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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.01.2001
Aktenzeichen: 20 U 134/00
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 61
Leitsatz:

Grobe Fahrlässigkeit bei Rotlichtverstoß:

VN hatte Ampelanlage erkannt und nicht bemerkt, daß diese auf "rot" umsprang, obwohl er mindestens 9 Sekunden auf eine nicht mehr "grün" zeigende Ampel zufuhr.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 134/00 OLG Hamm 9 O 307/99 LG Hagen

Verkündet am 10. Januar 2001

Spilker, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann, die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und den Richter am Oberlandesgericht Meißner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 20. April 2000 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger unterhält bei der Beklagten für seinen Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen eine Vollkaskoversicherung, der die AKB zugrundeliegen.

Am 26.11.1998 gegen 18.19 Uhr versursachte er in Sch W im Einmündungsbereich der in die einen Verkehrsunfall, weil er trotz für ihn geltenden Rotlichts in den Einmündungsbereich eingefahren und dort mit dem von rechts kommenden Pkw VW Golf des Geschädigten D kollidierte. Dabei wurde auch das Fahrzeug des Klägers beschädigt. Es entstandenen Reparaturkosten in Höhe von 14.162,28 DM. Von der Beklagten verlangte der Kläger die Zahlung dieses Betrages abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 650,00 DM. Die Beklagte lehnte die Leistung ab, weil der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Die daraufhin erhobene Klage hat das Landgericht abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit welcher er sein Ziel weiterverfolgt.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

Die Beklagte ist gemäß § 61 VVG leistungsfrei, weil der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Rotlichtverstöße wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit, die offensichtlich ist, in der Regel als grob fahrlässig zu qualifizieren. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und wer das unbeachtet gelassen hat, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH VersR 1989, 582 (583)). Das Überfahren einer durch Lichtzeichen geregelten Kreuzung oder Einmündung birgt große Gefahren, insbesondere, wenn sie für den Verkehrsteilnehmer durch rotes Ampellicht gesperrt ist. Deshalb sind auch besonders hohe Anforderungen an den Verkehrsteilnehmer zu stellen. Von einem durchschnittlich sorgfältigen Kraftfahrer muß verlangt werden, daß er an der Kreuzung jedenfalls mit einem solchen Mindestmaß an Konzentration heranfährt, das ihm ermöglicht, die Lichtzeichenanlage wahrzunehmen und zu beachten. Er darf sich nicht von weniger wichtigen Vorgängen und Eindrücken ablenken lassen (BGH VersR 1992,1085; Senat, VersR 1988, 1260; 95, 92). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH und des Senats gilt für den Begriff der groben Fahrlässigkeit allerdings nicht ein ausschließlich objektiver, nur auf die Verhaltensanforderungen des Verkehrs abgestellter Maßstab. Vielmehr sind auch Umstände zu berücksichtigen, die die subjektive Seite der Verantwortlichkeit betreffen (BGH VersR 92, 1085 m.w.N.). Subjektive Besonderheiten können im Sinne einer Entlastung von dem schweren Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ins Gewicht fallen. Dabei reicht allerdings die Feststellung eines sogenannten "Augenblicksversagens" allein zur Entlastung nicht, wenn dies auch durchaus ein entlastendes Moment sein kann (BGH VersR 92, 1085; Senat, in NVersZ 2000, 386).

Ausgangspunkt ist regelmäßig der Sachvortrag des Versicherungsnehmers; die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die das Verdikt der groben Fahrlässigkeit begründen, trifft nämlich den Versicherer, der sich auf Leistungsfreiheit gemäß § 61 VVG beruft.

Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß der Kläger trotz für ihn geltenden Rotlichts in den Einmündungsbereich eingefahren ist und dadurch den Verkehrsunfall herbeigeführt hat. Auch das subjektive Verschuldensmoment, das das Verdikt der groben Fahrlässigkeit erst begründet, kann festgestellt werden. Der Senat hat mit dem Kläger im Senatstermin den Ampelphasenplan erörtert, der zum Unfallzeitpunkt galt. Daraus ergab sich, daß der Kläger, bis es zum Verkehrsunfall gekommen ist, mindestens neun Sekunden lang auf eine Ampel zugefahren ist, die nicht mehr Grünlicht zeigte. Er hat also seine Verpflichtung, das um ihn herum befindliche Verkehrsgeschehen und andere, für die sichere Führung eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr erforderliche Umstände zu beobachten, wozu das Überwachen einer bereits erkannten Lichtzeichenanlage ohne weiteres zählt, für einen Zeitraum von mindestens 9 Sekunden verletzt. Das ist bei weitem zuviel, weil er sich damit außer Stande gesetzt hat, auf Lichtwechsel zu reagieren und sein Fahrzeug erforderlichenfalls noch vor dem durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich zum Stehen bringen zu können. Er hat auch keine Tatsachen geschildert, die sein Fehlverhalten ausnahmsweise in einem milderen Licht erscheinen lassen. Die Tatsache, daß er wegen des vorangegangenen Gespräches mit seinem Rechtsanwalt über den ihm darin eröffneten Verlust an nahezu 40.000,00 DM verärgert oder abgelenkt war, stellt eine ausreichende Entschuldigung für die grobe Mißachtung elementarster Verhaltensregeln im Straßenverkehr jedenfalls nicht dar. Daß er sich einer durch Lichtzeichen geregelten Einmündung mit der für Kreuzungsanlagen typischen Gefahren näherte, war ihm bewußt. Jedenfalls in solchen Situationen muß sich ein Kraftfahrer nach Möglichkeit von allen straßenverkehrsfremden Ablenkungen freihalten.

Seine Berufung war nach alledem mit den sich aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO ergebenden Nebenfolgen zurückzuweisen.

Die Beschwerde des Klägers übersteigt 60.000,00 DM nicht.

Ende der Entscheidung

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