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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 04.04.2001
Aktenzeichen: 20 U 201/00
Rechtsgebiete: SGB VI, BGB, ZPO


Vorschriften:

SGB VI § 44 Abs. 1
SGB VI § 43
SGB VI § 44
BGB § 242
ZPO § 97
ZPO § 708 Ziffer 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Es ist nicht zu beanstanden, daß Zusatzversorgungskassen satzungsgemäß ihre Leistungspflicht und deren Höhe an die Entscheidungen und Leistungen der Träger der gesetzlichen Versicherung binden.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 201/00 OLG Hamm

Verkündet am 4. April 2001

In dem Rechtsstreit

Satzung der Zusatzversorgung.

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann, die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und den Richter am Oberlandesgericht Meißner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. August 2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

(abgekürzt nach § 543 Abs. 1 ZPO)

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß ihr eine von der Beklagten zu zahlende Versorgungsrente für die Zeit ab 1. Januar 1998 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zusteht.

Die Klägerin war mehrere Jahre als Gemeindeschwester tätig und zuletzt vom 15.06.1992 bis zum 31.08.1992 als pflegerische Hilfskraft im J. Krankenhaus R. beschäftigt Seither ist sie nicht mehr erwerbstätig. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Kündigung des Arbeitgebers während der Probezeit zum 31.08.1992 beendet. Das J. Krankenhaus und der frühere Arbeitgeber gehörten der Beklagten als Beteiligte an. Die Klägerin war deshalb bei der Beklagten in der Zeit vom 01.08.1980 bis 31.08.1992 pflichtversichert im Sinne von §§ 15, 16 der Satzung der Beklagten.

Mit Rentenbescheid vom 14.01.1993 bewilligte die LVA Rheinprovinz der Klägerin auf ihren Antrag vom 18.08.1992 eine befristete "Rente auf Zeit" wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 01.02.1993 bis 31.10.1994. Mit Bescheid vom 24.11.1994 erkannte die LVA Rheinprovinz die "Rente auf Zeit" bis zum 28.02.1995 an, lehnte dann aber mit Bescheid vom 10.02.1995 die Weiterzahlung über den 28.02.1995 hinaus ab, weil die "festgestellten Leistungseinschränkungen ... keine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit" über diesen Zeitpunkt hinaus bedingten. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin gegen diesen Bescheid im November 1996 Klage vor dem Sozialgericht Köln unter anderem mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an sie ab 01.03.1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit zu zahlen. Der Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Köln endete nach Einholung mehrerer Gutachten am 29.06.1999 mit dem Abschluß eines Vergleichs, in dem die Beklagte LVA Rheinprovinz das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit auf Zeit unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles vom 27.06.1997 anerkannte und sich zur Zahlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit ab 01.01.1998 bis zum 30.06.2000 verpflichtete. Dem entspricht der Rentenbescheid der LVA Rheinprovinz vom 08.09.1999, in dem es unter anderem heißt: "Die Anspruchsvoraussetzungen sind seit dem 27.06.97 erfüllt". Mit Bescheid vom 18.04.2000 ist die Rente bis zum 31.10.2000 und mit Bescheid vom 28.09.2000 weiter bis zum 31.01.2001 verlängert worden. Schließlich ist durch Bescheid der LVA vom 07.12.2000 der Rentenanspruch ohne zeitliche Begrenzung anerkannt worden, weil die Erwerbsminderung fortbesteht.

Die Beklagte gestand der Klägerin eine Versorgungsrente auf Zeit für den Zeitraum 01.02.1993 bis zum 28.02.1995 in Höhe von monatlich 392,19 DM nach § 28 Abs. 1 a ihrer Satzung zu. Nach Abschluß des sozialgerichtlichen Verfahrens bewilligte sie der Klägerin jedoch keine Versorgungsrente mehr, sondern mit Bescheid vom 11.11.1999 nur noch eine Versicherungsrente nach § 28 Abs. 1 b ihrer Satzung von monatlich 77,15 DM. Den Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid lehnte sie ab, weil zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles am 27.06.1997 eine Pflichtversicherung nicht mehr bestanden habe. Die Zusatzrente als Versicherungsrente hat sie der Klägerin auf unbestimmte Zeit bewilligt.

Die Klägerin macht geltend, ihr stehe nicht lediglich eine Versicherungsrente, sondern wie bis zum 28.02.1995 eine Versorgungsrente zu, denn der Versicherungsfall sei am 10.07.1992, und damit zu einem Zeitpunkt, als sie noch bei der Beklagten pflichtversichert gewesen sei, eingetreten. Sie sei nämlich seit dem 10.07.1992 dauerhaft bis zum heutigen Tage "arbeitsunfähig erkrankt". Die eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligenden Rentenbescheide der LVA Rheinprovinz mußten als Einheit gesehen werden, zumal der ablehnende Bescheid vom 10.02.1995 mit dem Bescheid vom 08.09.1999 aufgehoben worden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin bei Eintritt des Versicherungsfalles am 27.06.1997 nicht mehr bei der Beklagten pflichtversichert gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die der Auffassung ist, die rein formale Betrachtungsweise des Landgerichts unter Anknüpfung an den Wortlaut der Satzung berücksichtige die zugrundeliegende Interessenlage nicht. Es könne nur auf die materielle Erwerbsunfähigkeit ankommen, die seit Juli 1992 vorliege. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin aber noch bei der Beklagten pflichtversichert gewesen. Die Satzung der Beklagten halte einer Inhaltskontrolle nach dem AGBG nicht stand. Das einseitige Abstellen auf die Bescheide der Rentenversicherungsträger benachteilige Erwerbsunfähige unangemessen.

Die Beklagte verteidigt demgegenüber die Entscheidung des Landgerichts.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Der Klägerin steht eine Versorgungsrente gemäß § 28 Abs. 1 a der Satzung der Beklagten nicht zu, sondern gemäß § 28 Abs. 1 b der vorgenannten Satzung lediglich die bewilligte Versicherungsrente.

1.

Ein Anspruch auf Versorgungsrente steht einem Versicherten gemäß § 28 Abs. 1 a der Satzung der Beklagten nur dann zu, wenn er zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles bei der Beklagten pflichtversichert war. Dagegen besteht nur ein Anspruch auf Versicherungsrente, wenn der Versicherte bei Eintritt des Versicherungsfalles (nur) freiwillig weiterversichert oder beitragsfrei versichert war. Der Versicherungsfall tritt gemäß § 30 der Satzung bei einem Versicherten, der -- wie hier die Klägerin -- in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist, regelmäßig an dem Tag ein, vor, dem an auf Grund des Bescheides des Rentenversicherungsträgers seine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 1 SGB VI beginnt. Ist in dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers für den Eintritt der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit ein vor dem Rentenbeginn liegender Tag festgestellt, so tritt der Versicherungsfall an diesem Tag ein.

Gemäß § 56 der Satzung der Beklagten erlischt der Anspruch auf Versorgungs- oder Versicherungsrente unter anderem mit Ablauf des Monats wieder, für den Rente nach § 43 oder 44 Abs. 1 SGB VI (Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit) letztmals gezahlt worden ist.

2.

Wegen des Versicherungsfalles vom 10.07.1992, der dem Versorgungsrentenbescheid der Beklagten vom 04.03.1993 zugrunde gelegt worden ist, stand der Klägerin nur bis zum 28.02.1995 ein Anspruch auf Versorgungsrente zu. Dieser Anspruch ist gemäß § 56 der Satzung der Beklagten erloschen, denn die LVA Rheinprovinz hat letztmals im Februar 1995 wegen dieses Versicherungsfalles eine Erwerbsunfähigkeitsrente nach § 44 SGB gezahlt. Für die Zeit vom 01.03.1995 bis 31.12.1997 sind keine Rentenzahlungen seitens der LVA Rheinprovinz erbracht worden.

3.

Für die Zeit ab 01.01.1998 steht der Klägerin nur eine Versicherungsrente gemäß § 28 Abs. 1 b der Satzung der Beklagten zu.

Die LVA Rheinprovinz hat die Rentenzahlungen zwar nach Abschluß des Vergleichs vom 29.06.1999 und des darauf beruhenden Bescheids vom 08.09.1999 wieder aufgenommen, aber nicht unter Zugrundelegung des Versicherungsfalles vom 10.07.1992, sondern unter "Zugrundelegung eines Leistungsfalles" vom 27.06.1997. Zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles 27.06.1997 war die Klägerin aber unstreitig nicht mehr bei der Beklagten pflichtversichert, so daß ihr nach dem Wortlaut der Satzung nur Anspruch auf Versicherungsrente zusteht.

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ist auf den von der LVA Rheinprovinz festgestellten Zeitpunkt für den Eintritt des Versicherungsfalles abzustellen und nicht auf den Zeitpunkt des behaupteten Eintritts der Erwerbsunfähigkeit. Wie der Senat in der von der Beklagten zitierten Entscheidung NJW-RR 1995, 1527 = VersR 96, 392, die sich wie der hier zur Entscheidung stehende Fall über die gleichlautenden Bestimmungen 28 und 30 der Satzung einer Zusatzversorgungskasse verhält, ausgeführt hat, halten diese Bestimmungen einer Inhaltskontrolle nach dem AGBG auch unter Berücksichtigung von § 242 BGB stand. Insbesondere ist die Vorschrift des § 30 der Satzung, die bezüglich des Eintritts des Versicherungsfalles an die Feststellungen des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers anknüpft, mit den Bestimmungen des AGBG vereinbar und benachteiligt den Versicherten grundsätzlich nicht unangemessen. Vielmehr erscheint eine einheitliche Festlegung dieses Stichtages sinnvoll. Eine selbständige Prüfung des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit durch die Zusatzversorgungskasse soll vermieden werden, auch um voneinander abweichende Zeitpunkte für den Beginn der Rentenzahlungspflicht auszuschließen. Eine selbständige Prüfung der Erwerbsunfähigkeit ist auch dann nicht geboten, wenn in einem Streitfall wie hier dieser Zeitpunkt nicht gerichtlich festgesetzt, sondern zwischen dem gesetzlichen Rentenversicherungsträger und dem Rentenberechtigten einvernehmlich festgelegt wird. Daß die Auswirkungen einer solchen Regelung für die Zusatzversorgung möglicherweise nicht bedacht worden sind, ist unerheblich. Mit der Interessenlage der Klägerin sind die damit für sie verbundenen Rechtsfolgen entgegen der Annahme der Berufung aber vereinbar.

Die Berufung der Klägerin war deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Ziffer 10, 711 und 713 ZPO.

Die Beschwer der Klägerin liegt unter 60.000,00 DM.



Ende der Entscheidung

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