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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 25.02.2000
Aktenzeichen: 20 U 151/99
Rechtsgebiete: AKB


Vorschriften:

AKB § 12
Leitsatz

Steht fest, daß dem Versicherungsnehmer das Fahrzeug entwendet wurde, bleibt aber ungeklärt, ob dies durch Unterschlagung oder Diebstahl erfolgte, bleibt der Versicherer beweisfällig, wenn auch nicht geklärt werden kann, ob eine eventuelle Unterschlagung vom Mieter oder von einem Dritten ausgeübt wurde.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 151/99 OLG Hamm 3 O 409/98 LG Paderborn

Verkündet am 25.02.2000

Knott, Justizang als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2000 (durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann, die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und den Richter am Oberlandesgericht Rüther

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das im 24. Juni 1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.200,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28. August 1998 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 37 % und die Beklagte 63 %.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger zu 20 % und der Beklagten zu 80 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand und Entscheidungsgründe

(abgekürzt nach § 543 Abs. 1 ZPO)

I.

Der Kläger ist Inhaber eines Peugeot-Autohauses und betreibt außerdem eine Autovermietung.

Er unterhielt bei der Beklagten für einen Klein-LKW vom Typ Peugeot Boxer - Erstzul. 11/97 - eine Fahrzeugversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 300,-- DM bei Teilkaskoschäden.

Mit Mietvertrag vom 7.2.1998 vermietete er dieses Fahrzeug als Selbstfahrermietfahrzeug an den Zeugen H einen Kosovo-Albaner, der mit seiner Familie als Asylbewerber in Deutschland lebte. Als Mietzeit war der Zeitraum von Samstag, 7.2.1998, 8.50 Uhr bis Sonntag, 8.2.1998, 20.00 Uhr vereinbart. Der Zeuge H, dessen Asylantrag abgelehnt worden und dessen Ausreise aus Deutschland für den 9.2.1998 per Flugzeug angeordnet war, fuhr zusammen mit dem Zeugen W am 8.2.1998 mit dem o.g. Mietfahrzeug des Klägers ohne dessen Wissen in Richtung Jugoslawien. Als das Fahrzeug am 9.2.1998 dem Kläger noch nicht wieder zurückgebracht worden war, erstattete dieser bei der Polizei Anzeige wegen "Unterschlagung eines gemieteten Kleintransporters durch Nichteinhalten des vereinbarten Rückgabetermins". Am 15.2.1998 zeigte er den Schaden auch der Beklagten an.

Die Zeugen H und W sind getrennt und auf unterschiedlichen Wegen ohne das Mietfahrzeug im März 1998 nach Deutschland zurückgekehrt. Der Kläger, der sich die Schilderung der Zeugen zu eigen gemacht hat, hat behauptet, das o.g. Fahrzeug sei in B gestohlen worden. Der Zeuge W, dem der Zeuge H das Fahrzeug auf der Reise in Ungarn vor der Grenze überlassen habe, weil er zur Vermeidung von Schwierigkeiten "zu Fuß" über die Grenze habe gehen wollen, sei an der ungarisch-jugoslawischen Grenze mit dem Fahrzeug zurückgeschickt worden. Er sei dann mit dem Klein-LKW nach B zurückgefahren, habe dort wiederum mit der Polizei Schwierigkeiten bekommen und habe schließlich am Dienstag, den 10.2.1998, das Fahrzeug in B in der Nähe des im Hotels abgestellt und sei von B mit dem Zug nach Deutschland zurückgekehrt. Eine vom Kläger eingeleitete "Suchaktion" nach dem Fahrzeug habe erfolglos geendet. Das Fahrzeug sei auch bei einer späteren Reise des Zeugen W nach B nicht mehr aufgefunden worden.

Der Kläger hat von der Beklagten mit der Klage eine Entschädigung in Höhe von 44.777,35 DM, nebst Zinsen verlangt.

Die Beklagte hat Ersatzleistungen unter Hinweis auf § 12 Abs. 1 b AKB abgelehnt. Sie hat einen Diebstahl des Fahrzeugs in B sowie die Höhe des angegebenen Wiederbeschaffungswertes bestritten. Sie hat behauptet, das Fahrzeug sei von dem Zeugen H, dem es der Kläger zum Gebrauch überlassen habe, unterschlagen worden.

"Das Landgericht hat - nach Vernehmung der Zeugen H und W - die Beklagte zur Zahlung von 35.277,65 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28.8.1998 verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen.

II.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Beklagten ist nur insoweit begründet, als die Beklagte lediglich verpflichtet ist, an den Kläger eine 'Teilkaskoentschädigung in Höhe von 28.200,-- DM nebst der zugesprochenen Zinsen zu zahlen. Das weitergehende Rechtsmittel der Beklagten hat dagegen keinen Erfolg.

1.

Soweit die Beklagte die Aktivlegitimation des Klägers rügt, weil das versicherte Fahrzeug an die Peugeot Bank zur Sicherheit übereignet war, hat der Kläger durch Vorlage eines Auszugs seines bei der Bank geführten "Händlerkontos" vom 30.11.1998 belegt, daß die Sicherungsübereignung durch entsprechende Zahlung abgelöst worden ist.

2.

Der Kläger kann gem. §§ 1, 49 VVG i. Vbdg. mit § 12 Abs. 1 I b) AKB eine Entschädigung für den o.g. Klein-LKW verlangen, denn es steht fest, daß ihm das Fahrzeug entwendet worden ist. Daß die Entwendung durch Unterschlagung des Zeugen H, dem der Kläger das Fahrzeug zum Gebrauch überlassen hatte, erfolgt und deshalb gem. § 12 Abs. 1 I b) S. 2 AKB von der Versicherung ausgeschlossen ist, hat dagegen nicht festgestellt werden können. Es ist vielmehr in der Beweisaufnahme offen geblieben, ob dem Zeugen W das Fahrzeug in B gestohlen worden ist oder ob der Zeuge H den Klein-LKW unterschlagen hat oder ob der Zeuge W, dem der Zeuge H das Fahrzeug vorübergehend überlassen hatte, es unterschlagen hat. Dieses Beweisergebnis geht zu Lasten der Beklagten, die für den in § 12 Abs. 1 I b AKB enthaltenen Ausschlußtatbestand beweisbelastet ist, wenn - wie hier der Kläger zwar den - erleichterten - Beweis für eine Entwendung durch Diebstahl nicht führen kann, neben einer Unterschlagung durch denjenigen, dem der Versicherungsnehmer das Fahrzeug überlassen hat, als weitere Entwendungsmöglichkeit aber eine - versicherte - Unterschlagung durch eine andere Person ernsthaft in Betracht zu ziehen ist.

Diese Ansicht widerspricht nicht BGH VersR 93, 472.

Es ist zwar zutreffend, daß der Versicherungsnehmer beweispflichtig ist, wenn als denkbare Alternative nur ein versicherter Diebstahl und eine nicht versicherte Unterschlagung besteht. Hier aber besteht die Wahl wischen einem versicherten Diebstahl und einer im Grundsatz ebenfalls versicherten Unterschlagung. § 12 Abs. 1 I b S. 2 AKB ist nämlich als Ausschluß konzipiert, den der Versicherer beweisen muß (BGH VersR 81, 345, OLG Hamm VersR 93, 1394). Da damit die Beklagte nur auf Grund eines Ausschlusses leistungsfrei wäre, ist sie auch beweispflichtig. Dieser Beweis ist nicht erbracht.

Aufgrund der Angaben des Klägers, die die Beklagte insoweit nicht in Zweifel zieht, steht fest, daß ihm das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug entwendet worden ist. Unter einer Entwendung im Sinne des § 12 Abs. 1 I b AKB ist eine widerrechtliche Sachentziehung zu verstehen, die zur wirtschaftlichen Entrechtung des Eigentümers führt. Daß der Verlust des Fahrzeugs für den Kläger aber auf einem Diebstahl durch einer unbekannten Täter beruht, hat nicht festgestellt werden können, denn der Kläger hat schon das äußere Bild eines Diebstahls nicht bewiesen. Der Kläger stützt seine Behauptung, das Fahrzeug sei in B gestohlen worden, allein auf die Aussage des Zeugen W, der es dort nach einer nächtlichen Polizeikontrolle und einer anschließenden "Panikattacke" abgestellt haben will und "nur noch nach Hause" wollte. Der Senat hat jedoch Zweifel an der Richtigkeit der Aussage dieses Zeugen. Es ist zwar davon auszugehen, daß das Fahrzeug bei der späteren vom Kläger veranlaßten "Suchaktion" in B an dem vom Zeugen W angegebenen Ort nicht aufgefunden worden ist. Das besagt jedoch nicht, daß der Zeuge W es dort auch abgestellt hatte und daß es gegen seinen Willen von unbekannten Tätern gestohlen worden ist. Es fällt nämlich schwer Zu glauben, daß der Zeuge W das Fahrzeug mitsamt den vom Zeugen H zuvor in Deutschland zusammen gesammelten Gegenständen, die in das Kosovo transportiert werden sollten, so einfach aufgegeben hat, weil er "Panik" bekam und "nur noch nach Hause" wollte. Es ist auch kaum nachvollziehbar, daß sich der Zeuge W nach seiner Rücck ehr in Deutschland nicht bei dem Kläger gemeldet hat, um eine Rückholaktion des LKW zu veranlassen, sondern "in Deckung gegangen" ist, denn schließlich setzte er sich mit seinem Verhalten dem Verdacht der Unterschlagung des Fahrzeugs und der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aus.

Der Senat hält aber auch die Behauptung der Beklagten, der Zeuge H habe das vom Kläger gemietete Fahrzeug unterschlagen, nicht für bewiesen. Es liegt zwar der Verdacht einer Unterschlagung nahe, wenn ein abgelehnter Asylbewerber wie der Zeuge H, dem die Anordnung der Ausreise droht, ein Fahrzeug für 2 Tage mietet und damit am letzten Tag der Mietzeit eine Reise von Deutschland in das Kosovo antritt, denn es war ausgeschlossen, daß das Fahrzeug innerhalb der Mietzeit zum Kläger zurücck am.

Allein diese äußeren Umstände lassen jedoch nicht den zwingenden Schluß zu, daß der Zeuge H bei Anmietung des Fahrzeugs, bei Antritt der Reise oder auch während ihres Verlaufs die Absicht hatte, das Fahrzeug nicht zurückzubringen, sondern sich widerrechtlich zuzueignen. Es erscheint dem Senat nämlich nicht ausgeschlossen, daß der Zeuge H das Fahrzeug durch den Zeugen W wieder zurückbringen lassen wollte. Dagegen spricht nicht, daß der Zeuge W bekundet hat, von einem solchen Plan habe er nichts gewußt. Zum einen ist es denkbar, daß W nicht offenbaren will, daß er das Fahrzeug zurückbringen sollte, denn dann ist seine Schilderung, er habe das Fahrzeug in B in einer Panikattacke "aufgegeben", erst recht nicht verständlich. Zum anderen mag aber auch sein, daß W eine von vorne herein abgesprochene Rückfahrt nicht zugeben will, weil ihm der Führerschein entzogen war und er hätte einräumen müssen, eine straf- bare - Fahrt ohne Führerschein geplant zu haben. Es erscheint dem Senat aber auch nicht fernliegend, daß der Zeuge H seinen Begleiter W in seine Pläne nicht eingeweiht hat, weil er nicht sicher sein konnte, daß dieser auch dann bereit gewesen wäre, ihn in das Kosovo zu begleiten, wenn er gewußt hätte, daß er die Rückfahrt alleine antreten sollte.

Es erscheint schließlich auch nicht ausgeschlossen, daß der Zeuge H gar nicht, wie er vor dem Senat bekundet hat, im Kosovo bleiben, sondern zusammen mit dem Zeugen W wieder zurück nach Deutschland fahren wollte, wie der Zeuge W erklärt hat, und diesen Plan dem Senat nur deshalb nicht offenbart hat, weil dann offenkundig geworden wäre, daß er die Ausreiseanordnung umgehen wollte.

Schließlich spricht auch der Umstand, daß der Zeuge H das versicherte Fahrzeug nur für 2 Tage und nicht für die Mietzeit tatsächlich benötigte Zeit angemietet bzw. die nicht verlängert hat, nicht zwingend für die von der Beklagten angenommene Zueignungsabsicht, denn der Zeuge H mußte befürchten, daß der Kläger ihm das Fahrzeug für eine längere Zeit und insbesondere für eine Reise in das Kosovo wegen des hohen Risikos nicht überlassen hätte, auch wenn der Kläger dies vor dem Senat erklärt hat, oder daß er jedenfalls eine Kaution gefordert hätte, die der Zeuge H nicht hätte bezahlen können.

3.

Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend erklärt, es sei von einem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs von 28.500,-- DM auszugehen. Im Hinblick auf die vereinbarte Selbstbeteiligung des Klägers für Teilkaskoschäden beläuft sich die von der Beklagten geschuldete Entschädigung deshalb auf 28.200,-- DM.

Soweit das Landgericht die Beklagte zur Zahlung eines darüber hinausgehenden Betrages verurteilt hat, war die Entscheidung auf die Berufung der Beklagten abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der ausgeurteilte Zinsanspruch ist gem. §§ 286, 288 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.

Die Beschwer beider Parteien liegt unter 60.000,-- DM.

Ende der Entscheidung

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