 570) Derartige Anhaltspunkte bestehen auch angesichts des mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Widerrufs der Zulassung von Rechtsanwalt A. zur Rechtsanwaltschaft vorliegend nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs.1, Abs.4 StPO. Nach dem § 138 c Abs. 6 StPO zugrundeliegenden Rechtsgedanken erscheint es schon deshalb nicht unbillig, von der Auferlegung der notwendigen Auslagen auf die Landeskasse abzusehen, weil Rechtsanwalt A. auf die Anfrage des Amtsgerichts Bochum, ob er das Mandat niederlege, zunächst nicht reagiert und somit die Einleitung des Ausschließungsverfahrens verursacht hat.

Ende der Entscheidung

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