Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.06.2009
Aktenzeichen: 20 U 210/08
Rechtsgebiete: VVG, BGB


Vorschriften:

VVG § 3
VVG § 5
BGB § 362 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 15.10.2008 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Gründe:

I.

Die Klägerin hatte bei der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen. Ausweislich des Versicherungsscheins (Bl. 8 f. d.A.) vom 20.10.1982 mit der Nr. ######### waren u. a. folgende Vereinbarungen getroffen worden:

- Beginn der Versicherung 01.11.1982; Ablauf der Versicherung 01.11.2007; Beitrag 328,65 DM monatlich

- Versicherungssumme 105.000,00 DM (entspricht 53.685,65 €)

- der Versicherungsschutz erhöht sich um die Leistungen aus der Überschussbeteiligung.

Zudem war unstreitig die Geltung der allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Lebensversicherung der Beklagten (AVB) vereinbart worden.

Es kam in der Folgezeit zu 3 Nachträgen.

Im Nachtrag vom 16.08.1994 (Bl.10) heißt es u. a.:

"Art der Änderung

Der Vertrag wird durch Nachzahlung der Beiträge wiederhergestellt. Wir gehen davon aus, dass die Abtretung oder Verpfändung im ursprünglichen Umfang auch wieder für das wiederhergestellte Vertragsverhältnis gilt. Sollte dies nicht zutreffen, bitten wir innerhalb von 2 Wochen um ihre Nachricht.

Versicherungsschutz

105.000,00 DM Versicherungssumme bei Tod, spätestens bei Ablauf

Beteiligung

Der Versicherungsschutz erhöht sich um Leistungen aus der Überschussbeteiligung

Die Überschussbeteiligung, die beitragsfreie Versicherungssumme, sowie die Rückkaufswerte richten sich wieder nach der obigen Versicherungssumme unter Berücksichtigung des versicherungstechnischen Beginns 01.11.1983."

Im zweiten Nachtrag vom 12.04.1995 heißt es u. a. (Bl. 31):

"Art der Änderung

Mit Ablauf auf der in unserem Mahnschreiben gesetzte Nachfrist wurde die Versicherung beitragsfrei gestellt.

Eventuell eingeschlossene Zusatzversicherungen sind erloschen.

Versicherungsschutz

70.545,00 DM Versicherungssumme bei Tod, spätestens bei Ablauf

Die beitragsfreie Versicherungssumme wurde unter Einbeziehung der aus der Überschussbeteiligung zur Verfügung stehenden Werte ermittelt.

Überschussbeteiligung

Der Versicherungsschutz erhöht sich um die Leistungen aus der künftigen Überschussbeteiligung."

Im dritten und letzten Nachtrag vom 13.06.1995 heißt u. a. (Bl. 43):

"Art der Änderung

Ein Teil der zum 01.06.1995 vorhandenen Werte der Überschussbeteiligung in Höhe von 3.535,86 DM wird ausgezahlt.

Versicherungsschutz

65.691,00 DM Versicherungssumme bei Tod, spätestens bei Ablauf."

Während der Vertragslaufzeit erhielt die Klägerin Überschussmitteilungen, so u. a. vom 24.02.1992 (Bl. 12) und 21.02.1994 (Bl. 11). Darin heißt es jeweils:

"Die Überschussbeteiligung für ihre Versicherung erfolgt nach dem Bonussystem.

Das bedeutet, dass die jährlich anfallenden Überschussanteile zur Bildung zusätzlicher beitragsfreier Versicherungssummen (Bonusse) verwendet werden."

Bei Fälligkeit zum 01.11.2007 zu Lebzeiten der Klägerin rechnete die Beklagte den Lebensversicherungsvertrag wie folgt ab:

 Lebensfallsumme27.291,00 €
Wert aus dem Überschuss21.144,00 €
insgesamt48.435,00 €

Diese Abrechnung hat die Klägerin für unzutreffend gehalten, da sich der letzte Nachtrag auf eine Versicherungssumme von 65.691,00 DM entsprechend 33.587,27 € belaufe. Davon hat sie die abgerechnete Lebensfallsumme in Höhe von 27.291,00 € (entspricht 53.376,56 DM) abgezogen und ist zu einer restlichen Versicherungssumme von 6.296,27 € (entspricht 12.315,00 DM) gekommen. Zudem hat sie gemeint, dass ihr daraus noch ein weiterer Überschuss zustehe. Diesen hat sie aus dem Verhältnis der Überschussbeteiligung zur Lebensfallsumme gerechnet, nämlich 77 % multipliziert mit 6.296,27 € = 4.848,13 €. Aus der Summe von 6.296,27 € und 4.848,13 € hat sie die Klageforderung errechnet.

Die Beklagte hat die Richtigkeit der klägerischen Rechnung bestritten.

Die im Juni 1995 mit 3. Nachtrag mitgeteilte Versicherungssumme in Höhe von 65.691,00 DM habe bereits die bis dahin erwirtschafteten Überschussanteile enthalten.

Der 2. Nachtrag aus April 1995 sei insoweit eindeutig und habe der Klägerin in korrekter Weise mitgeteilt, wie die neue beitragsfreie Versicherungssumme errechnet werde und welche Werte sie beinhalte.

Dem von der Klägerin in Bezug genommene 3. Nachtrag aus Juni 1995 fehle in der Tat der Hinweis, wie er im Nachtrag aus April 1995 erfolge, dass nämlich die Versicherungssumme unter Einbeziehung bisheriger Überschüsse berechnet worden sei und sich die Versicherungssumme daher lediglich noch um künftige Überschüsse erhöhen könne. Dieser 3. Nachtrag sei jedoch im Zusammenhang mit den vorherigen Urkunden, also insbesondere dem Nachtrag zur Beitragsfreistellung vom 12.04.1995 zu sehen.

Die Klägerin habe nach Ablauf des Versicherungsvertrages alles erhalten, was ihr zustehe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Der Klägerin stehe kein weiterer Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu.

Ohne Erfolg berufe sie sich dazu auf die Vermutung zur Richtigkeit eines Versicherungsscheins. Zum Einen gehe es hier nur um einen weiteren Nachtrag, zum Anderen enthalte schon § 3 VVG keinen Hinweis, dass die Versicherungssumme allein daraus verbindlich und festlegend abgeleitet werden könne.

Auch ergebe sich dies aus dem Text des Nachtrages vom 13.06.1995, der im Abschnitt oberhalb der Versicherungssumme auf die Auszahlung der Überschussbeteiligung hinweise. Der weitere Hinweis, wie in dem vorangegangenen Nachtrag, fehle zwar, könne jedoch nicht unberücksichtigt bleiben. Insoweit sei die Zusammensetzung der mitgeteilten Versicherungssumme als fortgeschrieben anzusehen.

Die Klägerin vermag sich mit diesem Urteil nicht abzufinden. Sie meint weiterhin, dass im letzten Nachtrag vom 13.06.1995 der Inhalt des Versicherungsschutzes wie folgt definiert worden sei:

65.691,00 DM Versicherungssumme bei Tod, spätestens bei Ablauf.

Obwohl der vorgenannte Betrag in Euro 33.587,27 ausmache, rechne die Beklagte bei Ablauf des Versicherungsvertrages die Lebensfallsumme mit einem Betrag von 27.291,00 € ab und berechne die Überschusssumme auch nur aus diesem Betrag.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts könne sie sich auf die Richtigkeit des Versicherungsscheines berufen. Offensichtlich vertrete das Landgericht Siegen die Auffassung, dass es sich bei einem Nachtrag nicht um einen Versicherungsschein handele. Dies sei jedoch falsch. Die Billigungsklausel nach § 5 VVG gelte auch für Nachträge.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.144,39 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2007 zu zahlen;

2. an sie einen Gebührenschaden in Höhe von 837,52 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen seit Zustellung der Klage zu zahlen.

Hilfsweise beantragt sie,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Überschussbeteiligung aus 33.587,27 € zu berechnen und ihr mitzuteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, indem sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

Sie habe in dem Nachtrag vom 13.06.1995 mit dem Betrag von 65.691,00 DM richtigerweise die Versicherungssumme benannt, welche sich nach teilweiser Auszahlung der Überschussbeteiligung und unter Einbeziehung der bis dahin erwirtschafteten und noch nicht ausgezahlten Überschüsse errechnet habe. Künftig noch zu erwartende Überschüsse hätten darin naturgemäß nicht ausgewiesen werden können.

Zudem hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.06.2009 die Berechnung der Versicherungssumme zusammengefasst dargestellt.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Landgerichts erweist sich im Ergebnis als zutreffend.

Der geltend gemachte Anspruch auf weitere Leistung aus der Lebensversicherung vom 20.10.1982 ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet.

Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin auf Versicherungsleistung mit Zahlung von 48.537,00 € an die Klägerin im November 2007 erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB.

1.

In ihrem Schriftsatz vom 05.06.2009 nebst Anlagen (Bl. 96 ff. d. A.) hat die Beklagte die Entwicklung des Lebensversicherungsvertrages unter Berücksichtigung der Beitragsfreistellung im April 1995 und ausgezahlter Überschüsse in Höhe von 3.535,86 DM im Juni 1995 im Einzelnen dargestellt. Diese Darstellung ist schlüssig. Fehler oder Widersprüche sind nicht zu erkennen und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht bzw. aufgezeigt worden.

2.

Aus dem Nachtrag vom 13.06.1995 (Bl. 43 d. A.) ergibt sich - entgegen der Auffassung der Klägerin - keine andere Berechnung der Versicherungsleistung. Insbesondere ist der letzte Nachtrag (Bl. 43 d. A.) nicht dahingehend zu verstehen, dass es sich bei den dort ausgewiesenen 65.691,00 DM um die "Netto"-Erlebensfallsumme handele, wozu die während der gesamten Vertragsdauer angesammelten Überschussanteile zu addieren seien.

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Nachtrages, der unter "Art der Änderung" die Klägerin darauf hinweist, dass zum 01.06.1995 ein Teil der Überschussbeteiligung in Höhe von 3.535,86 DM ausgezahlt worden seien. Aus dieser Formulierung ist zu schließen, dass die sodann unter "Versicherungsschutz" genannte Summe in Höhe von 65.691,00 DM die bislang angefallenen Überschussanteile beinhaltet.

Entsprechendes ergibt sich aus dem zweiten Nachtrag vom 12.04.1995 (Bl. 31 d. A.), der zum Verständnis des dritten Nachtrages vom 13.06.1995 (Bl. 43 d. A.) zu berücksichtigen ist. Dort wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die beitragsfreie Versicherungssumme unter Einbeziehung der aus der Überschussbeteiligung zur Verfügung stehenden Werte ermittelt worden sei und der Versicherungsschutz sich (nur noch) um die Leistungen aus der künftigen Überschussbeteiligung erhöhen werde. Ein durchschnittlicher, verständiger Versicherungsnehmer muss diesen Hinweis auch auf den ca. zwei Monate später erfolgten Nachtrag vom 13.06.1995 beziehen.

Hinzu kommt, dass in jenem Nachtrag vom 12.04.1995 die Versicherungssumme mit 70.545,00 DM (unter Einbeziehung der aus der Überschussbeteiligung zur Verfügung stehenden Werte) angegeben worden ist und nach Auszahlung von 3.535,86 DM aus der Überschussbeteiligung die verbleibende Versicherungssumme (einschließlich der Überschussbeteiligung) grob gerechnet etwa jenen Betrag ausmacht, der sodann im Nachtrag vom 13.06.1995 (Bl. 43 d. A.) angegeben worden ist. Aufgrund dieser Überlegung konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass zu den 65.691,00 DM noch Werte aus der während der gesamten Vertragsdauer angesparten Überschussbeteiligung addiert werden würden. Sie hätte dann nach Entnahme aus der Überschussbeteiligung besser dagestanden als vorher. Dies konnte nicht richtig sein, was die Klägerin auch ohne weiteres hätte erkennen können.

Tatsächlich hat die Klägerin den letzten Nachtrag vom 13.06.1995 auch so verstanden, wie er gemeint war. Denn auf entsprechende Frage des Vorsitzenden im Senatstermin hat sie erklärt, dass sie die dort angegebene Versicherungssumme in Höhe von 65.691,00 DM als die damals garantierte Versicherungssumme verstanden habe.

Tatsächlich waren im Juni 1995 aus der Lebensversicherungssumme bereits 65.691,00 DM (entspricht ca. 33.582,27 €, Lebensfallsumme und Überschuss) erwirtschaftet worden. In der weiteren Vertragslaufzeit bis November 2007 wurde ein weiterer Überschuss in Höhe von ca. 14.847,00 € erwirtschaftet, der den 33.587,27 € (65.691,00 DM) zugeschlagen wurde.

Im Ergebnis hat die Klägerin also das bekommen, was ihr im Nachtrag vom 13.06.1995 seitens der Beklagten zugesagt worden ist.

3.

Aufgrund der Ausführungen unter 1) und 2) hat auch der Hilfsantrag der Klägerin keinen Erfolg.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor; es geht vorliegend um die Auslegung eines konkreten Versicherungsscheins-Nachtrags - eine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 ZPO kommt dem nicht zu.

Ende der Entscheidung

Zurück