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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.03.2000
Aktenzeichen: 20 U 143/99
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 14
VVG § 70
VVG § 73
Leitsatz

Dem Zwangsverwalter steht kein § 70 Abs. 2 VVG entsprechendes Kündigungsrecht bezüglich der vom Schuldner abgeschlossenen Versicherungsverträge zu.

§ 73 VVG ist nicht auf die Zwangsverwaltung entsprechend anzuwenden.


OBERLANDESGERICHT HAMM

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 143/99 OLG Hamm 6 O 104/99 LG Essen

Verkündet am 08. März 2000

Knott, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 08. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann, die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und den Richter am Oberlandesgericht Meißner

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil vom 19. Januar 2000 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, daß Zinsen nur in Höhe von 6 % zu zahlen sind.

Wegen des Zinsmehranspruches wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Den Beklagten werden auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist begründet.

Die Beklagten sind gemäß § 1 Abs. 2 VVG verpflichtet, die Prämien für die Versicherungen für das Geschäftszentrum in für das Jahr 1998, die sich auf insgesamt 28.431,70 DM belaufen, zu entrichten. Die Beklagten haben das Geschäftszentrum im Jahr 1996 erworben und sind gem. § 69 Abs. 1 VVG in die für das Objekt bestehenden Versicherungsverträge eingetreten.

Diese Versicherungsverträge sind nicht durch das Schreiben des Zwangsverwalters vom 23.12.1997, wegen dessen Inhalts auf Blatt 75 der Akte verwiesen wird, gekündigt worden, sondern haben über den 31.12.1997 auch 1998 fortbestanden. Das hat zur Folge, daß die Beklagten die am 01.01.1998 fälligen Versicherungsprämien bezahlen müssen.

1.

Es kann letztlich dahinstehen, ob in dein Schreiben des Zwangsverwalters vom 23.12.1997 überhaupt eine Kündigungserklärung zu sehen ist, wie das Landgericht gemeint hat. In diesem Schreiben weist der Zwangsverwalter nämlich lediglich darauf hin, daß er in seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter nicht Rechtsnachfolger des Versicherungsnehmers sei. Soweit es dann weiter heißt "... weshalb ich das Versicherungsverhältnis nicht über den 31.12.1997 fortsetzte", erklärt der Zwangsverwalter damit lediglich, daß er in die bestehenden Versicherungsverträge nicht einzutreten gedenke, was er im Rahmen seiner Pflichten nach § 152 ZVG auch nicht muß (vgl. dazu Prölls/Martin, VVG, 26. Aufl., § 14 Rdnr. 13). Er ist nicht an die vom Eigentümer bzw. Schuldner geschlossenen Versicherungsverträge gebunden, sondern lediglich verpflichtet, für ein etwa nicht ausreichend versichertes Objekt die notwendigen Verträge abzuschließen. Die mit dem Eigentümer bestehenden Versicherungsverträge bleiben grundsätzlich aufrechterhalten.

2.

Der Zwangsverwalter war nicht dazu berechtigt, die Kündigung der Versicherungsverträge zu erklären.

Gemäß § 70 Abs. 2 VVG ist der Erwerber einer versicherten Sache berechtigt, das Versicherungsverhältnis nach Erwerb innerhalb der in der genannten Vorschrift geregelten Frist zu kündigen. Diese Bestimmung gilt jedoch nicht für den Zwangsverwalter. Soweit gem. § 73 VVG bei einer Zwangsversteigerung der versicherten Sache die Vorschriften der §§ 69 - 72 VVG entsprechende Anwendung finden, ist die Verweisung auf den Erwerb der versicherten Sache durch Zwangsversteigerung beschränkt und nicht auf die Zwangsverwaltung nach §§ 146 ff ZVG auszudehnen. Die §§ 69 ff VVG enthalten Regeln für den Fall des Eigeritumswechsels der versicherten Sache, d. h. für den Schuldner- bzw. Gläubigerwechsel auf Seiten des Versicherungsnehmers. § 73 VVG verweist auf diese Bestimmungen, weil der Zuschlag nach § 90 ZVG für den Versicherungsvertrag die gleiche Wirkung haben soll wie der rechtsgeschäftliche Eigentumswechsel. Die Zwangsverwaltung ist hingegen nicht auf einen Eigentumswechsel gerichtet. Der Zwangsverwalter handelt zwar selbständig und wird im eigenen Namen und aus eigenem Recht tätig, aber er erwirbt nicht die Rechte des Schuldners und wird nicht Eigentümer des Grundstücks (vgl. dazu Zeller/Stöber, ZVG, § 152 Rdnr. 3.1). Vom Eigentümer eingegangene Versicherungsverträge wirken ohne dessen Eintritt nicht gegen den Zwangsverwalter. Er hat daher auch keine Rechte und Pflichten aus diesen Verträgen wie zum Beispiel das Recht der Kündigung nach § 70 Abs. 2 VVG (vgl. dazu Prölss/Martin, a. a. O., § 14 Rdnr. 13; Römer Langheid, VVGG, § 14 Rdnr. 7).

Soweit die Beklagten und das Landgericht über § 146 ZVG auch andere gesetzliche Bestimmungen, die die Zwangsversteigerung betreffen, entsprechend auf die Zwangsverwaltung anwenden wollen und damit offenbar § 73 VVG meinen, verkennen sie, daß eine entsprechende Anwendung nur dort in Frage kommt, wo Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung gleiche Ziele verfolgen. § 73 VVG bezieht sich aber auf gleichgelagerte Interessen bei Erwerb eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung mit sonstigem Erwerb eines Grundstücks. Anlaß für die Verweisung in § 73 VVG auf die Bestimmungen der §§ 69 - 72 VVG ist allein der Erwerbsvorgang und nicht die Zwangsbewirtschaftung des Grundstücks. Eine Ausdehnung des § 146 ZVG auf beliebige andere gesetzliche Regelungen außerhalb des ZVG kommt daher nicht in Betracht.

Entgegen der Auffassung der Beklagten haftet die Klägerin auch nicht aus dem Gesichtspunkt der PVV des Versicherungsvertrages auf Schadensersatz mit der Folge, daß die Beklagten so zu stellen wären, als hätten sie das Versicherungsverhältnis rechtzeitig gekündigt. Eine Pflichtverletzung der Klägerin gegenüber den Beklagten als Versicherungsnehmern ist nämlich aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich und von den Beklagten auch nicht konkret vorgetragen. Die Klägerin war nicht gehalten, die Beklagten über die mit dem Zwangsverwalter geführte Korrespondenz zu unterrichten.

Die Beklagten schulden der Klägerin daher die Versicherungsprämien für das Jahr 1998 zuzüglich 6 % Zinsen seit dem 22.04.1998 gem. §§ 284, 286 BGB. Mit dieser Maßgabe war das Versäumnisurteil des Senats vom 19. Januar 2000, durch das die Beklagten unter Abänderung der Entscheidung des Landgerichts zur Zahlung der Versicherungsprämien verurteilt worden sind, aufrechtzuerhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2, 542, 344 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 28.431,70 DM.

Ende der Entscheidung

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