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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.06.2000
Aktenzeichen: 20 U 196/99
Rechtsgebiete: VVG, ZPO


Vorschriften:

VVG § 16
ZPO § 97
ZPO § 92
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 196/99 OLG Hamm 2 O 63/99 LG Siegen

Verkündet am 21. Juni 2000

Lammers, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann und die Richter am Oberlandesgericht Rüther und Meißner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 13. August 1999 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 99.628,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25.06.1998 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 130.000,00 DM abzuwenden, soweit nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beide Parteien können die Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft erbringen.

Tatbestand:

Der Kläger ist der Ehemann und Bezugsberechtigte aus der Lebensversicherung seiner am 29.05.1998 im Alter von knapp 31 Jahren verstorbenen Ehefrau. Sie ist an diesem Tage tot im Garten aufgefunden worden, mit dem Gesicht in einer kleinen Bodenvertiefung liegend. Die unmittelbare Todesursache war ersticken infolge Einatmens von Erdreich. Der Hausarzt der Verstorbenen gab als Grundleiden in dem Bericht, den die Beklagte im Rahmen der Leistungsprüfung anforderte, eine "Synkope unklarer Ursache" an. Die Verstorbene habe seit etwa 1995 unter rezidivierenden Synkopen gelitten. Der Versicherungsvertrag stammt aus dem Jahre 1995. Der Antrag, den die Verstorbene am 21.04.1995 bei dem Agenten N unterzeichnete, enthielt auch Gesundheitsfragen. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

5.

Sind Sie in den letzten fünf Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden? (beantwortet durch Ankreuzen der Alternative "ja")

6.

Bestehen oder bestanden

a)

Erkrankungen, Störungen oder Beschwerden des Herzens, des Kreislaufs, der Atmungsorgane, der Verdauungsorgane, des Stoffwechsels, der Harn- oder Geschlechtsorgane, des Gehirns, des Rückenmarks oder Nerven, der Augen, Ohren, Haut, Knochen, Gelenke, Drüsen, Milz, des Halses, Blutes? (beantwortet durch Ankreuzen der Alternative "nein")

b)

Andere Krankheiten, Gesundheitsstörungen oder Beschwerden, nach denen nicht ausdrücklich gefragt ist? (beantwortet durch Ankreuzen der Alternative "nein")

10.

Geben Sie bitte zu den Fragen, die mit "ja" beantwortet worden sind, nähere Einzelheiten an (ggfls. gesondertes Blatt beifügen): Art der Gesundheitsstörung bzw. Behandlung (beantwortet durch "Vorsorgeuntersuchung ohne krankhaften Befund"

wann und wie lange (beantwortet durch "02/95")

von wem, Name und Anschrift (beantwortet durch "M krankenhaus S")

Ist Heilung erfolgt? (Beantwortet durch Ankreuzen der Alternative "ja")

Diesen Antrag nahm die Beklagte am 18.05.1995 an und erteilte einen Versicherungsschein.

Mit Einschreibebrief vom 24.06.1998 erklärte die Beklagte - vorerst ohne nähere Begründung - den Rücktritt vom Vertrag, weil sie nach dem derzeitigen Sachstand davon ausgehen müsse, daß die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt worden sei. Mit Einschreibebrief vom 15.10.1998 begründet die Beklagte den Rücktritt näher. Sie führte aus, daß die Versicherungsnehmerin sich vom 03. bis zum 08.02.1995 nach einer Synkope unklarer Genese in stationärer Krankenhausbehandlung befunden habe. Diesen Umstand habe die Versicherungsnehmerin bei der Antragstellung verschwiegen.

Der Kläger hat den Rücktritt nicht hingenommen und Klage auf Auszahlung der Versicherungssumme in Höhe von unstreitig 99.600,28 DM erhoben. Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch die Vernehmung des Agenten N die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte sei wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Die Versicherungsnehmerin habe bei Antragstellung unrichtige Angaben über ihren Gesundheitszustand gemacht. Sie habe einen Ohnmachtsanfall vom 03.02.1995 und den deshalb erforderlichen mehrtägigen Krankenhausaufenthalt verharmlost und nur ein Unwohlsein angegeben. Dieser Ohnmachtsanfall unklarer Genese sei ein gefahrerheblicher Umstand. Es bestehe ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem verschwiegenen Umstand und dem Eintritt des Versicherungsfalls.

In der Berufungsinstanz verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Der Kläger behauptet, seine Ehefrau habe den Agenten N bei der Antragsaufnahme umfassender informiert, als dies im Formular seinen Niederschlag gefunden habe. Sie habe ihm erläutert, daß sie im Dienst einen Schwindelanfall erlitten habe, bewußtlos geworden und hingefallen sei und danach im Krankenhaus stationär über mehrere Tage hinweg gründlich untersucht worden sei. Dabei sei aber keine Krankheit diagnostiziert und sie für gesund befunden worden. Die Formulierungen, die Eingang in das Antragsformular gefunden hätten, stammten vom Agenten N. Soweit diese, so meint der Kläger, hinter dem zurückblieben, was die Versicherungsnehmerin angegeben habe, gehe dies nicht zu ihren Lasten. Er meint, die Beklagte habe jedenfalls ihre eigenen Risikoprüfungsobliegenheiten verletzt. Die vom Agenten N eingetragenen Antworten hätten der Beklagten Anlaß zur Nachfrage geben müssen. Eine "Vorsorgeuntersuchung" schließe per se die Möglichkeit einer Heilung aus. Diese sei aber hier bejaht worden, so daß darin ein offenkundiger Widerspruch liege. Der Kläger bestreitet, daß die verschwiegene Bewußtlosigkeit ein gefahrerheblicher Umstand sei. Er bestreitet einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Bewußtlosigkeit aus Februar 1995 mit dem Eintritt des Versicherungsfalls. Schließlich beruft er sich darauf, daß die Beklagte nicht innerhalb der Monatsfrist den Rücktritt erklärt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 99.600,28 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 25.06.1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie behauptet, die Versicherungsnehmerin habe dem Agenten die Erklärungen gegeben, die dieser ins Antragsformular übernommen habe. Zum Vorfall vom 03.02.1995 habe sie lediglich erklärt, sie habe sich nicht wohl gefühlt und sich deshalb in dem Krankenhaus, in dem sie auch arbeite, untersuchen lassen. Die Ärzte hätten ihr gesagt, sie hätten nichts feststellen können. Den stationären Krankenhausaufenthalt habe die Versicherungsnehmerin nicht erwähnt. Die Beklagte behauptet, daß sie den Antrag jedenfalls nicht so oder nicht sofort angenommen hätte, wenn sie über die Bewußtlosigkeit unklarer Genese und den anschließenden stationären Krankenhausaufenthalt informiert gewesen wäre. Die Antworten, die im Antragsformular ihren Niederschlag gefunden hätten, hätten zu einer Nachfrage keinerlei Veranlassung gegeben.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen P. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk über die Beweisaufnahme vom 21.06.2000 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Die Klage ist - mit Ausnahme eines Teils des geltend gemachten Zinsanspruchs - begründet.

Das Zustandekommen des Vertrages, der Eintritt des Versicherungsfalls und die bei einer Leistungsverpflichtung der Beklagten auszuzahlende Versicherungssumme sind zwischen den Parteien unstreitig. In tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht streitig sind allein die Berechtigung zum Rücktritt.

1.

Nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien hatte die damals 28 Jahre alte Versicherungsnehmerin am 03.02.1995 als Nachtschwester Dienst im Krankenhaus. Ihr Dienst hatte gegen 20.00 Uhr am Vorabend begonnen. Gegen 4.20 Uhr vernahm ihre Kollegin, die eine Etage höher ihren Dienst verrichtete, ein dumpfes Geräusch und fand daraufhin die Versicherungsnehmerin im bewußtlosem Zustand und mit 2 Kopfplatzwunden am Hinterkopf auf den Boden liegend vor. Die Bewußtlosigkeit dauerte weitere 10 Minuten an. Es bestand eine Anterograde Amnesie für die letzten 30 Minuten vor dem Vorfall. Es wurde die Diagnose "Synkope unklarer Genese mit Sturz und konsekutive Kopfplatzwunde oczepital und commotio cerebri" gestellt. Die Versicherungsnehmerin wurde stationär aufgenommen und bis zum 08.02.1995 beobachtet und untersucht. Eine organische Ursache konnte nicht gefunden werden. Die Versicherungsnehmerin wurde am 08.02. wieder aus der stationären Behandlung entlassen.

Ähnliche Vorfälle hatte es bis zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. Daß eine Synkope unklarer Genese vorgelegen hat und die Versicherungsnehmerin infolge dessen gestürzt ist und sich eine Gehirnerschütterung zugezogen hat, stellt sich danach letztlich nur als Vermutung, wenn auch mit recht hohem Wahrscheinlichkeitsgrad dar.

2.

Derartige Vorfälle, plötzliche Ohnmachten und Bewußtlosigkeiten und insbesondere auch unklarer Genese, sind gefahrerhebliche Umstände im Sinne von § 16 VVG. Grundsätzlich ist jeder Umstand gefahrerheblich, der geeignet ist, auf den Entschluß des Versicherers, einen Vertrag überhaupt oder zu den vereinbarten Bedingungen abzuschließen, Einfluß auszuüben.

Eine Bereitschaft zu unvorsehbaren plötzlichen Bewußtlosigkeiten ist jedenfalls in der Lebensversicherung ein solcher Umstand. Abhängig von der jeweiligen Situation, in der sich der Betreffende befindet, kann eine derartige plötzliche Bewußtlosigkeit das Todesrisiko beträchtlich erhöhen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Beweisaufnahme. Der Zeuge P hat vielmehr bestätigt, daß derartige Synkopen unklarer Genese jedenfalls nicht zur sofortigen Annahme des Vertrages führen, sondern in der Regel Nachfragen nach sich ziehen und eine Zurückstellung von mindestens 1 Jahr bewirken.

3.

Bei dem zum Zeitpunkt der Antragstellung erst wenige Zeit zurückliegenden Vorfall vom 03.02.1995 handelt es sich auch um einen Umstand, der anzugeben war. Die Antragsfrage ist zu Nr. 6 mit ihren Teilen a) und b) ersichtlich darauf gerichtet, alle Umstände von einigem Gewicht, den nicht offenkundige Bagatellen sind, zu erfassen. Insoweit mag vielleicht als derartige Bagatelle, die nicht anzeigepflichtig ist, ein Sturz mit nachfolgender Gehirnerschütterung angesehen werden. Die Tatsache, daß es zu diesem Sturz höchstwahrscheinlich infolge einer bis dahin unerklärbaren Bewußtlosigkeit gekommen ist, war aber auch aus Sicht eines durchschnittlichen Antragstellers und damit auch der Versicherungsnehmerin ein Umstand, der den Vorfall aus dem Bereich des alltäglichen, banalen heraushebt.

4.

Auch nach der Darstellung des Klägers hat der Agent N jedenfalls die Antragsfragen zu 5., 6. und 10. verlesen.

Der Kläger behauptet, seine Ehefrau habe gegenüber dem Agenten N erklärt, sie sei bewußtlos geworden, hingefallen und danach im Krankenhaus stationär über mehrere Tage gründlich untersucht worden. Man habe bei der Untersuchung aber keinerlei Krankheit diagnostiziert und sie für gesund befunden. Er geht insoweit über seine erstinstanzlichen Behauptungen hinaus. Da hatte er noch vorgetragen, die Antragstellerin habe gegenüber dem Agenten N erklärt, sie habe im Dienst einen Schwindelanfall erlitten und sei hingefallen. Sie sei gründlich über mehrere Tage untersucht worden und man habe nichts gefunden. Über diese Behauptung hat bereits in erster Instanz eine Beweisaufnahme stattgefunden. Der Zeuge N hat angegeben, die Antragstellerin habe ihm erklärt, sie habe sich nicht wohl gefühlt und deshalb in dem Krankenhaus, in dem sie auch arbeite, untersuchen lassen. Die Ärzte hätten nichts feststellen können. Er habe deshalb in das Antragsformular die Formulierung "Vorsorgeuntersuchung ohne krankhaften Befund" aufgenommen. Ihm sei nicht gesagt worden, daß die Antragstellerin während der Arbeit einen Ohnmachtsanfall erlitten habe. Ob ihm gegenüber von einem Schwindelanfall die Rede gewesen sei, könne er nicht erinnern. Denkbar sei, daß ihm erklärt worden sei, die Ärzte hätten nach der Untersuchung gesagt, es sei nichts festgestellt worden und es habe sich um eine einmalige Angelegenheit gehandelt. Es sei auch möglich, daß er daraufhin geäußert habe, daß dann nichts ins Antragsformular aufzunehmen sei, weil es sich um eine einmalige Sache gehandelt habe. Es sei auch nicht sicher, daß er einen Ohnmachtsanfall aufgenommen hätte, wenn die Antragstellerin ihm dies gesagt hätte und erwähnt hätte, daß bei der anschließenden Untersuchung sich keine Ursachen hätten finden lassen.

Nach den Angaben des Agenten N hat die Antragstellerin also einen völligen Bewußtseinsverlust - als Ursache oder als Folge - jedenfalls nicht erwähnt und damit eine verharmlosende und deshalb unrichtige Sachverhaltsdarstellung abgegeben.

Einer Entscheidung darüber, ob damit die Angaben des Klägers widerlegt sind, bedurfte es aber nicht. Dem Beklagten ist ein Rücktritt nämlich im vorliegenden Fall auch dann verwehrt, wenn die Antragstellerin, was unterstellt werden kann, solche bagatellisierenden Angaben gemacht hat.

5.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere auch der Vernehmung des Zeugen N steht fest, daß die Versicherungsnehmerin ihm auf die verlesenen Fragen aus dem Antragsformular konkretere Angaben gemacht hat, als sie im Antragsformular ihren Niederschlag gefunden haben. Er bekundete, daß sie ihm gegenüber angegeben hat, sie sich im Februar 1995 aus konkretem Anlaß, nämlich, weil sie sich nicht wohl gefühlt habe, habe untersuchen lassen. Er hielt es auch für möglich, daß sie ihm gegenüber von Schwindelanfällen berichtete. Dieser Sachverhalt ist für die Entscheidungsfindung zu unterstellen, vor dem Hintergrund, daß in den Fällen, da ein Vermittlungsagent das Ausfüllen des Antragsformulars übernimmt, der Versicherer die Beweislast dafür trägt, daß der Versicherungsnehmer dem Agenten gegenüber nicht alle Fragen zutreffend mündlich beantwortet hat (BGHZ 102, 194, BGHZ 116, 387; 107, 322, je m.w.N.). Dabei sind die Kenntnisse, die der Vermittlungsagent bei der Antragstellung erlangt hat, dem Versicherer als eigene Kenntnis zuzurechnen (BGH a.a.O.).

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, daß ein Rücktritt nach § 16 VVG entfällt, wenn für den Versicherer Anlaß bestanden hätte, nachzuforschen und diese Nachforschungen Tatsachen erbracht hätten, auf die er jetzt seinen Rücktritt stützt (BGH VersR 93, 871; 91, 170; Senat, VersR 94, 294, zuletzt Senat, Urteil vom 23.07.1999, 20 U 162/98). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Versicherer nicht tatsächlich Kenntnis von den Umständen erlangt hat, die zur Nachfrage Anlaß gegeben hätten, sondern wenn ihm die entsprechenden Kenntnisse des Vermittlungsagenten nach der "Auge- und -Ohr"-Rechtsprechung zuzurechnen sind (Senat, Urteil vom 23.07.1999, NVersZ 2000, 166). Eine derartige Veranlassung hat im konkreten Fall bestanden. Ausgehend davon, daß der Beklagten als bekannt zuzurechnen ist, daß die Versicherungsnehmerin der Antragstellung offengelegt hat, daß es ein Schwindelanfall war, der sie dazu veranlaßt habe, sich in einem Krankenhaus untersuchen zu lassen und daß dabei keine Ursache für diesen Schwindelanfall gefunden worden sei, hatte der Versicherer eine konkrete Veranlassung, näher in die Risikoprüfung einzutreten und Nachfrage zu erhalten. Dies ergibt sich insbesondere auch unter Zugrundlegung der Risikoprüfungsgrundsätze, die die Beklagte bei der Antragsprüfung in der Regel zugrunde legt. Wie der Zeuge P im Senatstermin dargelegt hat, pflegt die Beklagte derartige Hinweise nämlich nicht zu übergehen, sondern gerade auch in Fällen eines derartigen plötzlichen Abfallens der körperlichen Leistungsfähigkeit Nachfrage zu halten, insbesondere dann, wenn die Ursache ungeklärt sei. Lasse sich die Ursache klären und stelle unter Berücksichtigung der Risikoprüfungsgrundsätze des Rückversicherers ein vertretbares Risiko da, könne der Vertrag angenommen werden. Finde sich aber keine Ursache, habe dies in der Regel die Zurückstellung des Antrags von mindestens einem Jahr zur Folge.

Eine Veranlassung zur Nachfrage bestand unabhängig davon, ob die Versicherungsnehmerin von einem Ohnmachtsanfall oder lediglich von einem Schwindelanfall berichtet hat. Beide können nämlich banaler Ursache sein, beide können aber auch gravierende organische Ursachen haben, die für einen Versicherer das Risiko als unvertretbar erscheinen lassen. Einer - dermaßen gebotenen - Nachfrage hätte die Beklagte erfahren, daß die Klägerin sich vom 23. bis zum 28. Februar 1995 in stationärem Aufenthalt im Krankenhaus befunden hatte, nachdem sie am 23.02. gegen 4.20 Uhr in bewußtlosem Zustand und verletzt, vermutlich infolge einer Synkope unklarer Genese, aufgefunden worden war. Es handelt sich dabei um eben die Tatsachen, auf welche sie jetzt ihren Rücktritt stützen will. Das ist ihr, nachdem sie ihre eigenen Risikoprüfungsobliegenheiten verletzt hat, nach dem Grundsatz, sich im Rechtsverkehr so zu verhalten, wie Treu und Glaube es gebieten, verwehrt.

6.

Nach alledem war das angefochtene Urteil abzuändern und wie im Tenor wiedergegeben zu erkennen. Allerdings stehen dem Kläger Zinsen lediglich in Höhe von 4 % zu. Einen höheren Zinsanspruch hat er nicht dargelegt. Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs hatte es dabei bei der Klageabweisung zu verbleiben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 92, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,00 DM.

Ende der Entscheidung

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