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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 04.05.2001
Aktenzeichen: 20 U 214/00
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 61
Grobe Fahrlässigkeit bei einem Rotlichtverstoß.

(Eventuell unklare Ampelleuchten entlasten nicht)


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 214/00 OLG Hamm

Verkündet am 4. Mai 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann, die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und den Richter am Oberlandesgericht Rüther

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 13. Oktober 2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger nimmt den Beklagten aus einer Vollkaskoversicherung aus Anlaß eines Verkehrsunfalls in Anspruch, der sich am 16.09.1999 gegen 12.30 Uhr in L. E. ereignet hat.

Zur genannten Zeit befuhr der Kläger mit dein versicherten Fahrzeug die D St... in Richtung L.. Auf der Kreuzung P. Straße/F. kam es zu einem Zusammenstoß mit dem von links aus der P St kommenden Fahrzeug der Unfallgegnerin Sch. P.

Der Beklagte verweigert Versicherungsschutz, weil der Kläger eine für ihn Rotlicht anzeigende Ampel mißachtet und deshalb den Versicherungsfall grob fahrlässig (§ 61 VVG) herbeigeführt habe.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Beklagte ist wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 61 VVG leistungsfrei geworden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Rotlichtverstöße wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit, die offensichtlich ist, in der Regel als grob fahrlässig zu qualifizieren. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen hat, was im konkreten. Fall jedem hätte einleuchten müssen. Das Überfahren einer durch Lichtzeichen geregelten Kreuzung oder Einmündung birgt große Gefahren, wenn sie für den Verkehrsteilnehmer durch rotes Ampellicht gesperrt ist. Von einem durchschnittlich sorgfältigen Kraftfahrer muß verlangt werden, daß er an der Kreuzung jedenfalls mit einem solchen Mindestmaß an Konzentration heranfährt, das ihm ermöglicht, die Lichtzeichenanlage wahrzunehmen und zu beachten. Er darf sich nicht von weniger wichtigen Vorgängen und Eindrucken ablenken lassen (BGH VersR 1992, 1085; Senat VersR 1988, 1260; 1995, 92).

Allerdings gilt für den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht ein ausschließlich objektiver, nur auf die Verhaltensanforderungen des Verkehrs abgestellter Maßstab. Vielmehr sind auch Umstände zu berücksichtigen, die die subjektive Seite der Verantwortlichkeit betreffen. Subjektive Besonderheiten können im Sinne einer Entlastung von dem schweren Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ins Gewicht fallen. Dabei reicht allerdings die Feststellung eines sogenannten "Augenblicksversagens" allein zur Entlastung nicht (BGH aaO; Senat NVersZ 2000, 386).

In der Berufungsinstanz ist unstreitig, daß der Kläger trotz für ihn geltenden Rotlichts in den Einmündungsbereich eingefahren ist und dadurch den Verkehrsunfall herbeigeführt hat. Auch das subjektive Verschuldensmoment, das das Verdikt der groben Fahrlässigkeit erst begründet, kann festgestellt werden. Im Senatstermin ist der Ampelphasenplan, der zum Unfallzeitpunkt Geltung hatte, erörtert worden. Daraus ergibt sich, daß der Kläger mindestens 9 Sekunden lang auf eine Ampel zugefahren ist, die nicht mehr Grünlicht anzeigte. Damit hat er für mindestens 9 Sekunden seine elementare Sorgfaltsanforderung verletzt. Das ist bei weitem zu lang, weil er sich damit außer Stande gesetzt hat, auf Lichtwechsel zu reagieren und sein Fahrzeug erforderlichenfalls noch vor dem durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich zum Stehen bringen zu können.

Er hat auch keine Tatsachen geschildert, die geeignet wären, sein Fehlverhalten ausnahmsweise in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Wie sich aus den von ihm als Anlage zum DEKRA-Gutachten überreichten Lichtbildern ergibt, gab es für ihn beim Herannahen an die Ampelanlage keine Sichthindernisse. Er hatte insgesamt drei Ampelleuchtkörper vor sich (je einen auf dem rechten und auf dem linken Bürgersteig sowie einen über seiner Fahrspur). Auf Grund des vorgelegten DEKRA-Gutachtens vom 13.06.2000 ergibt sich, daß bei lichttechnischen Messungen bei annährend gleicher Sonnenstellung wie am Unfalltag im Abstand von 54 m zur Ampelanlage das sog. Hauptsignal (rechter Bürgersteig) bei Rot- und Gelblicht uneingeschränkt erkennbar war; nur hinsichtlich des Grünlichts war die erforderliche Schwellenleuchtdichte überschritten. Für die Ampel auf dem linken Bürgersteig gab es keinerlei Auffälligkeiten; sämtliche Signalleuchten waren problemlos erkennbar. Nur bei der über der Fahrspur angebrachten Ampel war eine Überschreitung der Schwellenleuchtdichte für Rot- und Gelblicht (nicht aber für Grünlicht) gegeben. Dies läßt darauf schließen, daß es allenfalls leichte Irritationen beim Erkennen des maßgeblichen Ampellichts gegeben haben mag. Diese waren aber keineswegs dergestalt, daß dem Kläger ein falsches Grünlicht vorgespiegelt worden ist. Hätte er beim Herannahen an die Kreuzung während der Gelb- und Rotlichtphase auf die Ampelleuchtkörper auf dem rechten und linken Bürgersteig geachtet, hätte es kein Problem gegeben, die richtige Signalfarbe zu erkennen. Sollte der über der Fahrbahn angebrachte Ampelleuchtkörper aus der Sicht des Klägers ein eindeutiges Signallicht nicht angezeigt haben, hätte der Kläger diese Unklarheit nicht ignorieren, sondern sich anhand der beiden anderen Leuchtkörper Klarheit verschaffen und notfalls vor der Kreuzung anhalten müssen. Das Einfahren in die Kreuzung trotz unklaren Ampellichts ist auch subjektiv grob fahrlässig.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Die Beschwer des Klägers beträgt 8.050,00 DM.

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