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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: 20 U 134/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 286
BGB § 286
BGB § 288 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 22. Mai 2007 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die C AG, vertreten durch den Vorstand, L-Straße, #### N, Finanzierung Nr. #####/####, 12.600,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.04.2006 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 90 % und der Kläger zu 10 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei dieser genommenen Fahrzeugversicherung (Fahrzeugteilversicherung ohne SB, hilfsweise Fahrzeugvollversicherung mit 300 € SB) aufgrund eines Verkehrsunfalles, den er mit seinem von der C Bank finanzierten MB C 320 T am 13.03.2006 gegen 20.45 Uhr erlitt, auf Zahlung von 13.375,41 € (Reparaturkosten) und 520,94 € (Gutachterkosten) sowie anteiliger Rechtsanwalts-Kosten in Anspruch. Die C Bank hat sich mit der Prozessführung durch den Kläger einverstanden erklärt.

Zum angegebenen Zeitpunkt befuhr der Kläger den mit Schnee bedeckten H-Weg von C3 in Richtung C2. Aus zwischen den Parteien streitiger Ursache kam der Kläger mit dem Pkw kurz vor einer Linkskurve von der Fahrbahn ab und prallte mit der rechten Fahrzeugseite gegen einen Baum. Die herbeigerufenen Polizeibeamten X und F vermerkten in der Unfallmitteilung einen Wildunfall und die Erkennbarkeit von Haaranhaftungen und Blutspuren (Bl. 5 d. A.).

Aufgrund der telefonischen Meldung des Unfalls durch den Kläger beauftragte die Beklagte die E mit der Begutachtung des Unfallschadens. Der Gutachter V besichtigte den Wagen zunächst am 15.03.2006. Rund eine Woche später besichtigte er den Pkw erneut und nahm von der linken Seite des Pkw zwei Proben (Flüssigkeit und Haare). Am 24.03.2006 stellte er das Gutachten fertig und gelangte zu einem Reparaturaufwand von 7.774,20 € (Bl. 56 ff. d. A.)

In der Schadensmitteilung vom 19.03.2006 (Bl. 77 d. A.) schilderte der Kläger den Unfall dergestalt, dass er mit einem Reh kollidiert sei. Der vom Kläger beauftragte Sachverständige N ermittelte in seinem Gutachten vom 05.04.2006 Reparaturkosten von 13.375,41 € (Bl. 6 ff. d. A.) und stellte dem Kläger Gutachtenkosten von 520,94 € in Rechnung (Bl. 25 d. A.).

Ein von der Beklagten in Auftrag gegebenes wildbiologisches Gutachten (Untersuchung der von dem Zeugen V genommenen Proben) gelangt zum Ergebnis, dass es sich weder um Tierblut noch um Tierhaare handelte (Bl. 76 ff. d. A.).

Die Beklagte lehnte eine Regulierung mit der Begründung ab, es habe sich nicht um einen Wildunfall gehandelt.

Der Kläger hat behauptet, es sei ihm ein Reh in den linken Kotflügel gelaufen. Durch den Aufprall sei seine Fahrtrichtung nach rechts abgewichen, weshalb er dann gegen den Baum geprallt sei. Er sei mit rd. 30 km/h gefahren. Durch den Aufprall des Rehs sei der linken Scheinwerfer eingedrückt worden und die Scheinwerferhalterung gebrochen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1.) an die C AG, vertreten durch den Vorstand, L-Straße, #### N, Finanzierung Nr. #####/####, 13.375,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.04.2006 zu zahlen,

2.) an ihn 520,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.04.2006 sowie 449,96 € an vorgerichtlichen Anwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat - in Bezug auf die Fahrzeugteilversicherung - einen Zusammenstoß mit einem Reh bestritten und sich - in Bezug auf die Fahrzeugvollversicherung - auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen berufen.

Das Landgericht hat die Zeugen X, F (Polizeibeamte), W (Jagdpächter) und V gehört und ein mündliches Gutachten des Sachverständigen K eingeholt. Es hat sodann die Klage abgewiesen: Ein Wildunfall sei nicht bewiesen. In Bezug auf die Vollkaskoversicherung sei die Beklagte leistungsfrei, da der Kläger Aufklärungsobliegenheiten verletzt habe. Er habe falsche Angaben zur Unfallursache gemacht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe eine Kollision mit einem Reh nicht stattgefunden.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter:

Aufgrund der Aussagen der Zeugen X und F habe er bewiesen, dass es sich um einen Wildunfall gehandelt habe. Den Bekundungen des Zeugen W könne nicht gefolgt werden. Entsprechendes gelte in Bezug auf die Ausführungen des Sachverständigen K.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat den Kläger persönlich angehört und die Zeugen F, X und W sowie den Sachverständigen K ergänzend vernommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung (und die Klage) ist überwiegend begründet. Dem Kläger steht aus der Fahrzeugvollversicherung ein Anspruch auf Zahlung (an die C AG) in Höhe von 12.600,78 € nebst Zinsen zu. Im Einzelnen:

1.) Der Versicherungsnehmer hat für das Vorliegen eines in der Fahrzeugteilversicherung versicherten Wildunfalls den vollen Beweis nach § 286 ZPO zu erbringen. Im Falle eines Entschädigungsanspruchs wegen eines Zusammenstoßes mit Haarwild (§§ 12 Nr. 1 I d AKB, 2 Abs. 1 BJagdG) hat der Versicherungsnehmer nachzuweisen, dass es zu einer Berührung zwischen dem Kraftfahrzeug und dem Haarwild gekommen ist. Der Umstand muss auch für den eingetretenen Schaden ursächlich sein (vgl. BGH, r+s 1992, 82; OLG Köln, r + s 2005, 457).

Ist zwischen den Parteien - wie vorliegend - unstreitig, dass sich (jedenfalls) ein unter die Fahrzeugvollversicherung (§ 12 Abs. 1 Teil II f AKB) fallender Unfall ereignet hat und stellt der Versicherer - entgegen den Angaben des VN - in Abrede, dass ein Wildunfall vorliegt, so kann der Versicherer nach allgemeinen Grundsätzen wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nur dann leistungsfrei (§ 7 I Abs. 2, V Abs. 2 AKB uniVersa, § 6 Abs. 3 VVG) werden, wenn er - ebenfalls mit dem Beweismaßstab des § 286 ZPO - beweist, dass sich ein Wildunfall nicht ereignet hat (und der Versicherungsnehmer - vermutet vorsätzlich - falsche Angaben gemacht hat).

2.) Nach dem Ergebnis der ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme und Anhörung des Klägers steht weder zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass eine Kollision mit einem Reh stattgefunden hat, noch dass eine Kollision mit einem Reh nicht stattgefunden hat. Dieses non liquet geht in Bezug auf die Fahrzeugteilversicherung zu Lasten des Klägers, sodass ihm ein solcher Anspruch nicht zusteht. In der Fahrzeugvollversicherung geht das non liquet zu Lasten der Beklagten, so dass sie nicht leistungsfrei geworden ist und dem Kläger der geltend gemachte Anspruch - weil sich ein in der Fahrzeugvollversicherung versicherter Unfall unstreitig ereignet hat - dem Grunde nach zusteht.

a) Für einen Zusammenstoß mit einem Reh sprechen die polizeiliche Unfallmitteilung in der es heißt: "Wildunfall, Haaranhaftung erkennbar und Blutspuren, JAB erhielt Kenntnis" (Bl. 5 d. A. ) und die Aussagen der Zeugen X und F in erster und zweiter Instanz. Der (ebenso wie der Zeuge X in der Aufnahme von Wildunfällen erfahrene) Zeuge F hat sich auf den Inhalt der Unfallmittelung berufen und bekundet, dass er keine Zweifel daran gehabt habe, dass es sich um einen Wildunfall gehandelt habe. Ähnlich hat sich der Zeuge X geäußert. Auch er habe keine vernünftigen Zweifel daran gehabt, dass sich ein Wildunfall ereignet habe. Andernfalls hätte er den Sachverhalt nicht so wie in der Unfallmittelung geschehen, aufgenommen. Konkret konnte er sich insbesondere noch daran erinnern, dass die vorgefundenen Haaranhaftungen plausibel waren. Eigentümlich sei ihm nur vorgekommen, dass er keine Wildspuren gefunden habe.

b) Gegen einen Zusammenstoß mit einem Reh spricht die Aussage des Zeugen W. Dieser hat sich am nächsten morgen die Unfallörtlichkeit angesehen und keine Wildspuren (Fuß- oder Blutspuren) festgestellt. Auch sein Hund habe keine Spuren angezeigt. Allerdings hat der Zeuge eingeräumt, dass er einen Zusammenstoß auch nicht zu 100 % ausschließen kann.

c) Weder gegen noch für einen Zusammenstoß sprechen der Inhalt des wildbiologischen Gutachtes vom 31.03.2006 und die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen K. Zwar folgt aus dem wildbiologischen Gutachten, dass die vom Zeugen V genommenen Proben nicht von einem Tier stammten. Im Hinblick auf den unstreitigen Umstand, dass der Zeuge V die Proben erst rund eine Woche nach dem Unfall genommen hat und der Wagen während dieser Zeit im Freien gestanden hat, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Proben um die Haare bzw. Flüssigkeit gehandelt hat, die die Zeugen F und X wahrgenommen haben. Nach den Ausführungen des Sachverständigen K ist die vom Kläger im Senatstermin abgegebene Schilderung des Unfallhergangs aus technischer Sicht nachvollziehbar. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren sei.

d) Bei dieser Sachlage weder das eine noch das andere bewiesen ist. Das führt zur oben dargestellten Beweislastfolge.

3.) Nach den - von keiner Partei angegriffenen - Ausführungen des Sachverständigen K betragen die Reparaturkosten (incl. Mehrwertsteuer) 12.900,78 €. Hiervon ist die vereinbarte Selbstbeteiligung von 300,00 € abzuziehen, so dass sich ein Anspruch von 12.600,78 € errechnet. Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB, weil sich die Beklagte seit dem 29.04.2006 in Verzug befindet.

4.) Demgegenüber stehen dem Kläger keine Ansprüche auf Ersatz von Gutacherkosten und von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. In der Fahrzeugvollversicherung sind Gutachterkosten nicht versichert. Unter dem Gesichtspunkt des Verzuges stehen dem Kläger diese Ansprüche ebenfalls nicht zu, weil sich die Beklagte weder zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts (spätestens am 03.04.2006) noch zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters N (am 30.03.2006) in Verzug befunden hat.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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