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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.03.2000
Aktenzeichen: 20 U 159/99
Rechtsgebiete: VVG, AHB


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
AHB § 10
Leitsatz

Die vom Versicherungsnehmer seinem Haftpflichtversicherer erklärte Streitverkündung im Haftpflichtprozeß ist keine gerichtliche Geltendmachung des Deckungsanspruchs im Sinne des § 12 Abs. 3 VVG.

Sie hat bezüglich der laufenden Sechsmonatsfrist auch keine Unterbrechungswirkung entspr. § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB.


OBERLANDESGERICHT HAMM

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 159/99 OLG Hamm 15 O 24/99 LG Münster

Verkündet am 8. März 2000

Lammers, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2000 durch die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und die Richter am Oberlandesgericht Rüther und Meißner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 18. Mai 1999 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer privaten Haftpflichtversicherung auf Gewährung von Deckungsschutz für ein Schadenereignis, das sich in der Nacht vom 8. auf den 9. Januar 1997 ereignet haben soll, in Anspruch.

Er behauptet, in dieser Nacht habe er in der Wohnung der Eheleute S E in fahrlässig Zigarettenasche aus einem Aschenbecher in einen Papierkorb entleert, der sich in der Folgezeit entzündet und einen Zimmerbrand verursacht habe.

Durch Versäumnisurteil des Landgerichts Dortmund vom 1.12.1998 - 12 O 461/97 - ist der Kläger insoweit rechtskräftig zur Schadensersatzleistung in Höhe von 20.000,00 DM an die Eheleute S E verurteilt worden.

Die Beklagte verweigert Versicherungsschutz. Sie hält die gegen sie erhobene Deckungsklage für verfristet, weil der Kläger die ihm mit Ablehnungsschreiben vom 15.5.1997 gesetzte 6-MonatsFrist zur gerichtlichen Geltendmachung seines Leistungsanspruchs nicht gewahrt habe. Außerdem behauptet sie mit näherer Begründung, der Brandschaden sei nicht vom Kläger, sondern von Frau S verursacht worden.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage unter Hinweis auf Fristversäumnis nach § 12 Abs. 3 VVG abgewiesen. Die hiergegen gerichtete zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Beklagte ist ihm nicht nach §§ 1, 49 VVG; 1 AHB zur Gewährung von Deckungsschutz für den behaupteten Haftpflichtfall verpflichtet.

Zu Recht hat das Landgericht entschieden, daß die Beklagte gemäß § 12 Abs. 3 VVG von ihrer Deckungspflicht leistungsfrei geworden ist.

Mit Ablehnungsschreiben vom 15.5.1997 - dem Kläger zugegangen am 3.7.1997 - hat die Beklagte ihm wirksam eine 6-Monats-Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Versicherungsanspruchs gesetzt. Diese Frist war zum Zeitpunkt der Einreichung der Deckungsklage beim Landgericht am 20.1.1999 längst verstrichen.

Es entspricht allgemeiner Auffassung, daß eine vom Versicherungsnehmer dem Versicherer im Haftpflichtprozeß erklärte Streitverkündung - die hier mit Schriftsatz vom 4.12.1997 erfolgt ist - nicht als gerichtliche Geltendmachung des Versicherungsanspruchs gewertet werden kann (Senat r + s 1989, 345; OLG Köln VersR 1971, 613; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 12 VVG Rdn. 65 m.w.N.; Möller in Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl., § 12 VVG Anm. 42; Römer in Römer/Langheld, VVG, § 12 VVG Rdn. 73, Gruber in Berliner Kommentar zum VVG, § 12 VVG Rdn. 107; Späte, Haftpflichtversicherung, § 10 AHB Rdn. 5). Die abweichende Auffassung von Putzier (AnwBl. 1973, 377) ist zu Recht vereinzelt geblieben. Die Streitverkündung des Versicherungsnehmers an den Versicherer im Haftpflichtprozeß mag der Vorbereitung einer Deckungsklage dienen; als gerichtliche Geltendmachung des "Anspruchs auf die Leistung" kann sie jedoch nicht verstanden werden.

Die Streitverkündung hat auch keine Unterbrechung der dem Kläger gesetzten Frist nach § 12 Abs. 3 VVG bewirkt. Eine entsprechende Anwendung der Verjährungsregelung des § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB auf die Frist des § 12 Abs. 3 VVG ist nicht zulässig, weil letztere keine Verjährungsfrist ist (zu den Unterschieden vgl. BGH VersR 1959, 22). Daher sind die §§ 210 ff. BGB auf den Lauf der 6-Monats-Frist des § 12 Abs. 3 VVG bis zur gerichtlichen Geltendmachung des Versicherungsanspruchs weder direkt noch entsprechend anzuwenden (BGH VersR 1987, 39, 40). Die Fristen sind zu verschieden, als daß sie gleich behandelt werden könnten.

Der Beklagten ist es auch nicht aus anderen Rechtsgründen verwehrt, sich auf Fristversäumnis zu berufen.

Zwar ist sie im Haftpflichtprozeß mit Schriftsatz vom 3.12.1997 auf seiten des Klägers dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin beigetreten. Allein dies konnte und durfte der Kläger jedoch nicht so verstehen, daß damit die Fristsetzung nach § 12 Abs. 3 VVG sich erledigt habe, zumindest er mit der Erhebung der Deckungsklage noch zuwarten könne (vgl. Senat r + s 1989, 345 sowie die Rechtsprechungsnachweise bei Berliner Kommentar-Gruber § 12 VVG Rdn. 115).

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang behauptet, bei einem am 25.11.1997 stattgefundenen Telefonat zwischen seinem Anwalt L und dem Sachbearbeiter S der Beklagten sei verabredet worden, je nach dem Ausgang des Haftpflichtprozesses solle die Beklagte leisten oder nicht, hat die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme das nicht bestätigt. Es läßt sich auch nicht feststellen, daß der Zeuge Sam beim Zeugen I objektiv den Eindruck erweckt hat, daß die laufende Klagefrist wegen des beabsichtigten Beitritts der Beklagten zum Haftpflichtprozeß keine Geltung mehr habe.

Der Senat tritt der landgerichtlichen Beweiswürdigung bei. Mehrere Gesichtspunkte deuten eher darauf hin, daß das Klagevorbringen zum Inhalt des Telefonats nicht zutreffend ist. Jedenfalls läßt sich seine Richtigkeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen.

- Eine schriftliche Bestätigung der angeblichen Verabredung durch Rechtsanwalt gegenüber der Beklagten, die üblicherweise zu erwarten wäre, gibt es unstreitig nicht. Das Anwaltschreiben L vom 25.11.1997, in dem auf das vorangegangene Telefonat Bezug genommen wird, enthält insoweit keinerlei Hinweis. Es spricht sogar eher gegen die Sachdarstellung der Klage, da Rechtsanwalt ausführt, für den Fall der Versagung des Deckungsschutzes müsse er dem Kläger anraten, parallel zum Haftpflichtprozeß Deckungsklage zu erheben, um seine Rechte zu wahren.

- Auch das an die anwaltlichen Vertreter des Klägers gerichtete Schreiben der Beklagten vom 28.11.1997, mit dem der Versicherer unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung seines Rechtsstandpunktes der Leistungsfreiheit (wegen Vortäuschung eines Versicherungsfalls und Falschangaben) den Beitritt im Haftpflichtprozeß zum Zwecke "entsprechenden Vortrags" ankündigte, gibt keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß die Beklagte an ihrer Fristsetzung nicht festhalten wolle.

- Aus dem Schriftverkehr der Parteien ist zweifelsfrei zu entnehmen, daß Rechtsanwalt seinerzeit der irrigen Rechtsauffassung war, bereits durch die von ihm veranlaßte Streitverkündung sei der Lauf der 6-Monats-Frist unterbrochen worden. Es ist deshalb nicht erkennbar, daß der Anwalt aus seiner subjektiven Sicht Veranlassung gesehen hat, die Beklagte um eine Aussetzung oder Verlängerung der Frist anzugehen.

- Daß die Beklagte sich zum Beitritt auf seiten des Klägers im Haftpflichtprozeß entschlossen hat, macht - wie der Zeuge S bekundet hat - auch durchaus Sinn, weil zu diesem Zeitpunkt die 6-Monats-Frist des § 12 Abs. 3 VVG noch nicht abgelaufen war und die Beklagte deshalb noch die rechtzeitige Einleitung eines vom Kläger gegen sie angestrengten Deckungsprozesses befürchten mußte.

Der Kläger kann auch nicht beweisen, daß - entgegen der Bekundung des Zeugen S -bei dem Telefonat vom 25.11.1997 überhaupt über die laufende Klagefrist gesprochen worden ist. Es kann deshalb offenbleiben, ob S - wäre der Klägerin der Beweis gelungen - verpflichtet gewesen wäre, ausdrücklich klarzustellen, daß trotz Beitritts die 6-Monats-Frist weiterlaufe.

Zu einer erneuten Vernehmung der Zeugen L und S hat der Senat keine Veranlassung gesehen. Ihre erstinstanzlichen Aussagen sind umfassend protokolliert. Auch die Berufung hat die Durchführung einer erneuten Beweisaufnahme nicht beantragt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 ZPO, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Die Beschwer des Klägers beträgt 27.104,06 DM.

Ende der Entscheidung

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